Warum der Prozess Johnny Depp gegen Amber Heard gesellschaftlich relevant ist.
Los Angeles – Wirklich überraschend kam es nicht, das Urteil, das die Geschworenen im Gerichtsverfahren um Johnny Depp und Amber Heard jüngst gefällt haben: Nach einem sechswöchigen Prozess wurde Heard schuldig gesprochen. Ihr Ex-Mann bekam runde zehn Millionen Dollar Schadensersatz zugesprochen. Aber auch Heard bekommt zwei Millionen Dollar Schadenersatz.
Anders als oft dargestellt, sollte in dem Prozess nicht darüber gerichtet werden, wer denn eigentlich wem Gewalt angetan hatte. Es ging vielmehr um einen Text von Heard, der 2018 in der Washington Post erschienen war und in dem sie sich als Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt bezeichnet hatte. Sie nannte keine Namen – aber Depp verklagte seine Ex-Frau wegen Verleumdung und forderte 50 Millionen Dollar Schadensersatz.
Bemerkenswert ist, dass der Schauspieler bei der Urteilsverkündung am Freitag (1. Juni) nicht anwesend war. Er ist gerade in Großbritannien, wo er wenige Tage vor der Urteilsverkündung ein Konzert in London gegeben hat. Manche deuteten das so: Johnny Depp brachte dem Verfahren nicht die gebührende Ernsthaftigkeit entgegen.
Depp vs. Heard – Die Ex am Pranger
Wer es umso ernster nahm, waren Johnny Depps Fans. Und die vielen erklärten „Anti-Fans“ von Amber Heard. Depps Entscheidung, das Verfahren live übertragen zu lassen, hat sich für den Schauspieler als goldrichtig herausgestellt: Der öffentlichkeitswirksame Prozess wurde in Medien und sozialen Netzwerken rund um die Uhr kommentiert. Wie bei einem True-Crime-Fall wurde nach Indizien gesucht, die zumeist Amber Heards Schuld „beweisen“ sollten. Vor allem aber wurde sich über sie und ihre „gespielten“ Aussagen lustig gemacht.
Der gesamte Prozess entwickelte sich zu einem Spektakel. Es wurden Karten für den Gerichtssaal auf dem Schwarzmarkt gehandelt, eine TikTokerin tätowierte sich das Gesicht von Depps Anwältin Camille Vasquez, Lance Bass von der Band *NSYNC sprang auf einen viralen Trend auf und imitierte eine Aussage Heards (nach Kritik löschte er das Video wieder). Es wurden viele Fehlinformationen verbreitet und es war online kaum möglich, diesem Prozess zu entgehen. Was einer Recherche des Magazins Vice zufolge auch daran lag, dass The Daily Wire, ein vom rechtspopulistischen Autor Ben Shapiro gegründetes Newsoutlet, 40.000 Dollar in Werbung auf Instagram und Facebook investierte, um gegen Amber Heard gerichtete Artikel zu promoten.
Depp vs. Heard: Ein herber Rückschlag für #Metoo
Warum sich die öffentliche Meinung so gegen die Schauspielerin gewendet hat, ist schwierig zu ermitteln. Sicher ist: Sie entspricht nicht dem klassischen Bild eines „Opfers“, das sich stets gut und integer verhalten hat; vieles weist daraufhin, dass auch Heard übergriffig wurde. Und so ist dies knapp fünf Jahre nach „#Metoo“ der erste große Rückschlag für die Bewegung. Ein Rückschlag, der kam, nachdem in den vergangenen Jahren weibliche Promis wie Britney Spears, Monica Lewinsky und Paris Hilton rehabilitiert wurden und viele Journalist:innen sowie generell die Öffentlichkeit kritisch ihre eigenen Rollen in der Hetze gegen die Frauen reflektierten. Aber gelernt wurde aus dieser Wiedergutmachung offensichtlich wenig.
Denn rehabilitiert ist auch Johnny Depp – da ist das Urteil der Geschworenen fast schon zweitrangig. Warum Depps Unterstützer:innen nicht einmal die vor Gericht erbrachten Beweise wie etwa SMS des Schauspielers, in denen er unter anderem schrieb: „Ich werde ihre verbrannte Leiche ficken, um sicher zu sein, dass sie tot ist“, Beachtung schenkten, ist manchen unverständlich.
Prozess Depp vs. Heard: Witze über Opfer als geschmackloser Beiklang
Aber ob man Heard nun glaubt oder nicht – die Witze, die im Verlauf des Prozesses von so vielen Menschen über sexualisierte und häusliche Gewalt gemacht wurden, treffen auch andere Opfer von Vergewaltigung und Missbrauch. Denn während dieses Gerichtsverfahren Wasser auf die Mühlen alljener ist, die Gewalt ausüben oder verharmlosen, wird es für die Opfer noch schwerer, die sowieso schon schwierige Entscheidung zu treffen, sich gegen den (Ex-)Partner zu stellen, gegen ihn auszusagen oder gar einen Prozess anzustreben.
Nach der Urteilsverkündung sprach Heard dann auch ihre Enttäuschung darüber aus, „was dieses Urteil für andere Frauen bedeutet. Es ist ein Rückschlag. Es dreht die Uhr zurück auf eine Zeit, in der eine Frau, die die Stimme erhebt, öffentlich beschämt und gedemütigt werden konnte“. Auch das zeigt: Verloren hat nicht nur Amber Heard. Verloren haben sehr viele. (Isabella Caldart)
Gefeiert wurde das Urteil, das zugunsten von Johnny Depp ausfiel, auch von Donald Trump Junior. Der sah darin das von ihm offenbar ersehnte Ende von #metoo, wie er die Welt über Twitter wissen ließ. (Isabella Caldart)
Das Urteil im Fall Depp vs. Heard – Eine Niederlage für viele - fr.de
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