Die Debatte über das Selbstbestimmungsrecht war heftig. Über Transphobie wurde auf der einen Seite geklagt, über eine angebliche Transmode auf der anderen. Gestritten wurde über das Wohl von Kindern bis hin zum Alltag in Frauensaunen. Klar war, dass eine Anpassung nötig war. Zufriedenstellen wird das Gesetz, dessen Entwurf das Kabinett am Mittwoch beschlossen hat, aber auch nicht alle. Es gibt Klagen über transfeindliche Untertöne wie auch den Vorwurf einer bedingungslosen Wechselmöglichkeit des Geschlechts. Die parlamentarische Debatte dürfte in den kommenden Monaten also kaum weniger heftig ausfallen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) zeigten sich am Mittwoch gleichwohl zuversichtlich. „Alle Menschen haben ein Recht darauf, dass der Staat ihre geschlechtliche Identität achtet“, äußerte Buschmann. „Das geltende Recht schikaniert transgeschlechtliche Menschen. Wir wollen diesen unwürdigen Zustand beenden.“ Paus sagte, die Reform diene „dem Schutz lang diskriminierter Minderheiten und ist ein gesellschaftspolitischer Fortschritt“. Während 2021 noch 3232 Anträge auf eine Änderung des Geschlechtseintrags registriert worden waren, geht man in der Regierung von jährlich etwa 4000 in Zukunft aus.
Keine Obergrenze für Änderungen
Das bislang geltende Transsexuellengesetz von 1980 sah zunächst eine „kleine“ und eine „große Lösung“ vor: Das eine war eine Namensänderung ohne Änderung des Geschlechtseintrags, die andere sah eine gerichtliche Feststellung zum Geschlechtswechsel vor. Das Bundesverfassungsgericht hat aber große Teile des Gesetzes als verfassungswidrig verworfen. Das Verfahren galt als lang und aufwendig, zwei Gutachten von Sachverständigen waren nötig, all das wurde von Betroffenen vielfach auch als belastend und entwürdigend beschrieben. Damit soll es künftig vorbei sein.
Das Gesetz zur Selbstbestimmung richtet sich an transsexuelle, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen, die sich weder als Mann oder Frau verstehen. Eine Änderung des Geschlechtseintrags soll drei Monate vor der Erklärung im Standesamt angekündigt werden. Es gibt zwar keine zahlenmäßige Begrenzung, wie oft der Geschlechtseintrag geändert werden kann. Es gibt aber die Einschränkung, dass nach einer Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr gilt, bevor eine weitere vorgenommen werden kann.
Es geht nicht um geschlechtsangleichende Maßnahmen
Wenn Kinder unter 14 Jahren ihr Geschlecht ändern wollen, müssen die Eltern dies beim Standesamt beantragen. Von 14 Jahren an können Jugendliche zwar selbst den Antrag stellen, aber brauchen das Einverständnis der Eltern. Sollten Kinder und Eltern sich nicht einig sein, muss ein Familiengericht entscheiden, wobei das Kindswohl der Maßstab sein soll. Künftig ist es für transgeschlechtliche Eltern auch möglich, sich nicht mehr als Vater oder Mutter in die Geburtsurkunde eintragen zu lassen, sondern als „Elternteil“. Um geschlechtsangleichende Maßnahmen geht es in dem Gesetz nicht.
Um einen Missbrauch des veränderten Geschlechtseintrags zu verhindern, waren noch Anpassung vorgenommen worden. So sollen Straftäter nicht einfach durch einen Geschlechtswechsel der Strafverfolgung entgehen oder Ausländer einer Abschiebung – stattdessen werden Sicherheitsbehörden über Änderungsanträge informiert.
Bei dem Themenfeld Umkleiden oder Saunen für Frauen, bei dem manche notwendige Schutzräume bedroht sahen, wird nun auf das Hausrecht verwiesen. Allerdings wird angemerkt, dass weiterhin das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt, das Benachteiligungen verhindern soll.
Selbstbestimmungsgesetz beschlossen: So sieht der Entwurf aus - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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