Stand: 05.07.2022 08:43 Uhr
Den Handwerksbetrieben in Schleswig-Holstein fehlen die Mitarbeiter. Rund 6.000 offene Stellen gibt es im Land. Immer mehr Firmen schlagen neue Wege ein, um attraktiver für Bewerber zu werden.
Die Terrassentür ist kaputt, die Elektrik spinnt oder das Bad muss erneuert werden. Wer Probleme oder Projekte im eigenen Haus hat und einen Handwerker anruft, wird schnell merken: So einfach ist das nicht mit den freien Terminen. Am Telefon heißt es oft nur: "Tut uns leid, wir sind für die nächsten Wochen ausgebucht," oder "Ich schreibe mir mal Ihre Nummer auf, aber ich kann nichts versprechen". Das Problem: Viele Unternehmen können sich vor Anfragen kaum retten, haben aber zu wenig Mitarbeiter, um die Flut an Aufträgen zügig abarbeiten zu können. Das sorgt für Frust bei Kunden - und bei Firmen.
Schlechtes Image macht Betrieben zu schaffen
Der Fachkräftemangel schlägt mittlerweile in allen Handwerksberufen voll durch, besonders bei Maurer- und Elektrobetrieben sowie im Bereich Heizung und Sanitär. "Der Arbeitsmarkt ist wie leer gefegt", berichten die Handwerkskammern Lübeck und Flensburg. Ein Grund dafür: Das Handwerk hat schon lange ein gehöriges Image-Problem. Jugendliche und Eltern haben oft Vorbehalte - nach dem Motto "Harte Arbeit, wenig Lohn". Abi und Studium erscheinen vielen attraktiver. Die Ausbildungszahlen im Handwerk sind nach Angaben der Kammer Lübeck seit Beginn der Corona-Pandemie sogar wieder gesunken, nachdem sie zuvor noch stabil waren. Dabei gibt es genug Jobs und Ausbildungsstellen.
Ausbildung sichert Zukunft der Branche
"Jeder Jugendliche, der jetzt nicht ausgebildet wird, fehlt in einigen Jahren als Fachkraft", mahnt die Sprecherin der Handwerkskammer Lübeck, Anja Schomakers. Sie appelliert deshalb an die Unternehmen, unbedingt auszubilden. Denn die Fachkräfte von morgen werden gebraucht - in Bäckereien, in sanierungsbedürftigen Zwei-Zimmer-Wohnungen, auf Großbaustellen, aber auch für gesamtgesellschaftliche Herkulesaufgaben wie die Energiewende. Und vor deren Scheitern warnt jetzt der Zentralverband des Deutschen Handwerks: Ohne Handwerker könnten Häuser nicht energieeffizient saniert, Ladesäulen und Solardächer nicht installiert, Windanlagen nicht aufgebaut werden.
Frühere Theologiestudenten werden Handwerker
Doch was tun? Wie bekommt man mehr Mitarbeiter? Diese Fragen hören die Fachkräfteberater in den Handwerkskammern Lübeck und Flensburg immer wieder. Sie geben Unternehmen kostenlos Tipps, wie sie Beschäftigte anwerben können. Nach Angaben der Berater machen sich auch immer mehr Betriebe auf den Weg, für junge Menschen attraktiver zu werden. "Es geht vor allem darum, Spaß und Freude zu vermitteln", weiß Maik Barthen, Inhaber einer Bausanierungsfirma in Kiel. "Wenn die Stimmung gut ist, spricht sich das rum", so der Diplom-Ingenieur. Doch ein gutes Betriebsklima und Mund-zu-Mund-Propaganda allein reichen nicht. Barthen hat sich unter anderem um Studienabbrecher bemüht. Mit Erfolg: Zum Team gehören inzwischen zwei ehemalige Theologie-Studenten.
Videos im Internet sorgen für Klicks und Bewerber
Manche Unternehmen werben außerdem mit flexiblen Arbeitszeiten, zum Teil sogar mit einer Vier-Tage-Woche. Andere Firmen spendieren nach Angaben der Handwerkskammern Zugfahrkarten, Tankgutscheine oder Handyverträge als Anreize. Immer mehr Betriebe in Schleswig-Holstein sehen zudem eine Chance in den sozialen Medien. Bei einem Heizungs- und Sanitärtechniker aus Flintbek (Kreis Rendsburg-Eckernförde) zum Beispiel werden die Mitarbeiter beim Einbau einer Heizung oder bei Badinstallationen regelmäßig gefilmt und interviewt. Dieses Videos werden dann auf Instagram, TikTok und anderen Plattformen veröffentlicht. Das zahlt sich aus: Innerhalb von zwei Monaten wurden die Online-Beiträge 500.000 Mal aufgerufen. Laut dem Familienunternehmen sind Bewerbungen aus ganz Deutschland eingegangen. So konnte der Handwerksbetrieb im vergangenen Jahr die Zahl seiner Mitarbeiter sogar verdoppeln - und das mitten in Zeiten des Fachkräftemangels.
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Handwerk: Viele Aufträge, zu wenig Mitarbeiter - NDR.de
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