Die Klimabewegung blickt im Rheinland zurück auf Erfolge und in die Zukunft: Auf den Kampf gegen Flüssig-Erdgas und die Erfolge der AfD.
Seinen prägnanten Satz, „es ist schwer, ehrenamtlich die Welt zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören“, hatte Eckart von Hirschhausen noch nicht gesprochen, als die Klima Allianz, ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen und die Mercator-Stiftung 2016 beschlossen, sich im Rheinischen Braunkohlerevier zu engagieren.
Sie wollten hauptamtliche Stellen schaffen, um die Klimagerechtigkeitsbewegung vor Ort zu unterstützen. Sieben Jahre später hat ihr Förderprojekt nach zweimaliger Verlängerung seine Höchstlaufzeit erreicht, und die Träger luden nach Köln ein, um das Erreichte zu feiern.
Dafür, dass es nicht nur ein Nachmittag voller sonnig strahlender Demobilder wurde, sorgte eine illustre Redner:innen-Liste. Denn nachdem Klima-Allianz-Vorständin Christiane Averbeck und Klaus Kordowski von der Mercator-Stiftung sich ihrerseits bedankt hatten, trat Pauline Brünger von Fridays for Future ans Mikrofon.
Bewegt und bewegend erzählte sie von den Momenten im Hambacher Wald, die ihre aktivistischen Anfänge markierten. „Das kann doch nicht sein, dass da der Bagger ist und da der Wald und niemand dazwischen steht außer meinen Freundinnen und mir“, habe sie damals gedacht. Inzwischen sei klar: „Die Hambi-Räumung war ein Moment, der viele Menschen politisiert hat und allen gezeigt hat, worum es wirklich geht.“
Einen Tag vor der geplanten Massen-Demo zu Beginn der Rodungssaison 2018 wurde bekannt, dass das Oberverwaltungsgericht Münster der Klage des BUND stattgegeben und die Rodung des Hambacher Waldes verboten hatte. Aus der Protestveranstaltung wurde ein Freudenfest mit 50 000 Teilnehmer:innen. Gleichzeitig schlossen sich auch in Deutschland überall Schüler:innen zu Ortsgruppen der neuen Bewegung „Fridays for Future“ zusammen.
Tadzio Müller: „Es braucht Hoffnung zum Kämpfen, aber die darf nicht auf Bullshit basieren“
Pauline Brünger: „Fridays for Future kam nicht irgendwoher, sondern konnte auf einem Fundament aufbauen, das die Menschen hier im Raum gelegt haben.“ Ihr Fazit nach fünf Jahren der Klimastreiks, des Widerstandes in den Garzweiler-Dörfern und der Zerstörung von Lützerath ist bitter und kämpferisch: „Was ich in diesen Jahren erlebt habe, ist: Man verliert die ganze Zeit. Das einzige, was es aushaltbar macht, ist, nicht allein zu sein. Wir haben durch sehr harte Kämpfe die einfachen Dinge erreicht. Jetzt kommen die richtig harten Brocken.“
Gnadenlos realistisch fasst der Politikwissenschaftler und Aktivist Tadzio Müller zusammen: „Das Klima kollabiert gerade; die stabile Phase des Holozäns kommt an ihr Ende, und wir haben das Kernziel der Bewegung, diesen Kollaps zu verhindern, verfehlt.“ Die Bewegung sei schuldlos gescheitert, die positive Zukunft sei auch angesichts der heranrollenden faschistoiden Welle verschwunden.
Doch Müller möchte seine Worte nicht als Defätismus verstanden wissen – im Gegenteil: „Es braucht Hoffnung zum Kämpfen, aber diese Hoffnung darf nicht auf Bullshit basieren. Macht die emotionale Arbeit, euch damit auseinanderzusetzen, wie dunkel es wird“, fordert er die Anwesenden auf und stellt gleichzeitig die wichtigen Themen nach dem Ende der Kohle in den Raum: Die Verhinderung des Aufbaus neuer fossiler Strukturen für Flüssiggas, die Bedrohung der lebenswichtigen Ressource Wasser und „der faschistischen Offensive den Wind aus den Segeln zu nehmen, denn die arbeiten mit Angst.“
Antje Grothus: „Immer wieder hatten wir die Hoffnung, es geht ins Gestalten“
Auch Antje Grothus, die als Kämpferin für den Hambacher Wald bekannt wurde und inzwischen als Grüne NRW-Landtagsabgeordnete für eine sozial gerechte Transformation im Revier streitet, bedauert die fortdauernde Verschwendung menschlicher Energie im Ringen um den Wandel:
„Inzwischen ist bei mir der Wunsch des Nicht-mehr-Kämpfen-Müssens groß. Immer wieder hatten wir in den letzten Jahren die Hoffnung, wir gehen jetzt ins Gestalten, und dann war es doch wieder ein Kampf, der immer wieder begleitet ist von der Frage, wie schaffen wir das? Wie schaffen wir es, den Menschen klarzumachen, was sie von der Energiewende haben, wie machen wir den Leuten Lust darauf? Wir sind hier in einer Blase, aber wie tragen wir das hier raus, so dass es den Menschen die Angst nimmt?“
Dirk Jansen, BUND-Geschäftsführer in NRW, zeigt sich „schockiert, wie wenig die Bedeutung von Biodiversität, Klima, Wasser in der Politik angekommen ist. Die jetzt beschlossene Planungsbeschleunigung, die für alles steht, was uns weiter in die Krise reitet, treibt uns um.“ Aktuell kämpft sein Verband juristisch für die Stilllegung des umstrittenen Steinkohlekraftwerks Datteln IV.
Den Kopf in den Sand zu stecken, ist für die Klima-Bewegten trotz allem keine Option, und Tadzio Müller fasst zusammen: „Die positiven Geschichten kommen nach der Trauer. Es wäre nur falsch zu glauben, dass sie statt der Trauer kommen.“
Aktivistin: „Die Hambi-Räumung hat viele politisiert“ - fr.de
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