Stand: 16.07.2022 08:40 Uhr
Mehrere Tausend Hafenarbeiter und -arbeiterinnen in der Hamburger Innenstadt, zwei Tage Streik und Stillstand im Hafen. So etwas hat es zuletzt vor mehr als 40 Jahren gegeben. Und das, obwohl die Arbeitgeber zuletzt bis zu 12,5 Prozent mehr in zwei Jahren angeboten haben. Am Ende wird es aber viele Verlierer geben, meint Dietrich Lehmann in seinem Kommentar.
"Stoppt das Inflationsmonster!", steht auf den Plakaten, die die Hafenarbeiterinnen und -arbeiter in dieser Woche vor den Containerterminals angebracht haben. Die Arbeitgeber nennen den 48-Stunden-Warnstreik "unverantwortlich" und "existenzgefährdend". Schließlich kommen die Hafenbetriebe schon jetzt nicht mehr damit hinterher, Schiffe schnell und zuverlässig abzufertigen. Daran hängen auch viele Zulieferer und damit Arbeitsplätze. So ist das nun mal in unserer vernetzten Welt. Ein so lauter Arbeitskampf wie in den 1970er-Jahren wirkt da ein wenig aus der Zeit gefallen. Und am Ende wird es mit dazu führen, dass Jobs wegfallen. Der Streik ist nicht der Auslöser dafür, aber er beschleunigt noch einmal vieles.
Hohe, aber nachvollziehbare Forderungen der Hafenarbeiter
Ja, viele Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeiter verdienen schon jetzt gut, wesentlich besser als Krankenschwestern, Pflegerinnen, Busfahrer oder Verkäuferinnen im Supermarkt. Und trotzdem kann ich jeden verstehen, der angesichts der Teuerung mindestens einen Inflationsausgleich auf dem Gehaltszettel fordert. Das letzte Angebot der Arbeitgeber liegt in einigen Bereichen schon dort, bei den einfacheren Hafenbeschäftigten aber noch deutlich darunter.
Hafenbetriebe unter Druck
Ich verstehe aber auch die Hafenbetriebe. Die Terminals in Hamburg, Wilhelmshaven oder Bremerhaven können von ihren Reederkunden und -kundinnen keine Fantasiepreise verlangen, um viel höhere Löhne zu bezahlen. Die Konkurrenz in Rotterdam und Antwerpen ist schon jetzt günstiger als die deutschen Häfen. Und sie wachsen schneller als Hamburg oder Bremerhaven.
Das liegt nicht nur an den Löhnen, sondern auch daran, dass die größten europäischen Häfen mittlerweile moderner sind: Sie brauchen deutlich weniger Arbeiterinnen und Arbeiter, weil sie automatisierter sind. Und Regierungen dort setzen sich für starke Häfen ein.
Deutsche Häfen hinken hinterher
Und bei uns? Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven machen sich lieber gegenseitig Konkurrenz. Die Hafenkooperation liegt auf Eis. Lange geplante Hafenerweiterungen in Hamburg, die einen Modernisierungsschub bringen könnten, kommen nicht voran.
Digitalisierung beschleunigt sich
Egal, wie viel höhere Löhne die Hafenarbeiter und -arbeiterinnen am Ende erstreiken: Den Hafenfirmen bleibt kaum etwas anderes übrig, als noch mehr selbstfahrende Containerbrücken und -Lastwagen einzusetzen, noch mehr auf Computer statt auf Muskelkraft zu bauen. Und das heißt: Es wird weniger Hafenarbeiterinnen und -arbeiter geben. Notgedrungen.
Weitere Informationen
Hafenstreik in Hamburg: Am Ende gibt es viele Verlierer - NDR.de
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