In der öffentlichen Debatte über die Wärmewende ist die Wärmepumpe vorm Haus derzeit für viele der Weg in die Zukunft. Doch klimaneutral zu heizen und Wasser zu erwärmen, kann vielerorts auch anders gelingen. Die Fernwärmebranche hält eine Verdreifachung der Anzahl der Haushalte mit Wärmenetzanschluss bis 2050 für möglich.
»Dazu benötigen die Unternehmen allerdings Planungssicherheit und geeignete Förderbedingungen«, sagte der stellvertretende Geschäftsführer des Fachverbands AGFW, John Miller. Derzeit würden rund sechs Millionen der 43 Millionen Wohnungen mit Fernwärme beheizt. Perspektivisch wolle man auf 18 bis 20 Millionen kommen, vor allem in Mehrfamilienhäusern in den Städten und dicht besiedelten Gebieten. »Fernwärme ist der Schlüssel für das Thema klimaneutrale Städte in Deutschland. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, da die Weichen zu stellen.«
An Fernwärme-Infrastruktur könne man sehr viele erneuerbare Quellen und Technologien anschließen, die bis 2045 die Klimaneutralität der Wärmenetze ermöglichen würden, sagte Miller. Als Beispiele nannte er Großwärmepumpen, Geothermie, Solarthermie, Biomasse oder Abwärme aus Industrie oder Rechenzentren. Er hob in diesem Zusammenhang die Wirkung einer Umstellung auf erneuerbare Energien hervor. Würde etwa ein mit Kohle befeuertes Heizkraftwerk dann mit klimaneutralen Brennstoffen betrieben oder durch klimaneutrale Technologien ersetzt, hätten mit einem Mal Tausende Wohneinheiten den Brennstoff gewechselt.
Verband fordert längere Übergangsfristen von der Politik
Auch Bauministerin Klara Geywitz setzt für mehr Klimaschutz stark auf die Fernwärme. Eine solche Versorgung habe große Potenziale vor allem in den Innenstädten, sagte die SPD-Politikerin vergangene Woche in Berlin. Eine kommunale Analyse und Wärmeplanung soll nun dafür sorgen, dass man bisher ungenutzte Wärmequellen entdecke – »zum Beispiel Abwasserwärme, die man dann auch über Abwasserwärmepumpen nutzbar machen kann, um ganze Stadtgebiete zu versorgen«.
Möglicherweise werde es bei der Fernwärme auch einen Anschlusszwang geben, sagte Geywitz. In einigen Kommunen ist derzeit schon vorgeschrieben, für mehr Klimaschutz Fernwärme zu nutzen, wo sie angeboten wird. »In der Regel ist es aber dann nicht sofort, sondern wenn der Heizungstausch passiert«, sagte Geywitz. Sie versicherte zudem, niemand, der sich jetzt eine Wärmepumpe einbaue, werde gezwungen, diese in fünf Jahren wieder auszubauen, wenn die Straße an die Fernwärme angeschlossen werde.
Branchenvertreter Miller äußerte sich positiv über den Stellenwert, der den Wärmenetzen in den geplanten Gesetzen zur Gebäudeenergie und zur kommunalen Wärmeplanung eingeräumt werde. »Wir sind froh, dass die Politik jetzt ein Stück weit aufgewacht ist und den Fokus auf Fernwärmenetze gelegt hat.«
Kritik übt der Verband an dem im Gebäudeenergiegesetz vorgesehenen Zeitplan, bestehende Wärmenetze bis 2030 auf mindestens 50 Prozent erneuerbarer Wärme oder Abwärme umzustellen. »Dies pauschal für alle Wärmenetze zeitlich festzulegen, halten wir für keine gute Idee«, sagte Miller. Der Verband fordert längere Übergangsfristen und deutlich mehr Fördermittel insbesondere für das Programm Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW).
In Deutschland gibt es nach AGFW-Angaben rund 3800 Fernwärmenetze, die von rund 500 Unternehmen betrieben werden. Der AGFW bezeichnet sich selbst als »Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und Kraft-Wärme-Kopplung«. Rund 640 Unternehmen sind Mitglied, darunter die meisten Fernwärmeanbieter.
Fernwärme: Dreimal so viele Anschlüsse möglich wie bisher - DER SPIEGEL
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