Immer wieder wird Papst Franziskus auf einen möglichen Rücktritt angesprochen. Seine Gesundheit ist angeschlagen, wegen eines schweren Knieleidens ist er oft auf den Rollstuhl angewiesen. Doch schon im Dezember meinte der 86-Jährige bestimmt: "Man regiert ja mit dem Kopf und nicht mit dem Knie!"
Und kurz vor dem zehnjährigen Jubiläum seines Pontifikats lässt er wissen, dass er nur dann aufgeben würde, wenn es einen "Mangel an Klarheit gebe, an der Fähigkeit, Situationen zu bewerten. Vielleicht auch ein körperliches Problem".
Papst Franziskus: Von Anfang an auf Seiten der Vergessenen
Trotz seines hohen Alters wirkt der Pontifex agiler denn je. Erst im Februar hat er den Sudsudan und die Demokratische Republik Kongo besucht - zwei Länder, die von Bürgerkrieg und Hunger gezeichnet sind.
Für Franziskus ist das ein Herzensanliegen, von Beginn an hat er die Vergessenen im Blick gehabt. Seine erste Reise geht nach Lampedusa zu den Flüchtlingen. Hier legt er die Finger in die Wunde, moniert die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal anderer. "Die Wohlstandskultur, die uns dazu bringt, nur an uns selbst zu denken, macht uns unempfindlich gegen die Schreie der anderen. Sie lässt uns in Seifenblasen leben, die schön sind, aber nichts."
Ein volksnaher Papst - ohne Prunk und Pomp
Gleichzeitig tritt er bescheiden auf und volksnah. Mit einem schlichten "Fratelli e sorelle, buona sera!" begrüßt er am Abend des 13. März 2013 die Gläubigen auf dem Petersplatz, gerade war der Argentinier Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt worden.
Franziskus nennt er sich, zum ersten Mal beruft sich ein Papst auf den Bettelmönch Franz von Assisi. Prunk und Pomp lehnt er ab, statt im Apostolischen Palast will er im Gästehaus Santa Marta wohnen. An Gründonnerstag fährt er ins Gefängnis und wäscht zwölf Häftlingen die Füße.
Von Beginn an ist Papst Franziskus ein Mann der Zeichen. Und weckt damit große Hoffnungen. Tatsächlich bringt er vieles voran, was er seinen Kardinalskollegen vor seiner Wahl angekündigt hatte. "Eine Kirche, die sich nur um sich selbst dreht, wird krank", meint er.
Reform von Kurie und Finanzen
Die Kurie, den Verwaltungsapparat der katholischen Zentrale, baut er um, oft zum Missfallen der Beteiligten. Seinem engsten Beratergremium, dem Kardinalsrat, gehört knapp zehn Jahre der Erzbischof von München und Freising an, Kardinal Reinhard Marx. Nach seinen Worten geht es um ein anderes Miteinander von Weltkirche und den Ortskirchen, die Kurie soll nicht mehr nur eine Oberbehörde sein, "die die Bischöfe einfach nur kontrolliert".
Den finanziellen Geschäften verordnet Franziskus mehr Transparenz, sogar ein Kardinal findet sich erstmals auf der Anklagebank wieder. Noch im ersten Jahr richtet der Argentinier eine Kinderschutzkommission ein und wertet sie im Laufe der Jahre immer mehr auf.
Kampf gegen sexuelle Gewalt in der Kirche
Der weltweite Skandal um den Missbrauch Minderjähriger durch Kirchenleute prägt die Amtszeit von Franziskus. Er lässt das kirchliche Strafrecht verschärfen und baut die Prävention aus.
Regelmäßig trifft er sich mit Betroffenen, erzählt der Theologe und Psychotherapeut Hans Zollner, der in Rom das weltweit erste Institut für die Prävention von Missbrauch leitet. "Wenn man ihm begegnet, merkt man nicht, dass da jetzt der Papst sitzt, sondern es ist zunächst der Mensch und der Priester, der dasitzt und der das ganz offen aufnimmt."
Schöne Worte zu Zölibat und Sexualmoral
In der persönlichen Begegnung liegt eine der großen Stärken dieses Seelsorger-Papstes. Neue Töne schlägt er bei der Sexualmoral an. "Wenn ein Mensch gay ist und guten Willens den Herrn sucht. Wer bin ich, dass ich darüber urteilen könnte?", sagt er über Homosexuelle.
Doch die Lehrmeinung der Kirche ändert er nicht, der Vatikan verbietet die Segnung von homosexuellen Partnerschaften. Unnachgiebig war bisher auch die Position beim Zölibat. Doch in einem Interview mit dem argentinischen Nachrichtenportal Infobae gibt sich der Papst offener, erinnert daran, dass in der katholischen Ostkirche verheiratete Männer Priester sein können. "Es liegt kein Widerspruch darin, dass ein Priester heiraten kann", so Franziskus wörtlich.
Frau im Priesteramt weiter nicht vorstellbar
Eine Weihe für Frauen kann sich dieser Papst nicht vorstellen, auch wenn gerade er die Frauen an der Kurie einflussreicher macht. Mit Schwester Nathalie Becquart, die Untersekretärin in der Bischofssynode ist, hat erstmals eine Frau überhaupt ein Stimmrecht in der Bischofssynode. Und Leitungspositionen an der Kurie können nun auch Laien übernehmen, Männer wie Frauen.
Der Papst, davon ist der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing überzeugt, hat es "schwer in seiner eigenen Kurie". Ein guter Teil unterstütze ihn, aber er habe auch Gegner in seinen Reihen. Diese Kritiker wurden gerade nach dem Tod seines Vorgängers Papst Benedikt XVI. sichtbar.
Der mittlerweile verstorbene Kardinal George Pell hatte in einem Blog das derzeitige Pontifikat als "Katastrophe" bezeichnet, der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, kritisierte, dass Franziskus einen Freundeskreis um sich habe, der alles abnicke. Es komme zu fatalen Entscheidungen.
Ein Papst, der es keinem recht macht
So kann es Franziskus niemandem recht machen, den Reformern nicht, aber auch nicht den Bewahrern. Der langjährige Kurienkardinal Walter Kasper meint: "Ein Papst ist nicht so allmächtig, wie die Leute sich das vorstellen. Also dass der morgens aufwacht und denkt, heute muss ich mal ein Dogma machen oder so was. Er muss auf die Situation der Kirche achten und der gerecht werden. Er darf die Kirche ja nicht spalten."
Wenn schon kein Reformer, dann vielleicht ein Türöffner
Derweil macht Papst Franziskus unbeeindruckt weiter, gerade erst hat er seine Kirche auf einen synodalen Prozess geschickt. Gläubige in aller Welt können sagen, was sie umtreibt und was sie ändern möchten. Auch die Deutschen sollen sich einbringen. Deren Reformprojekt, den Synodalen Weg hat der Argentinier schon mal mit rüden Worten abgekanzelt, ohne große Sensibilität. Gleichzeitig lobt er den Dialog an sich.
Ende 2024 will der Papst den weltweiten Prozess mit einer Weltsynode abschließen, unklar sind die Details. Jesuitenpater Hans Zollner ist davon überzeugt, dass die Richtung von Franziskus als "Brückenbauer zu einer deutlich menschlicheren, zu einer deutlich weniger machtvollen, zu einer mehr Evangelien gemäßen Kirche geht."
Vielleicht ist er dann kein Reformer. Aber sicher ein Türöffner.
Zehn Jahre Papst: Warum Franziskus viele enttäuscht - BR24
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