Stand: 21.10.2022 16:51 Uhr
Laut Kanzler Scholz ist über die chinesische Beteiligung am Hafen Hamburg noch nicht entschieden - es sei noch viel zu klären. Zahlreiche Politiker warnen eindringlich. Auch die EU-Kommission meldete offenbar schon im Frühjahr Bedenken an.
Die geplante Beteiligung des chinesischen Konzerns Cosco am Terminal Tollerort am Hamburger Hafen sorgt weiter für Irritation und Streit, auch in der Ampelkoalition. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte jetzt, über den Einstieg der Chinesen sei noch nicht entschieden. "Es sind noch viele Fragen zu klären", so der SPD-Politiker und frühere Erste Bürgermeister Hamburgs in Brüssel nach dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs. Insofern gebe es keinen Zwischenstand zu vermelden. Der entsprechende Antrag werde sorgfältig geprüft. Dabei spielten Sicherheitsinteressen auch immer eine Rolle.
2021 hatten die Hamburger Hafenlogistiker HHLA und der chinesische Terminalbetreiber Cosco Shipping Ports Limited eine Vereinbarung über eine 35-prozentige Beteiligung der Chinesen am HHLA-Terminal Tollerort getroffen. Die Bundesregierung könnte den Einstieg untersagen.
Nach Informationen von NDR und WDR haben zuvor alle sechs Ministerien, die an der Investitionsprüfung fachlich beteiligt sind, das Geschäft abgelehnt. Das Kanzleramt drängt der Recherche zufolge jedoch darauf, dass der Einstieg zustande kommt.
Sprecher: Noch keine Regierungsabstimmung
Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner sagte, Scholz habe sich in der Frage mit den Fachministern noch nicht abgestimmt. Eine regierungsinterner Austausch werde folgen. Das Wirtschaftsministerium wies daraufhin, dass die Prüfung des Einstiegs auch verlängert werden kann.
Scholz sagte, die Beziehungen zu China seien am Freitag auch Thema bei EU-Gipfel gewesen. Kein Land plädiere dabei für eine Abkoppelung. Der Bundeskanzler reist Anfang November mit einer Wirtschaftsdelegation nach China.
Habeck: Schärferer Kurs gegen China
Vize-Kanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte zuletzt angekündigt, die Bundesregierung werde künftig einen schärferen Kurs gegen China fahren. China sei ein willkommener Handelspartner. "Aber wenn es Staatsprotektionismus gibt, dann muss er mit Gegenmaßnahmen bekämpft werden. Wir können uns nicht erpressen lassen."
Zahlreiche weitere Politikerinnen und Politiker äußerten zuletzt teils scharfe Kritik an den Plänen. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Was muss in der Welt eigentlich noch passieren, damit Deutschland in der Realität ankommt und nicht Männchen macht vor den Feinden der freien demokratischen Welt? Ein Verkauf von kritischer Infrastruktur an China ist ein krasser Fehler und gehört unterbunden." Man frage sich, wer Kanzler Scholz eigentlich berate. Sie sei froh, dass die beteiligten Bundesministerien gegen das Kanzleramt standhaft blieben.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der "Rheinischen Post": "Ich halte es für falsch, dass ein autoritäres Regime Einfluss auf unsere kritische Infrastruktur nimmt." Das gelte auch für den Hamburger Hafen. Man dürfe nicht alles auf eine Karte setzen und sich zu abhängig machen.
Nouripour warnt vor Einfluss auf kritische Infrastruktur
Ähnlich äußerte sich der Grünen-Parteichef Omid Nouripour. Es gehe überhaupt nicht, einem Land wie China die Kontrolle über kritische Infrastruktur in Deutschland zu überlassen, sagte er im Deutschlandfunk. Nouripour warnte zudem vor dem Einfluss Chinas auf die Unternehmen. Die mögliche Beteiligung an dem Terminal bedeute, dass man Informationen und Einsicht in alle Unterlagen habe. Das Terminal betreffe das China-Geschäft und das gesamte Asien-Geschäft des Hamburger Hafens. Das bedeute, dass die Firma Einfluss darauf hätte, ob Frachter aus Taiwan dort andocken könnten.
Deutliche Kritik kam auch vom Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter. "Deutschland darf nicht die Fehler im Umgang mit China wiederholen, die wir in den vergangenen 20 Jahren mit Russland gemacht haben", sagte er der Funke-Mediengruppe. "Es wäre ein geostrategischer Fehler, Teile des Hamburger Hafens an China zu verkaufen."
EVP-Chef Weber warnt eindringlich
Auch der Partei- und Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, warnte eindringlich vor einer chinesischen Beteiligung. "Strategische Kooperationen für die Infrastruktur, wie sie sich jetzt beim Hamburger Hafen abzeichnen, sind besonders riskant und kaum vertretbar", sagte der CSU-Politiker den Funke-Zeitungen. "Die SPD muss nach dem Desaster ihrer Russland-Politik umdenken. Sie darf bei China nicht die selben Fehler machen."
SPD-Fraktionsvizechef Detlef Müller warnte vor Abhängigkeiten von China. "Es ist richtig und wichtig, dass die mögliche 35-Prozent-Minderheitsbeteiligung der chinesischen Rederei Cosco an der Betreibergesellschaft des Hamburger Containerterminals Tollerort sehr genau geprüft wird, um Abhängigkeiten von China auszuschließen", sagte er der dpa. Die Hafeninfrastruktur müsse in öffentlicher Hand bleiben. Klar sei auch, dass der Hamburger Hafen in Konkurrenz zu anderen Häfen wie Rotterdam und Antwerpen stehe und daher Standortnachteile verhindern wolle.
Warnung aus Brüssel offenbar schon im Frühjahr
Die EU-Kommission hat die Bundesregierung nach Informationen des "Handelsblatts" schon im Frühjahr vor dem Verkauf von Anteilen an Cosco gewarnt. Dadurch könnten sensible Informationen über das Hafengeschäft an China abfließen, so der Bericht. Der Hamburger Hafen sei nicht nur zivil, sondern auch militärisch von Bedeutung. Deshalb sei besondere Vorsicht geboten.
Befürworter des Geschäfts wie der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) argumentieren, dass der Konzern keinen Zugriff auf die kritische Infrastruktur bekomme und der Grundbesitz bei der öffentlichen Hand bleibe.
Chinesische Regierung begrüßt Teilverkauf
China hat den geplanten Teilverkauf eines Container Terminals an Cosco begrüßt. Gemeinsame Projekte zwischen Deutschland und der Volksrepublik seien immer begrüßenswert, wenn sie gegenseitig vorteilhaft sind. Das teilte das chinesische Außenministerium auf ARD-Anfrage mit.
Gemeinsame Zusammenarbeit betont China immer wieder, obwohl es sich selbst seit einigen Jahren abschottet und europäischen Unternehmen den Marktzugang erschwert.
Beteiligung an Häfen zentral für China
Für China, die größte Handelsnation der Welt, sind die Beteiligungen an Häfen ein wichtiger Teil seiner Infrastruktur-Initiative der "Neuen Seidenstraße". Dieses 2013 von Staats- und Parteichef Xi Jinping gestartete gigantische Projekt mit Milliarden-Investitionen soll nicht nur Handelskorridore über Land schaffen, sondern auch über See - also eine "maritime Seidenstraße" mit Beteiligungen an einer Reihe wichtiger Häfen entlang der Schiffsrouten für den Handel von und nach China.
In Europa halten chinesische Unternehmen bereits Beteiligungen an rund einem Dutzend Häfen, darunter Le Havre und Dünkirchen in Frankreich, Antwerpen und Brügge in Belgien sowie in Spanien, Italien, der Türkei und Griechenland.
Mit Informationen von Eva Lamby-Schmitt, ARD-Studio Shanghai
China-Beteiligung am Hafen Hamburg: Scholz hat noch viel Klärungsbedarf | tagesschau.de - tagesschau.de
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