Viel Ablehnung auf dem Land
Doch Mosler hat Unterstützung aus dem Westen. Nicolá Lutzmann ist aus Heidelberg angereist, einer grünen Hochburg. Zusammen sind sie auf dem Marktplatz in Hoyerswerda unterwegs, aber viele Flyer werden sie nicht los. Lutzmann kennt den zähen Wahlkampf noch von früher: "Also es gab Zeiten, wo einem schon vor die Füße gespuckt worden ist." Heute hänge das davon ab, wo man unterwegs sei. "Hier hat man tatsächlich eher Ablehnung."
Das zeigt sich auch an den unterschiedlichen Wahlergebnissen: Nur 2,4 Prozent der Stimmen gingen bei der jüngsten Bundestagswahl im Wahlkreis Bautzen I an Bündnis90/Die Grünen. Dagegen konnte die Partei in der Grünen-Hochburg Heidelberg mehr als 17 Prozent der Zweitstimmen gewinnen.
Bei den jungen Wählern punkten die Grünen
Für den Wahlforscher Professor Ulrich Eith liegt dies vor allem an einer unterschiedlichen Zusammensetzung der sozialen Milieus in Ost und West. "Den größten Zuspruch bekommen die Grünen in den urbanen Milieus der gehobenen Mittelschicht", so Eith. Und die finde man im Osten weit weniger als im Westen.
Hinzu kommt, dass die Bevölkerung im Osten vielerorts älter ist als im Westen. In Bautzen lag das Durchschnittsalter 2019 bei 48,4 Jahren, in Heidelberg bei nur 40,4. Und die Grünen kommen vor allem bei jungen Menschen gut an. Bei der Europawahl 2019 gaben 34 Prozent der Wählenden unter 25 Jahren den Grünen ihre Stimme. In der Altersgruppe über 60 waren es hingegen nur zwölf Prozent.
In der Altstadt seiner Heimat Heidelberg hat Nicolá Lutzmann kein Problem, seine Flyer loszuwerden. Lutzmann ist Biologe, sitzt im Gemeinderat und ist Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Ökologie. 38 Prozent der Wähler stimmten in Heidelberg bei der letzten Landtagswahl für die Grünen. Zuspruch gibt es hier aus allen Altersklassen. "Ich bin 82 Jahre alt, und es sind nicht nur die Jungen, die die Grünen wählen. Meine Generation ist gut vertreten", sagt ein älterer Bürger.
In Baden-Württemberg längst eine Volkspartei
In Baden-Württemberg sind die Grünen längst zu einer Volkspartei geworden, regieren das Land seit über zehn Jahren – seit 2016 zusammen mit der CDU. Die Grünen gelten hier als pragmatisch, kompromissbereit und wirtschaftsnah. Eine Partei der "Realos".
Dieses Erfolgsrezept ist den Aktivistinnen von "Fridays for Future" zu wenig. Auf der Neckarwiese im Stadtzentrum haben sie ein "Klima Camp" organisiert. Ihr Protest soll auf den Zusammenhang zwischen Klimawandel und globaler Ungerechtigkeit aufmerksam machen. Die junge Klimabewegung ist eigentlich eine Verbündete der Grünen. Doch für Leonie Rath und Line Niedeggen machen auch die Grünen zu viele Kompromisse bei den Themen Klima- und Asylpolitik. Eine Koalition der Grünen mit der Union, so wie in Baden-Württemberg, lehnen sie ab.
"Nach 16 Jahren CDU/CSU dürfte eine Koalition mit den Grünen ausgeschlossen sein. Ich verstehe ich nicht, wie man da noch sagen kann: Na gut, dann gucken wir halt noch mal von Neuem", sagt Leonie Rath. "Aber was wäre die Konsequenz daraus? ", antwortet Nicolá Lutzmann. "Dass die Grünen nicht mit in der Regierung sitzen und das noch viel weniger Inhalte durchkommen?" Leonie Rath kann er damit nicht überzeugen. Sie will lieber die Linke wählen.
Ob die Grünen überhaupt an einer Koalition beteiligt sein werden, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Mit der CDU will Annalena Baerbock eigentlich nicht regieren, genauso wenig mit der Linken. Und damit es für rot-grün reicht, müsste die Partei noch einiges an Wählern mobilisieren – im Osten wie im Westen.
Sachsen: Warum sind die Grünen für viele Wähler keine Option? - MDR
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