Sendedatum: 15.02.2022 19:05 Uhr
Viele vertrauen dem Staat nicht mehr - zwei Jahre Corona-Pandemie haben die Vertrauenskrise noch verstärkt. Laut einer Göttinger Studie mit Daten vom Sommer 2021 ist der Rückhalt für Demokratie und Politik dennoch hoch.
In den vergangenen Wochen habe ich in unserer lokalen Zeitung immer wieder mitfühlende Berichte über Pfleger oder Krankenschwestern gelesen, die kein Vertrauen haben in die Europäische Arzneimittelbehörde und in unser Robert-Koch-Institut. Ich frage mich, warum wird denen, die das Vertrauen in unsere Institutionen verlieren, so viel Verständnis entgegengebracht!?
Es gibt in unserem Land eine ernst zu nehmende Vertrauenskrise; sie war schon länger da, aber erst jetzt zeigt sie sich. Eine wachsende Zahl von Menschen verliert das Vertrauen ausgerechnet auf die Institutionen, Wissenschaftler und Mediziner, die mit den neuen Impfstoffen Millionen Menschenleben gerettet haben.
Ich glaube, es geht hier gar nicht in erster Linie um das Impfen. Dieses Thema scheint nur ein Ventil zu sein für tiefer liegende Dinge, die einen verunsichert, gekränkt oder verwundet haben.
Alte Wunden reißen wieder auf
Es scheint so als wären jetzt diese alten Wunden wieder aufgerissen. Und darauf wird reflexhaft reagiert nach dem Motto: Ich lass mich nicht noch einmal verletzen. Eine Kränkung aber kann ich nur überwinden, indem ich vergebe. Doch je mehr ich vergebe und vertraue, desto weniger habe ich die Kontrolle in der Hand.Und ein Kontrollverlust macht Angst. Im Markus-Evangelium sagt Jesus einem verzweifelten Vater, der die Kontrolle verloren hatte: "Alles ist möglich für die, die vertrauen!"
Wenn ich anderen vertraue, mache ich mich zwar verletzlicher, aber ich entwickle mich sozial und emotional weiter. Das tue ich nicht, wenn ich immerzu nach Begründungen für meine Angst suche und dann Menschen ausfindig mache, die ich anfeinden und beschimpfen kann, weil sie Verantwortung übernehmen und handeln.
"Der Handelnde macht sich schuldig"
Ja, klar, wer Verantwortung übernimmt, macht Fehler. Oder wie es Goethe sagte: Der Handelnde macht sich schuldig. Ich bin aber sehr dankbar für den Mut der Verantwortlichen, sich in dieser Situation durch Fehlentscheidungen schuldig zu machen. Denn das gehört zum Erwachsenwerden dazu und zu einer reifen demokratischen Kultur - und der vertraue ich.
Weitere Informationen
Viele Menschen verlieren Glauben an Staat und Politik - NDR.de
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