Stand: 27.06.2022 19:02 Uhr
Wie kann die drohende Lohn-Preis-Spirale abgewendet werden? Kanzler Scholz schlägt vor, dass die Tarifparteien sich auf Einmalzahlungen statt dauerhafte Lohnerhöhungen verständigen. Führende Ökonomen halten das für keine gute Idee.
Die Lohn-Preis-Spirale - Bundeskanzler Olaf Scholz macht sich Sorgen um dieses denkbaren Phänomen. Bei einer Inflationsrate von aktuell 7,9 Prozent könnten die Gewerkschaften versuchen, über hohe Tarifabschlüsse die Preissteigerungen auszugleichen. Und damit die Inflation weiter befeuern - so die Befürchtung.
Kanzler Scholz will das gerne verhindern - und darüber mit Gewerkschaften und Arbeitgebern sprechen. Seine Idee ist, statt dauerhaft höhere Löhne zu vereinbaren, sollten sich die Tarifparteien lieber auf Einmalzahlungen verständigen. Die könnte der Staat noch lukrativer machen, indem die Einmalzahlungen steuerfrei bleiben.
Einwände der Tarifpartner
Der SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi meint, um ein wenig Druck aus dem Inflationskessel und aus dem Preiskessel zu nehmen, sei die Einmalzahlung eine gute Sache. In Kombination mit der Steuerfreistellung durch den Staat könnte die hohen Preise abgefedert werden. So käme es nicht zu einer immer wieder befürchteten Lohn-Preis-Spirale.
Nächsten Montag will Kanzler Scholz bei der sogenannten konzertierten Aktion erstmals mit Arbeitgebern und Gewerkschaften darüber sprechen. Die Tarifpartner geben sich im Vorfeld des Treffens aber zurückhaltend. Beide verweisen auf die Tarifautonomie: Lohnabschlüsse würden nicht politisch vereinbart, sondern sind Sache von Arbeitgebern und Gewerkschaften.
Fratzscher sieht Belastungen für Arbeitnehmer
Verdi-Chef Frank Werneke verweist im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk auf die laufenden Tarifverhandlungen etwa für die Beschäftigen in den deutschen Häfen. Von Einmalzahlungen hält Werneke nicht viel: "Wir müssen ja schauen, dass diese dauerhaft steigenden Preise auch in dauerhaft wirksame Tariflohnsteigerungen umgemünzt und umgewandelt werden." Einmalzahlungen seien eben Einmaleffekte, die nicht dazu führen würden, dass dauerhaft die Löhne steigen.
Ähnlich äußern sich heute die IG Metall und die Gewerkschaft der Polizei. Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Marcel Fratzscher hält nichts von einem universellen Lohnverzicht. Denn dadurch würden vor allem die Arbeitnehmer die Last der Krise tragen.
Fuest fürchtet Mitnahmeeffekte
Anders bewertet das der Präsident des Münchener ifo-Instituts Clemens Fuest. Er befürchtet, dass steuerfrei gestellte Einmalzahlungen den gewünschten Effekt verfehlen könnten. Es sei legitim, dass die Regierung versuche, etwas gegen die Inflation zu tun. Aber so direkt einzugreifen in Tarifverhandlungen sei schwierig.
"Vor allem, weil die Gefahr bestehe, dass das dann zu starken Mitnahmeeffekten führt und Lohnerhöhungen nicht viel geringer ausfallen. Und weil das Ganze die Inflation durchaus auch noch anheizen könnte", sagt der Ökonom.
FDP: Steuersätze an Inflation anzupassen
Im Kampf gegen die Inflation sieht ifo-Chef Fuest vor allem die Europäische Zentralbank in der Pflicht. Sie müsse nun deutlich entschlossener die Zinsen anheben. Über den dann wohl steigenden Euro-Kurs würden Energieimporte automatisch günstiger werden. Der Staat solle sich dagegen zurückhalten, so Fuest.
Auch innerhalb der Ampel-Koalition erhält Kanzler Scholz bislang keine uneingeschränkte Unterstützung beim Thema Einmalzahlungen. Während Grünen-Chefin Ricarda Lang von einem spannenden Vorschlag spricht, ist die FDP eher kritisch. Fraktionschef Christian Dürr hält es für besser, die Steuersätze an die Inflation anzupassen, um die Arbeitnehmer so dauerhaft zu entlasten. Es besteht also noch viel Diskussionsbedarf vor der konzertierten Aktion in einer Woche.
Debatte über Inflationsausgleich: Viele Bedenken gegen Einmalzahlungen | tagesschau.de - tagesschau.de
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