Seit einem Monat führt Bola Tinubu Afrikas bevölkerungsreichstes Land, das mit Wirtschaftsproblemen und Terrorismus kämpft. Er startet seine Amtszeit mit unerwarteten Reformen. Kann er Nigeria umsteuern?
Abuja - Nigerias neuer Präsident Bola Tinubu hat in seinem ersten Monat im Spitzenamt von Afrikas bevölkerungsreichstem Land mit mehreren Weichenstellungen für Aufsehen gesorgt. Der 71-Jährige schaffte jahrzehntelange Treibstoffsubventionen ab, reformierte den Wechselkurs und tauschte die Spitzen der Sicherheitsbehörden des von Terror und Kriminalität betroffenen Landes in Westafrika aus.
Selbst Gegner des Machtpolitikers, der im Februar in einer von Problemen überschatteten Wahl zum Nachfolger seines acht Jahre amtierenden Parteikollegen Muhammadu Buhari gewählt wurde, sind überrascht. Doch die Auswirkungen der Reformen sind noch unklar.
Das abrupte Ende der Treibstoffsubventionen in Höhe von mehr als neun Milliarden Euro im Jahr - mehr als die Ausgaben für Bildung und Gesundheit zusammen - ist die gravierendste Reform. Vorgänger scheiterten damit stets an enormem Widerstand. „Dass der Schritt so schnell kam und nicht erst mit abfedernden Maßnahmen hinterlegt wurde, damit hat niemand gerechnet“, sagte die Nigeria-Büroleiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung, Marija Peran, der dpa.
Treibstoffmangel und Korruption
Nigeria war bis vor Kurzem der größten Rohölförderer des Kontinents, muss Benzin und Diesel aber trotzdem importieren, weil seine Raffinerien nicht funktionieren. Nigerias mehr als 220 Millionen Einwohner konnten Sprit bislang zu von der Regierung geförderten Preisen kaufen. Allerdings fehlte Treibstoff, da große Teile der Importe in die Nachbarländer geschmuggelt und dort zum doppelten Preis verkauft wurden. Milliarden aus dem Subventionsprogramm verschwanden zudem in der Korruption.
Für Nigerianerinnen und Nigerianer bedeutet der Schritt dramatische Kostensteigerungen. Binnen weniger Tage verdreifachten sich die Preise für Treibstoff und Transportmittel. Die Teuerung befeuert zudem, dass in diesem Monat der offiziell festgelegte Wechselkurs der Landeswährung Naira abgeschafft wurde. Gewerkschaften drohten mit Streiks, die durch eine Vereinbarung zunächst abgewendet wurden.
Boko Haram terrorisiert Bevölkerung
Tinubu, der noch kein Kabinett ernannt hat, tauschte in seinem ersten Monat zudem die Spitzen von Armee, Polizei und Sicherheitsbehörden aus. Der Schritt ist zwar üblich, Beobachter sehen in der Besetzung von Posten mit erfahrenen Spezialisten aber Verbesserungswillen. Im Nordosten des Landes verzeichnet der Staat seit über einem Jahrzehnt nur begrenzte Erfolge im Kampf gegen islamistische Terrorgruppen wie Boko Haram, deren Gewalt mehr als 350.000 Menschenleben gefordert und drei Millionen Menschen vertrieben hat. Im Nordwesten und Zentrum des Landes haben bewaffnete Gruppen im Zuge von Konflikten um Weide- und Ackerland Hunderte von Menschen getötet und Tausende entführt.
Tinubu, auch „Pate von Lagos“ genannt, gilt als einer der mächtigsten Politiker Nigerias. Während seiner Zeit als Gouverneur Lagos' von 1999 bis 2007 wurde ihm die Entwicklung der Mega-Metropole zu einem der wichtigsten Wirtschaftszentren des Kontinents zugeschrieben. Der reiche Geschäftsmann wurde mehrfach mit Drogen und Korruption in Verbindung gebracht, aber nie verurteilt. Der neue Präsident hat aber nur einen schmalen Anteil der Bevölkerung hinter sich: Er gewann die Wahl im Februar mit nur 36,6 Prozent oder 8,8 Millionen Stimmen. dpa
Nigerias Präsident überrascht viele Beobachter - Merkur.de
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