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Thursday, April 14, 2022

Finanznachrichten Stefan Terliesner: Digitalisierung: „Viele Makler zeigen eine gewisse Trägheit“ - procontra-online

procontra: Herr Schrills, BiPRO will Prozesse vereinfachen. Wie gut gelingt das?

Frank Schrills: BiPRO ist als Marktstandard für die Optimierung unternehmensübergreifender Prozesse gesetzt, insbesondere zwischen Versicherungsunternehmen und deren Partnern. Mittlerweile über 70 entwickelte Normen decken alle wesentlichen Kernprozesse ab, wie Vertrieb, Bestand, Abrechnung oder Schadenmeldung. Auch Themengebiete, wie betriebliche Krankenversicherung und betriebliche Altersversorgung werden berücksichtigt. Viele unserer Mitglieder setzen inzwischen verschiedene Normreihen ein. Als ein gutes Praxisbeispiel ist aus dem Bereich Vertrieb die Normreihe 420 – Tarifierung, Angebot, Antrag zu nennen. Hier sind aus Sicht der Versicherer bei der Anbindung der Partner alle drei Prozessschritte nacheinander aufbauend vollautomisch abbildbar.

procontra: Dennoch läuft es noch nicht überall, wie gewünscht. Was ist derzeit die größte Herausforderung?

Schrills: Eine wesentliche noch zu bewältigende Herausforderung der Branche ist es, zukünftig die Schnelligkeit und Einfachheit der Prozesse, insbesondere hin zum Kunden deutlich zu erhöhen und deren Komplexität zu reduzieren. Amazon, Google und Co. machen das erfolgreich vor. Zusätzlich sollten auch umfangreichere digitale Informationsangebote für Partner und natürlich auch für Kunden angeboten werden.

procontra: An welchen für Makler wichtigen Normen arbeitet BiPRO aktuell?

Schrills: An der elektronischen Übermittlung von Bestands- und Abrechnungsinformationen. Beim Thema Übermittlung von Dokumenten durch PDFs et cetera ist die standardisierte elektronische Bereitstellung der Maklerpost durch BiPRO-Normen im Markt gelöst. Aktuell sind viele Unternehmen dabei, nun auch die eigentlichen Vertragsdaten standardisiert auszutauschen.

procontra: Viele Makler würden gerne ihre Verwaltung effizienter gestalten. Wenn Versicherer aber Daten für vertragsbezogene Geschäftsvorfälle nicht standardisiert weitergeben, geht das nicht. Warum bessert sich das nicht?

Schrills: Da muss man von Versicherer zu Versicherer differenzieren. Für eine große Zahl von Maklern ist die Prozessunterstützung schon heute ein wichtiges Entscheidungskriterium, pro oder contra eines Produktgebers. Außerdem wird sich in den kommenden Jahren, auch mit und aufgrund der BiPRO-Standards, noch viel tun. Denn die meisten Versicherer haben mittlerweile die Bedeutung der digitalen Prozessoptimierung bei Partneranbindungen erkannt.

procontra: Das hat aber auch eine Weile gedauert.

Schrills: Immerhin haben sich bereits vor zwei Jahren über 30 Unternehmen aus der Community in einem BiPRO-Projekt zusammengeschlossen, um die wesentlichen Daten einheitlich zu definieren, die der Makler für sein tägliches Geschäft benötigt. Dabei standen die Umsetzung der Norm 430.4 und innerhalb dieser Norm die geschäftsvorfall-ausgelöste Bereitstellung von Vertragsinformationen im Fokus. Hierbei wurden über alle Sparten hinweg im Detail die Anforderungen der Partner und Dienstleister sowie die Möglichkeiten der Lieferung durch die Bestandssysteme seitens der Versicherer besprochen. Im Rahmen der Abrechnung haben sich dann ebenfalls Versicherer, Vermittler und Maklerverwaltungsprogramm-Hersteller vorgenommen, gemeinsam einen standardisierten Datenaustausch zwischen allen Beteiligten über die BiPRO-Norm 430.7 – Vermittlerabrechnung umzusetzen. Es ist das Ziel, sämtliche Abrechnungsprozesse in der Branche zu standardisieren, zu digitalisieren und zu automatisieren.

procontra: Welchen Nutzen haben Makler davon?

Schrills: Die Qualität der Abrechnungen und die Geschwindigkeit der Prozesse würde sich deutlich erhöhen. Zudem gäbe es weniger Störfälle und letztlich würden die Bearbeitungskosten um 20 bis 30 Prozent reduziert. Davon profitieren auch Makler.

procontra: Trotz solcher Kostenvorteile sind etliche Prozesse noch nicht voll digital. Nochmal: Woran liegt das?

Schrills: In der Tat ist die Befähigung, die Backend-IT-Systeme „digital ready“ zu gestalten, für viele Unternehmen der Branche immer noch eine sehr große Herausforderung, da eine Vielzahl von Systemen zeitgemäßen prozessualen und datentechnischen Erfordernissen nicht umfänglich gerecht werden. Diejenigen Unternehmen, die die Notwendigkeit zur digitalen Transformation früher erkannt und ihre Systeme bereits entsprechend umgestellt haben oder dies aktuell tun, haben deutliche Vorteile.

procontra: Normen und Standards führen in der Regel zu mehr Transparenz und Wettbewerb. Das gefällt nicht allen Beteiligten, oder?

Schrills: Man geht mit der Zeit, oder man geht mit der Zeit. Moderne Technologien offerieren nun mal neue Möglichkeiten für die Abbildung von Geschäftsprozessen, bis hin zur Gestaltung innovativer Geschäftsideen. BiPRO bringt hierfür alles mit, denn in einer so komplexen Branche wie unserer sind Normen und Standards essenziell. Wer diese effizient nutzt, gehört zu den Gewinnern der digitalen Transformation.

„Viele haben die existenzielle Bedeutung noch nicht erkannt“

 

procontra: Vor allem große Maklerpools mit Online-Plattform im Rücken treiben das Thema Normen und Standards voran. Diese machen digitale Services zunehmend zur Voraussetzung einer Zusammenarbeit mit einem Versicherer, um sich möglichst papierlos und effizient verwalten zu können. Sind solche Pools, an deren Plattformen neben BiPRO auch andere Eingangskanäle wie Extranet, Post und E-Mail angeschlossen werden können, gegenüber Produktgebern in einer bestimmenden Position?

Schrills: Das müssen Sie eigentlich die Versicherer fragen. Aber im Ernst: Wer als Pool Standards konsequent nutzt, arbeitet kostengünstiger und ist damit automatisch in einer besseren Wettbewerbssituation. Dies führt logischerweise zu mittlerweile konkreten Forderungen an die Versicherer, Geschäftsprozesse über BiPRO-Normen zu gestalten.

procontra: Welche Pools sind aus Ihrer Sicht die Treiber?

Schrills: BiPRO ist die Normierungsorganisation der Branche und privatwirtschaftlich entwickelte Normen haben grundsätzlich einen empfehlenden Charakter. Auch ist der jeweilige Einsatz nicht meldepflichtig. Daher führen wir keine Rennlisten.

procontra: Welchen Ratschlag möchten Sie Maklern mit auf den Weg geben?

Schrills: Die Makler müssen sich dringend noch intensiver mit der Frage der Digitalisierung und Standardisierung beschäftigen! Viele haben die existenzielle Bedeutung noch nicht erkannt und widmen sich dem Thema eher mit einer gewissen Trägheit. Einher geht dies häufig mit der fehlenden Bereitschaft, erheblich mehr finanzielle Mittel zu investieren. Dies kann sich jedoch in einigen Jahren für einen solchen Vermittler auf vielfache Weise böse rächen, ob nun beispielsweise bezüglich seiner Unabhängigkeit oder im Wettbewerb mit neuen digitalen Playern.

procontra: Was konkret sollten Makler tun?

Schrills: Jeder Makler kann neben seiner persönlichen Beratungskompetenz eine „digitale Fähigkeit“ erlangen. Dafür müssen Daten und Dokumente digital in seinem System für aktuelle Analysen und Informationen für Kunden zur Verfügung stehen. Er sollte auch dafür Sorge tragen, dass sein Geschäft zu allen Seiten prozessorientiert, digital und somit möglichst automatisiert abwickelt werden kann, was erhebliche Kosteneinsparungen ermöglicht. Letztlich: Verkauft ein Makler irgendwann sein Unternehmen und kann nur Aktenschränke oder den Einsatz eines IT-Altsystems vorweisen, könnte dies zukünftig den Verkaufspreis erheblich drücken. Die effiziente Nutzung von BiPRO-Normen wirkt dem auf jeden Fall entgegen.

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