Die EU will aktuell keine konkreten Zusagen zur Aufnahme von Afghanen machen und "Anreize zur illegalen Migration" vermeiden. Migrationsexperte Knaus glaubt, dass trotzdem bald viele Menschen von dort fliehen werden. Dass sie dann nach Europa kommen, hält er allerdings für unwahrscheinlich.
Angesichts der humanitären Notlage in Afghanistan rechnet der Migrationsexperte Gerald Knaus schon bald mit sehr vielen Menschen, die ins Ausland fliehen wollen - aber mit keiner massenhaften Einreise von Migranten nach Europa so wie 2015.
Die dafür wichtigste Grenze zwischen dem Iran und der Türkei sei heute "mit Mauern, Drohnen und Zehntausenden Soldaten hart abgeriegelt", sagte er der Düsseldorfer "Rheinischen Post". "Was es ganz sicher nicht geben wird, ist eine größere irreguläre Migration wie 2015 bis in die Europäische Union." Knaus ist der Leiter der Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative (ESI), die den Plan für die Rücknahmevereinbarung mit der Türkei zu syrischen Flüchtlingen entwickelt hatte.
Fluchtmöglichkeit von Nachbarstaaten abhängig
Er sagte aber: "Man muss sicher damit rechnen, dass es in naher Zukunft sehr viele Menschen in Afghanistan geben wird, die fliehen müssen." Das sei aus Angst vor den militant-islamistischen Taliban der Fall, wegen der humanitären Situation und der Unsicherheit über die Dauer des Konflikts. Die entscheidende Frage sei, ob eine Flucht möglich sei. Dies hänge von den Nachbarstaaten ab. "Wenn Pakistan und der Iran ihre Grenzen mit Gewalt schließen, so wie das heute alle Nachbarländer Syriens tun, dann wird es nicht vielen Menschen gelingen, herauszukommen."
Knaus erklärte: "Die Gefahr ist nicht, dass zu viele Menschen irregulär nach Europa kommen. Die Gefahr ist nach wie vor, dass auch viele Menschen, denen wir Schutz bieten wollen, denen wir die Einreise nach Deutschland versprochen haben, nicht rauskommen."
"Bedürftigkeit wichtiger als Zahlen"
Der Geschäftsführer der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, forderte die Aufnahme von Afghanen nach Bedürftigkeit und nicht nach fixen Kontingenten. "Statt einer Zahlendebatte sollten wir eine Debatte darüber lostreten, wer einen Grund hat, nach Deutschland zu kommen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Man muss nach dem Grad der Gefährdung gehen und der Verbindung von Betroffenen zu Deutschland. Darauf basierend muss man ein Aufnahmeprogramm beginnen."
Die EU will vorerst keine konkreten Zusagen zur Aufnahme von Afghanen machen. "Anreize zur illegalen Migration sollten vermieden werden", hieß es in einer am Dienstag bei einem Sondertreffen der Innenminister verabschiedeten Erklärung. Vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen seien die EU und ihre Mitgliedstaaten entschlossen, eine Wiederholung von großen und unkontrollierten illegalen Migrationsbewegungen zu verhindern. Damit wurde auf 2015/2016 angespielt, als Millionen Migranten in die EU kamen, viele nach Deutschland. Ein Großteil stammte aus Syrien, wo 2011 ein Bürgerkrieg begonnen hatte. Um Ähnliches in Afghanistan zu vermeiden, soll laut der EU-Erklärung sichergestellt werden, dass Notleidende in den unmittelbaren Nachbarländern Schutz erhalten.
Dennoch anders als 2015: Experte: Viele werden aus Afghanistan fliehen - n-tv NACHRICHTEN
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