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Monday, March 20, 2023

Demokratiefördergesetz: Viel Geld für viele linke Organisationen - Neue Zürcher Zeitung - NZZ

In Deutschland gibt es eine spürbare Entfremdung zwischen Bürgern und der politischen Klasse. Die Bundesregierung will gegen diese Entwicklung kämpfen, der Erfolg ist aber ungewiss.

Die zwei von der Demokratiestelle: Innenministerin Nancy Faeser und die Familienministerin Lisa Paus.

Die zwei von der Demokratiestelle: Innenministerin Nancy Faeser und die Familienministerin Lisa Paus.

Imago

Am Donnerstag diskutierte der Deutsche Bundestag über das sogenannte Demokratiefördergesetz von SPD, Grünen und FDP. Eine solche Debatte hätte ein Beispiel für lebendige Demokratie und sprühenden Parlamentarismus sein können. Das war die einstündige Aussprache am Abend eines langen Sitzungstages eher nicht. Familienministerin Lisa Paus von den Grünen und Innenministerin Nancy Faeser von den Sozialdemokraten trugen altbekannte Textbausteine über die wehrhafte Demokratie und den Kampf gegen Rechtsextremismus vor.

Auch sonst übten sich die Abgeordneten in Rollenprosa: Der Jungsozialist von der SPD beschimpfte die AfD. Die AfD wetterte gegen «links-grüne Deutschlandzerstörer». Die Linkspartei forderte mehr Beteiligung von Migranten an möglichst allem. Ein FDP-Vertreter sprach etwas orientierungslos über ein «schlankes Gesetz». Ein schlankes Gesetz übrigens, an dessen konkreten Förderbestimmungen die begünstigten Initiativen ungewöhnlicherweise mitformulieren dürfen.

Erwähnenswert waren eigentlich nur die Redebeiträge der Christlichdemokraten Christoph de Vries und Marc Henrichmann und von Linda Teuteberg aus der FDP-Fraktion. Henrichmann sagte, solange Äusserungen aus der Mitte des Bundestages ständig an den rechten Rand des politischen Meinungsspektrums gerückt würden, bedürfe es eher eines Vertrauenswiederherstellungs- als eines Demokratiefördergesetzes. Das grosse Defizit der Ampelkoalition sei es, politische Probleme nicht benennen zu können oder zu wollen.

Das Grundgesetz seinem Geist entsprechend schützen

De Vries kritisierte, dass das Gesetz letztlich ein Instrument grüner Moralisierung sei, dass es – zum Beispiel mit der Meldestelle Antifeminismus – Denunziantentum fördere und letztlich der staatlich subventionierten Diffamierung von abweichenden Meinungen diene.

Teuteberg erinnerte an ein Diktum des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann, der gesagt hatte, dass man das Grundgesetz nicht mit Methoden verteidigen dürfe, die seinem Geist und seinen Zielen zuwiderliefen. «Der freiheitliche Rechtsstaat schützt die Vielfalt, die er vorfindet», sagte Teuteberg. Er regele aber nicht, wie diese Vielfalt auszusehen habe.

Das Problem des ganzen Vorhabens liegt möglicherweise darin, dass die «Ampel» ihre Demokratieförderung vor allem als Austeilen von Geld an ihr sympathische «Projekte» versteht – an «zivilgesellschaftliche Akteure» aus ihrem Milieu. Die Projekte widmen sich Anliegen, denen man pauschal schlecht widersprechen kann, auch wenn man sie für unterschiedlich wichtig halten mag: der Bekämpfung von Islamfeindlichkeit, von Antiziganismus, von Antifeminismus, von Rechts- und, in einem sehr viel geringeren Anteil, auch von Linksextremismus.

212 Millionen Euro pro Jahr für «Demokratie leben!»

Das darf man alles tun, wahrscheinlich ist es sogar gut, dass jemand sich um diese Themen kümmert, aber es stellen sich doch einige Fragen. Kann man, zum Beispiel, noch von «zivilgesellschaftlichem» Engagement sprechen, wenn die Arbeit der Geförderten komplett aus Steuergeldern finanziert wird?

Brauchen die 600 Projekte, die künftig dauerhaft aus dem Förderprogramm «Demokratie leben!» bezahlt werden sollen, wirklich 212 Millionen Euro im Jahr? Das ist deutlich mehr, als die klassischen Parteien in Deutschland an Zuwendungen erhalten – und Parteien sind schliesslich auch Zusammenschlüsse von Bürgern, die überdies zunächst Mitgliedsbeiträge und Spenden aufbringen müssen, bevor sie komplementäre Steuermittel erhalten.

Dann: Warum ist es eigentlich eine so schlimme Zumutung für die geförderten Nichtregierungsorganisationen, eine Erklärung zugunsten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abzugeben, wie das bis 2014 vorgeschrieben war, und wogegen Sozialdemokraten und Grüne jetzt heftig agitieren? Schliesslich gibt es beispielsweise Spielarten des militanten «Antifaschismus», für die der Steuerzahler vielleicht nicht unbedingt aufkommen möchte. Oder, wie die FDP-Politikerin Teuteberg es formulierte: «Gegen Antidemokraten zu sein, macht einen noch nicht selbst zum Demokraten.» Teuteberg hält insofern die Fahne einer bürgerlichen FDP hoch, deren Umrisse in der Ampelkoalition immer mehr zu verblassen scheinen.

Wie erfolgreich sind die Programme?

Eine weitere Frage, die man den Initiatoren des Demokratiefördergesetzes stellen muss, ist die Frage nach Redundanz: Es gibt ja bereits eine Bundeszentrale für politische Bildung unter der Leitung des Sozialdemokraten Thomas Krüger, mit einem 100-Millionen-Etat, 400 Mitarbeitern und einem ähnlichen Profil wie «Demokratie leben!».

Ausserdem entsteht in Halle gerade das «Zukunftszentrum für die Deutsche Einheit und Europäische Transformation». Geschätzte Kosten: 200 Millionen Euro, geplante Mitarbeiterzahl 180, Auftrag: ebenfalls irgendwie politische Bildung. Hinzu kommen aufwendigste Kampagnen der Bundesregierung, die die Bürger über einzelne politische Massnahmen informieren und sie für zig Millionen Euro zur Corona-Impfung oder zum Energiesparen anhalten.

Irgendwann stellt sich bei all dieser wohlmeinenden Förderung guter An- und Absichten auch die Frage nach deren Wirksamkeit – die leider im Bundestag kaum thematisiert wurde. Bringt all das, was die Bundesregierung tut, was viel Steuergeld verschlingt und, unfreundlich formuliert, schon eine gewisse Pfründe für die eigene Klientel darstellt, denn etwas Positives für den Zustand der Demokratie in Deutschland?

Negative Korrelation zwischen Förderung und Verdruss

Daran darf man zweifeln. Das Vertrauen in die demokratischen Institutionen brach nach den Umfragen mehrerer Institute auch unter der Ampelregierung weiter ein. Erst in diesem Frühjahr ermittelten die Demoskopen von Forsa, das nur noch rund 30 Prozent eine hohe Meinung von Bundeskanzler und Bundesregierung haben. Aus einer etwas älteren Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung ergibt sich, dass Nichtwähler besonders unzufrieden mit der repräsentativen Demokratie sind. 70 Prozent von ihnen haben grundsätzliche Zweifel an dieser Staatsform.

Insofern müssten demokratieförderwillige Politiker über die jüngsten Landtagswahlen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Berlin beunruhigt sein, bei denen jeweils nur 55 bis 60 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben. Kann man dieser Entwicklung wirklich mit Projekten zu «frühkindlichen Demokratieerfahrungen» oder «Islam und Diversity» entgegenwirken? Oder müssten die Parteien nicht über ihre eigene Verfassung, über die Attraktivität ihres Angebots, den Zustand ihrer Jugendorganisationen und die Probleme ihrer Personalrekrutierung nachdenken?

In Ostdeutschland, wo «Demokratie leben!» bis anhin seine Projektschwerpunkte hat, wollen 25 bis 30 Prozent der Wahlberechtigten bei den nächsten Landtagswahlen die AfD wählen. Liegt das daran, dass sie noch nicht genug, oder daran, dass sie schon zu viel Demokratieförderung erlebt haben? Bundesweit liegt die in Teilen rechtsradikale Partei in den Umfragen bei 15 Prozent.

Möglicherweise finden Demokratieförderung und Politikverdrossenheit in Deutschland in zwei vollkommen getrennten Paralleluniversen mit ganz unterschiedlichen Problemlagen statt: lauter Rechtsextremismus, Transfeindlichkeit und Gendersternchenbekämpfer hier, implodierende Verkehrsinfrastruktur, schlechte Schulen und entrückte Politikvertreter da. Oder die beiden Universen sind doch verbunden, dann gäbe es eine negative Korrelation zwischen den Bestrebungen der Ampelregierung zur Förderung der Demokratie und der politischen Stimmung im Land.

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