Nach Darstellung des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk kehren mittlerweile mehr geflüchtete Ukrainer Deutschland den Rücken als in die Bundesrepublik kommen. »Die meisten Ukrainer kehren zurück, schon längst. Es sind mehr Menschen, die abreisen aus diesem Land, als zu Ihnen kommen«, sagte der Botschafter der »Bild«.
Man sollte sich in Deutschland Gedanken darüber machen, wieso viele Ukrainer, »keine Lust haben, hierzubleiben«, fügte Melnyk hinzu. Aus Sicht der Ukrainer trage Deutschland Verantwortung für viele Toten, weil es bislang keine schweren Waffen geliefert habe.
Er forderte dann auch entsprechend bei der geplanten Kiew-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz konkrete Zusagen. »Wir hoffen, dass der Kanzler bei seinem Besuch in Kiew endlich die deutschen Versprechen wahrmacht, was die Waffenlieferungen und auch den EU-Beitritt der Ukraine betrifft«, sagte er dem SPIEGEL.
Bis heute warte man auf die Lieferung von schweren Waffen wie der Panzerhaubitze 2000 und des Gepard-Flugabwehrpanzers, kritisierte Melnyk. Nur Ankündigungen allein seien im Krieg keine Hilfe gegen die Invasoren. Man erhoffe sich deswegen vom Kanzler konkrete Daten, wann die Waffen kommen. »Zumal die Versprechen bereits Monate zurückliegen.«
Auch in Sachen EU-Beitritt erhofft sich Melnyk Fortschritte. »Wenn der deutsche Kanzler gemeinsam mit den Regierungschefs aus Paris und Rom ein Zeichen setzt, dass die Ukraine Beitrittskandidat werden kann, wäre das mehr als nur ein starkes Symbol«, sagte Melnyk. Der Diplomat verwies darauf, dass Scholz immer gesagt habe, er wolle nicht nur für einen Fototermin nach Kiew reisen.
Scholz will einem Medienbericht zufolge noch in diesem Monat nach Kiew reisen. Der SPD-Politiker plane den Besuch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem italienischen Regierungschef Mario Draghi vor dem Gipfel der G7-Staaten Ende Juni, berichtete die »Bild am Sonntag« am Samstag unter Berufung auf französische und ukrainische Regierungskreise.
Der Eklat um die »Leberwurst«-Aussage
Melnyk hatte schon in der Vergangenheit mit eher undiplomatischen Aussagen über die Bundesregierung aufhorchen lassen. Unter anderem hatte er Kanzler Scholz als »beleidigte Leberwurst« bezeichnet.
Die Aussage stammt von Anfang Mai. Dabei ging es um die zwischenzeitliche Weigerung des Deutschen, nach Kiew zu reisen und so ein Symbol zu setzen. »Eine beleidigte Leberwurst zu spielen, klingt nicht sehr staatsmännisch«, spottete der ukrainische Botschafter damals. »Es geht um den brutalsten Vernichtungskrieg seit dem Naziüberfall auf die Ukraine, es ist kein Kindergarten«, wird Melnyk zitiert.
Scholz hatte die Reise verweigert und dabei auf die Ausladung von Frank-Walter Steinmeier verwiesen. Der Bundespräsident, der als Außen- und Kanzleramtsminister die frühere deutsche Russlandpolitik entscheidend mitgeprägt hat, hatte mitgeteilt, die ukrainische Führung habe seinen Besuch abgelehnt. Der Disput gilt inzwischen als beigelegt.
Kiews Abgesandter in Berlin: Viele Ukrainer fühlen sich laut Melnyk in Deutschland nicht willkommen - DER SPIEGEL
Read More
No comments:
Post a Comment