analyse
Knapp drei Wochen vor dem Start der Europameisterschaft in England spielen bei der deutschen Frauen-Nationalmannschaft noch viele Unbekannte mit.
Es herrschte erkennbar gute Laune, als die deutschen Fußballerinnen am Donnerstag in Herzogenaurach ihre Nachmittagseinheit abhielten. Bereits ins Aufwärmprogramm waren anspruchsvolle Übungen eingebaut: drei Mannschaften, die den Ball entweder mit dem Fuß oder der Hand spielen; das alles auf engem Raum mit wechselnden Aufgaben. Klar, dass irgendwann in dem Durcheinander schallendes Gelächter auf dem weitläufigen "Home Ground" am Sitz des DFB-Ausrüsters ertönte.
Sara Däbritz und Almuth Schult sind besonders gefragt
Wie im Taubenschlag ging es zuvor im Gebäude "Halftime" beim obligatorischen Medientag zu, der ein gutes Bild von den hierarchischen Verhältnissen der deutschen Frauen-Nationalmannschaft für die EM in England (6. - 31. Juli) vermittelte. Die bald zum Champions-League-Sieger Olympique Lyon wechselnde Sara Däbritz und die demnächst in den USA spielende Almuth Schult waren in größeren Sitzecken platziert.
Mittelfeldspielerin Däbritz rückt anstelle der an Corona erkrankten und daher auch auf dem offiziellen Mannschaftsbild fehlenden Kapitänin Alexandra Popp vorläufig zur Anführerin auf; Torhüterin Schult gilt trotz ihrer Rückversetzung ins zweite Glied als das Sprachrohr des deutschen Frauenfußballs.
"Es reden alle den ganzen Tag"
Wer sich abseits dieser beiden gefragten Führungskräfte ein Stimmungs- und Meinungsbild einholte, stellte fest: Zwischenmenschlich scheint es auch vor diesem Turnier zu stimmen. Däbritz findet sogar, dass die Mischung aus "jungen Unbekümmerten und erfahrenen Spielerinnen" jetzt perfekt passt. Die 27-Jährige hat in 85 Länderspielen mit der DFB-Auswahl Höhen und Tiefen erlebt, deshalb formuliert die Frankreich-Legionärin das Ziel etwas vorsichtiger als viele andere: "Wir wollen zu den sechs bis acht Mannschaften gehören, die sich den Traum vom Titel erfüllen können."
Erfreut ist sie über die offene Kommunikation: "Es reden alle den ganzen Tag." Laura Freigang von Eintracht Frankfurt schafft es nebenbei noch, selbstironische Kurzvideos über die Mitspielerinnen in den sozialen Medien zu erstellen, die erstaunliche Abrufzahlen erreichen.
Der endgültige Cut wird noch verschoben
Es geht beim ersten Turnier nach drei Jahren nicht nur um ein besseres Abschneiden als bei der WM 2019 oder EM 2017 - die DFB-Direktion von Oliver Bierhoff wünscht sich jetzt ausdrücklich das Halbfinale - , sondern auch ein übergeordneter Kampf um Aufmerksamkeit spielt im Mutterland des Fußballs mit.
Noch sind 28 Spielerinnen im Kader, einige davon angeschlagen. Es ergibt kaum Sinn, bereits an diesem Samstag aus dem 28er-Kader das endgültige 23er-Aufgebot herauszufiltern. Den endgültigen Cut wird Voss-Tecklenburg wohl erst im letzten Trainingslager in Herzogenaurach (21. bis 29. Juni) vornehmen: "Wichtig ist, dass wir mit nicht zu vielen Fragezeichen zur EM gehen."
Im EM-Viertelfinale könnte es gegen England gehen
Wenn die 54-Jährige ehrlich ist, schwebt ohnehin ein großes Fragezeichen über allem; vor allem, was die Leistungsstärke des achtfachen Europameisters in einem sich rasant verschärften europäischen Vergleich angeht. Nach dem Medientag und vor der Kaderreduzierung haben die DFB-Frauen am Freitag auf dem Adi-Dassler-Sportplatz einen Test gegen ein männliches Juniorenteam ausgetragen – wie üblich hinter verschlossenen Türen. Ansonsten gibt es nur ein einziges offizielles Länderspiel: Erst in Erfurt gegen die Schweiz am kommenden Freitag (17 Uhr) wird jene Elf öffentlich sichtbar, die im EM-Auftaktspiel gegen Dänemark (8. Juli) in Brentford funktionieren soll.
Danach wartet im Westen von London gegen den Mitfavoriten Spanien (12. Juli) ein weiteres Alles-oder-Nichts-Spiel auf ein deutsches Team, das seine einstige Vormachtstellung aber nicht erst in jüngerer Vergangenheit verspielt hat. Bei realistischer Betrachtung geht’s darum, vor dem letzten EM-Gruppenspiel gegen Finnland (16. Juli) alle Optionen aufs Viertelfinale zu besitzen, wo übrigens Gastgeber England der Gegner sein kann. Mindestens bis dahin sollte auch die gute Laune anhalten.
EM 2022: Viele Fragezeichen über den DFB-Frauen - Sportschau
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