Drei Tage vor der Bundestagswahl laden die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten aller im Bundestag vertretenen Parteien zu einer letzten Wahlkampfdiskussion. Noch einmal werden die Meinungen zu den wichtigsten Themen abgefragt, die die Bundesbürger in den letzten Wochen beschäftigt haben.
Das ist ein Problem: Sieben Parteien im Bundestag, die unterschiedlicher nicht sein können. Sieben Spitzenkandidaten in einem Studio. Viele spannende Themen - und nur 90 Minuten Zeit. Da heißt es, sich kurz zu fassen. Und das haben einige Politiker einfach nicht drauf. Das konnten die Zuschauer am Donnerstagabend im Ersten und Zweiten erleben, bei der letzten Wahlkampfsendung dieses Jahres. In der "Schlussrunde der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten" hatten Moderatorin Tina Hassel und Moderator Theo Koll, die die Hauptstadtstudios von ARD und ZDF leiten, manchmal ihre liebe Not mit ihren Gästen. Da wurden geplante kurze Antworten schon mal zu kleinen Grundsatzreden, und AFD-Spitzenkandidatin Alice Weidel wurde sogar das Mikrofon abgedreht, als sie einfach nicht aufhören wollte zu reden.
"Man kann sich das kaum vorstellen"
Es ist nicht unbedingt einfach, in 90 Minuten Themen wie Wirtschafts- und Außenpolitik, Wohnungsbau und Klimakrise, innere Sicherheit und Koalitionsbildung abzuarbeiten.
Eines der wichtigsten aktuellen Themen ist der Mord an einem Tankstellenmitarbeiter in Idar-Oberstein durch einen Coronaleugner, der sich nicht an die Maskenpflicht halten wollte. "Ein schrecklicher Anschlag, man kann sich das kaum vorstellen", so Unionskanzlerkandidat Armin Laschet. Er sieht die Gefahr im Internet. Dort radikalisierten sich die Menschen. "Wir müssen diesem Hass entgegentreten und ihn schon in seinen Ansätzen unterdrücken", sagt Laschet.
Deswegen hatten bereits Ende März Bundesfamilienministerin Franziska Giffey von der SPD und Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU mehr Unterstützung durch den Bund für das Engagement gegen Extremismus angemahnt. Dazu sollte im Bundestag das "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz" beschlossen werden. Das jedoch blockierten die Unionsparteien. "Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie, aber kein Gesetz", sagt Armin Laschet auch jetzt. Hass lasse sich nicht durch Gesetze bekämpfen. Laschet setzt auf Überzeugung. Er schränkt aber ein: "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum." Jeder, der zu Hass und Gewalt aufrufe, müsse mit der Härte der Gesetze verfolgt werden.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz geht noch weiter. Es gebe bei uns gültige Gesetze, aber neue Gesetze hätten beschlossen werden müssen. Scholz setzt sich für eine bessere Ausrüstung der Polizei ein und fordert, psychisch labile Menschen müssten besser überprüft werden. "Die dürfen keine Waffen besitzen", so Scholz wörtlich.
Das geht Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nicht weit genug. Sie fordert ein generelles Waffenverbot in Deutschland. Außerdem verlangt sie, Hassbotschaften im Netz müssten schneller gelöscht werden. Und schließlich will sie schnellere Justizverfahren und setzt sich für mehr Personal in den Gerichten ein.
Weidel warnt vor Stigmatisierung
Einen anderen Gedanken bringt FDP-Chef Christian Lindner in die Diskussion ein. Er fordert eine bessere Digitalisierung und eine bessere Zusammenarbeit in der Verwaltung. Janine Wissler von der Linken ist nach wie vor für eine Abschaffung des Verfassungsschutzes und beklagt, dass sich die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste verschlechtert habe. AFD-Chefin Alice Weidel sagt lieber gar nichts zum Verfassungsschutz, warnt aber davor, eine Protestbewegung wie die Querdenker zu stigmatisieren.
CSU-Chef Markus Söder fordert zuletzt ein hartes Durchgreifen gegen Querdenker. "Bei Querdenkern gibt es ein Weltbild, das verquert ist", sagt er. In dieser Szene gebe es Menschen mit antisemitischen und rassistischen Ansichten, die nicht davor zurückscheuten, Menschen wie Kommunalpolitiker oder Mediziner zu beleidigen oder gar tätlich anzugreifen. "Diese Menschen verstehen keine nette Ansprache, die müssen den Staat spüren. Es braucht eine klare Kante gegen Querdenker", so der bayerische Ministerpräsident.
"Wir müssen unsere Industriegesellschaft umgestalten"
Eines der beherrschenden Wahlkampfthemen ist die Klimakrise. Und das ist auch das Thema, bei dem die unterschiedlichen Ansichten der Parteien am deutlichsten herauskommen. Für Laschet ist es wichtig, das Klimaschutzgesetz einzuhalten. "Wir dürfen nicht in dem Klein-Klein der Maßnahmen stecken bleiben", sagt er. Seine drei wichtigsten Ziele: Stahlproduktion auf Wasserstoff umstellen, chemische Industrie umgestalten und den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wie der Braunkohle vorantreiben. Er nennt das: "eine Umgestaltung der Industrie."
Annalena Baerbock denkt dagegen kleinteilig. Sie will ein 100-Tage-Sofortprogramm auflegen und damit die wichtigsten Schritte anstoßen, um Deutschland in zwanzig Jahren klimaneutral zu machen. Dazu gehöre laut Baerbock, dass der Ausstieg aus der Braunkohle vorgezogen werden müsse. Sie verlangt eine klimaneutrale Landwirtschaft und emissionsfreie Autos. Außerdem spricht sie sich gegen Massentierhaltung aus.
Auch die FDP setzt sich für einen Klimawandel ein, der aber nicht vom Staat, sondern im Wesentlichen von der Wirtschaft finanziert werden soll. "Es gibt viele, die das Kapital und das nötige Knowhow haben, und die wollen in den Klimaschutz investieren", meint er.
Bleibt noch die Frage der Koalition. Da hat zwar jeder seine Wunschpartner, aber im Grunde sind sich alle einig: Am Sonntag haben die Wähler das Wort.
Wahlkampf der Spitzenkandidaten: Viele Themen, wenig Zeit - n-tv NACHRICHTEN
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