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Friday, October 14, 2022

"Es gibt immer noch viel zu viele, die weggucken" - rbb24

Interview | 10. Todestag im Fall Jonny K. - "Es gibt immer noch viel zu viele, die weggucken"

Fr 14.10.22 | 07:08 Uhr

Vor zehn Jahren wurde Jonny K. zu Tode geprügelt. Seine Schwester Tina K. engagiert sich seitdem gegen Gewalt. Im Radioeins-Interview spricht sie darüber, wie sie mit ihrer Trauer um ihren Bruder umgeht und worin sie Jonnys Vermächtnis sieht.

Jonny K. wurde vor zehn Jahren in der Nähe des Berliner Alexanderplatzes angegriffen und zu Tode geprügelt. Der 20-Jährige hatte einem Freund beistehen wollen, der seinerseits angegriffen worden war. Eine Gedenkplatte in der Rathausstraße erinnert an die Gewalttat, die sich in der Nacht auf den 14. Oktober zum zehnten Mal jährte. Seine Schwester Tina K. setzt sich seit der Tat mit ihrem Verein "I am Jonny" gegen Gewalt und für Gewaltprävention ein und hat mit Radioeins anlässlich des Todestages Ihres Bruders gesprochen.

rbb: Frau K., in diesem Jahr wäre Ihr Bruder 30 Jahre alt geworden. Wie ist es Ihnen seitdem gelungen, das Geschehene zu verarbeiten und wie sehr beschäftigt es Sie heute noch?

Tina K.: Ich finde nicht, dass man sowas verarbeitet, sondern man bearbeitet es und lebt damit weiter. Nach wie vor ist die Liebe von meinem Bruder mein Nordstern, das, was mich positiv beeinflusst, weil mein Bruder einfach bei mir ist. Aber ich würde nicht sagen, dass ich es verarbeitet habe. Ich denke, das kann auch jeder, der jemanden verloren hat, mitfühlen, dass Trauer nicht etwas ist, das ein Verfallsdatum hat. Man weiß einfach irgendwann, wie man damit umgeht. Und trotzdem gibt es Tage wie heute, gestern oder generell der Herbstanfang, an denen mein Herz extrem schwer ist. Und da ist es egal, ob es ein Jahr her ist oder ob es zehn Jahre sind. Wir haben 2022 und für mich fühlt sich dieser Herbst an, als wäre 2012.

Sie engagieren sich seitdem gegen Gewalt und für Gewaltprävention und haben mit "I am Jonny" einen Verein gegründet. Was konnten Sie mit diesem Verein bisher erreichen?

Wir machen die Arbeit jetzt seit fast zehn Jahren. Wir waren in 300 Klassen und haben 27.000 Schülerinnen und Schüler erreicht, Zivilcourage- und Gewaltprävention-Workshops gegeben. Ich kann sagen, dass das Feedback gut ist. Ich weiß, dass sich im Nachhinein Kinder und Jugendliche entschieden haben, in den sozialen Bereich zu gehen, dass Leute zur Polizei gegangen sind oder angefangen haben, Jura zu studieren. Das ist meiner Meinung nach Jonnys Vermächtnis: Menschen zu beeinflussen, dass sie was Positives aus ihrem Leben machen.

Ist Ihr Eindruck, dass sich die Gesellschaft verändert hat - oder wäre so eine Tat wie vor zehn Jahren am Alexanderplatz noch genauso denkbar?

Leider ja. Ich finde, dass Covid dem auch noch mal einen Push gegeben hat. Es gibt viele Menschen, die Zivilcourage zeigen, aber es gibt immer noch viel zu viele, die weggucken. Das muss sich einfach ändern. Wir müssen wachsamer sein, aufeinander aufpassen und unser Gegenüber als Familie, als Mensch sehen und nicht denken, dass es uns nichts angeht. Bei uns war es so, dass 40 Menschen etwa 80 Meter von der Tat entfernt standen. Es gab drei Tatzeugen, die drei Meter davon entfernt waren. Wir müssen als Gesellschaft lernen, dass wir uns einsetzen, wenn wir etwas sehen, das nicht rechtens ist. Da muss auf jeden Fall noch viel mehr passieren. Auch politisch gesehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Sendung: Radioeins, 13.10.2022, 17:10 Uhr

Das Interview führten Mareile Scheidemann und Maximilian Ulrich für Radioeins. Bei der vorliegenden Fassung handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Version.

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