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Eigentlich soll die staatlich geförderte Riester-Rente dabei helfen, den Lebensstandard im Alter zu sichern. Doch viele Riester- und Rürup-Verträge können mit ihrer Rendite offenbar nicht einmal die Verluste durch die Inflation ausgleichen.
Das legen jedenfalls Berechnungen nahe, die die Verbraucherschutzorganisation Finanzwende an diesem Mittwoch vorgelegt hat. »Die möglichen Renditen sind mager und auch kein Ruhmesblatt für die Versicherungsbranche«, sagte Britta Langenberg, Leiterin des Bereichs Verbraucherschutz bei der Nichtregierungsorganisation.
Für ihre Berechnungen haben die Expertinnen und Experten insgesamt 111 Riester- und Rürup-Produkte für die staatlich geförderte Altersvorsorge unter die Lupe genommen. Demnach erreichen nur zwei Rürup-Produkte und kein einziges Riester-Produkt über die gesamte Vertragszeit eine Rendite von zwei Prozent pro Jahr. Die Marke entspricht dem mittelfristigen Inflationsziel der Europäischen Zentralbank.
Riester- und Rürup-Renten sind zwei Formen der staatlich geförderten Altersvorsorge. Die Riester-Rente ist vor allem als zusätzlicher privater Baustein zur Aufstockung der gesetzlichen Rente gedacht. Als Kunde zahlt man dabei monatlich Geld ein und erhält zusätzlich eine Zulage vom Staat. Die Grundzulage beträgt dabei 175 Euro pro Jahr, für jedes Kind gibt es zusätzlich 185 (bis zum Geburtsjahr 2007) oder 300 Euro (ab Geburtsjahr 2008). Die Rürup-Rente richtet sich vor allem an Selbstständige.
Bei Riester-Renten werden die Ersparnisse zum Rentenbeginn in der Regel in eine lebenslange Rente umgewandelt. So könnten kinderlose Verbraucher bei einer angesparten Summe von 46.700 Euro bei Rentenbeginn bei einem typischen Vertrag im Mittel eine Monatsrente von 121 Euro erwarten, so die Verbraucherschutzorganisation. Bei Rürup-Verträgen erhielten Versicherte aus 50.200 Euro Kapital monatlich 130 Euro zurück.
Für viele Kunden seien die Policen deshalb kaum attraktiv, so Finanzwende-Expertin Langenberg. Wer mit Riester- oder Rürup-Renten nach Abzug der Inflation kein Geld verlieren wolle, müsse also sehr alt werden – bei typischen Riester-Verträgen 99 Jahre, bei Rürup-Verträgen sogar 100 Jahre.
Die Verbraucherschützer griffen bei ihrer Musterrechnung auf Daten aus den Produktinformationsblättern zurück und trafen bestimmte Grundannahmen, etwa zur Lebenserwartung, zu den Kosten und der sogenannten Überschussbeteiligung. Die Experten räumen ein, dass die Rendite im Einzelfall höher sein kann – etwa wenn man mehrere Kinder hat und der Staat entsprechend mehr Geld zuschießt.
Trotzdem fällt das Urteil der Verbraucherschützer eindeutig aus: »Wir können keinen Kundennutzen bei den Produkten feststellen«, sagt der Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein, der die Berechnungen durchgeführt hat. Die schwache Rendite der Verträge erkläre sich vor allem durch die überschaubaren Auszahlungen in der Rentenzeit, so der Experte. Auch träfen die Versicherer für Kunden ungünstige Annahmen zur Lebenserwartung.
»Die Zahlen zeigen sehr deutlich, dass wir über die Zukunft der staatlich geförderten Altersvorsorge sprechen müssen«, sagt Verbraucherschützerin Langenberg. »Die Sicherheit einer lebenslangen Rente ist für viele Menschen allzu teuer erkauft.«
Versicherer weisen Kritik zurück
Die Versicherungsbranche nennt die Finanzwende-Berechnungen »übertrieben pessimistisch«. So würden etwa unverbrauchte Sicherheitszuschläge aus der Lebenserwartung nicht berücksichtigt, heißt es beim Gesamtverband der Versicherer (GDV). Zugleich gingen die Verbraucherschützer von »maximalen Kostenannahmen aus«.
Allerdings räumt auch der Branchenverband ein, dass eine Reform der Altersvorsorge überfällig sei. Die Versicherer wünschen sich flexiblere Garantien in der Ansparphase. »Aus Sicht der Versicherungswirtschaft wäre ein Garantieniveau von 80 Prozent ein sehr guter Kompromiss aus Sicherheit und Rendite«, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Damit seien deutlich höhere Erträge als bisher möglich, zugleich würden Sparer aber vor hohen Verlusten geschützt.
Die Riester-Rente gilt seit Jahren als Reformfall, die Zahl der Verträge ist rückläufig. Angesichts zahlreicher Probleme hatte sich ein Expertengremium im vergangenen Sommer für einen staatlich organisierten Aktienfonds für die private Rente ausgesprochen.
Warum viele Riester-Rentner 99 Jahre alt werden müssten - DER SPIEGEL
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