Russische Geschäftsleute aus dem Öl- und Gassektor werden tot aufgefunden. Offizielle Todesursachen: Suizid oder Unglück. Die Häufung der Vorfälle führt zu Spekulationen, dass es sich in Wirklichkeit um eine Mordserie handelt.
Die Liste der hochrangigen Manager aus dem russischen Energiesektor, die unter mysteriösen Umständen ums Leben kommen, wird länger. Nun starb der Mann, der für den Kreml die arktischen Bodenschätze Russlands erschließen sollte. Iwan Peschorin, Geschäftsführer der Corporation for the Development of the Far East and the Arctic (ERDC), fiel russischen Medienberichten zufolge am Wochenende nachts von einer Privatjacht nahe der Russki-Insel bei Wladiwostok ins Meer. Seine Leiche wurde Anfang der Woche im Japanischen Meer gefunden. Der Tod des 39-Jährigen ist der jüngste Fall einer rätselhaften Todesserie. Bei vielen Fällen gibt es Verbindungen zum staatlich kontrollierten Gas-Giganten Gazprom.
Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine sind mehrere russische Top-Manager ums Leben gekommen - darunter Peschorins Amtsvorgänger bei ERDC, Igor Nosow. Offizielle Todesursache des 43-Jährigen: Schlaganfall. Peschorin war Medienberichten zufolge mit einer Gruppe von Freunden unterwegs - sie sollen betrunken an Bord gegangen sein. Wenige Tage vor seinem Tod hatte Peschorin an einem Wirtschaftsforum in Wladiwostok teilgenommen, auf dem auch Russlands Präsident Wladimir Putin zugegen war.
Anfang September war der Vorstandschef des russischen Ölgiganten Lukoil, Rawil Maganow, offiziellen Angaben zufolge durch einen Sturz aus einem Krankenhausfenster ums Leben gekommen. Ein ehemaliger Vorstandskollege Maganows war erst im Mai gestorben. Er soll ein Schamanen-Paar nach übermäßigem Alkoholkonsum besucht haben, um sich kurieren zu lassen. Doch die Behandlung, zu der etwa Tieropfer und ein Bad in Hahnenblut gehört haben sollen, ging angeblich fürchterlich schief. Andere Manager starben offiziellen Angaben zufolge durch Suizid oder beispielsweise durch einen Sturz von einer Klippe.
Die Häufung der Vorfälle führte zu Spekulationen, dass es sich in Wirklichkeit um Morde handele, die als Unglück oder Suizid inszeniert worden seien. Die Todesfälle seien kein Zufall, sagt etwa der russische Banker German Gorbuntsow, der heute in London wohnt und dort 2012 einen Mordanschlag - mutmaßlich verübt von einem Moskauer Verbrechersyndikat - überlebte. Gorbuntsow wurde für den vom US-Medienkonzern CBS produzierten Dokumentarfilm "Secrets of the Oligarch Wives" interviewt, aus dem die Zeitung "Newsweek" zitiert. Gorbuntsow sagt in dem Film allerdings nicht, warum die Geschäftsmänner ermordet worden sein sollen.
Spekulationen über "Todesliste"
Der Geschäftsmann Bill Browder liefert eine mögliche Erklärung: Die nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine verhängten Sanktionen könnten eine Rolle gespielt haben. Der Brite war zeitweise mit seiner Firma Hermitage Capital der größte ausländische Investor in Russland und ist mittlerweile bekennender Gegner des Kremls. Sein Anwalt Sergej Magnitski, der mutmaßlichen Betrug von Beamten aufgedeckt hatte, starb 2009 nach Misshandlungen in russischer U-Haft. "Es sieht so aus, als sei der Kuchen kleiner geworden", so Browder. "Jetzt gibt es einen Haufen Leute, die über geschrumpfte Mengen Geld streiten. Und immer, wenn es zugleich begrenzte Ressourcen und sehr mächtige Leute gibt, beginnen Leute zu sterben."
Der polnischen Denkfabrik "Warsaw Institute" zufolge kommt eine weitere Erklärung infrage: Möglicherweise versuchen Menschen mit Verbindungen in den Kreml, Spuren zu verwischen, die zu Betrügereien in Staatskonzernen führen.
Auch der Ökonom und Russland-Kenner Anders Aslund spekuliert in diese Richtung. Es gebe eine Säuberung, hinter der wohl der Kreml stecke, sagte er der "New York Post". Aslund hat eigenen Angaben zufolge Kenntnis von zwei vom russischen Geheimdienst erstellten Listen mit Namen von Führungskräften aus dem Energie-Sektor Russlands. Die Manager sollen Informationen über russische Geheimdienst-Aktionen im Ausland verraten haben. Die Listen seien Putin vorgelegt worden, behauptet Aslund. Der Präsident habe die Liquidierung aller erwähnten Personen genehmigt, ohne sich die Listen anzusehen. "Putin finanziert viele seiner Operationen durch Gazprom und die Gazprombank", sagte Alsund. "Die Führungskräfte, die dort arbeiten, wissen alles darüber. Der Gas-Sektor ist der korrupteste in ganz Russland."
Im April starb der ehemalige Chef der Gazprombank, Wladislaw Awajew. Er soll zunächst seine Frau und seine Tochter und anschließend sich selbst getötet haben. Der langjährige Vizechef der Gazprombank, Igor Wolobujew, bestritt die offizielle Version, es habe sich beim Tod Awajews um erweiterten Suizid gehandelt. "Ich denke nicht, dass er fähig war, seine Familie zu töten", sagt er dem Investigativ-Medium "The Insider". In Wirklichkeit sei er mitsamt Frau und Tochter ermordet worden. "Warum? Das ist schwer zu sagen. Vielleicht wusste er etwas. Vielleicht war er eine Bedrohung."
Fenstersturz, Tod beim Schamanen: Warum sterben so viele russische Top-Manager? - n-tv NACHRICHTEN
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