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Thursday, March 24, 2022

Wie viele Russen sind in der Ukraine gefallen? - Süddeutsche Zeitung - SZ.de

Der nun vier Wochen tobende Angriffskrieg gegen die Ukraine ist ein Drama voll nicht zu verifizierender Elemente. Dazu zählt, ob fast 16 000 russische Soldaten gefallen sind, wie ukrainische Quellen angeben, oder zwischen 7000 und 15 000, wie man bei der Nato annimmt. Gewiss ist nur, dass viele nicht aus dem Krieg zurückkehren, in den Wladimir Putin sie geschickt hat. Anfang März nannte sein Verteidigungsministerium 498 Getötete, seither sucht man vergebens nach offiziellen Zahlen aus Moskau. Von 557 gefallenen Russen berichtete diese Woche der russische Dienst der BBC, es seien dabei nur jene gezählt, deren voller Name geprüft werden konnte. Eine ganz andere Gefallenenzahl - 9861 - tauchte am 20. März bei der kremlnahen Zeitung Komsomolskaja Prawda (KP) online auf - aber nur für Minuten. Dann war die Nachricht gelöscht und wurde dementiert. Die KP teilte mit, man habe sie gehackt. Noch eine Ungewissheit der Propagandaschlacht.

In der haben sich die Ukrainer einen Zug ausgedacht, um eine kleine Bresche in die russische Informationsmauer zu schlagen: Vizepremier Mychajlo Fedorow teilte am Donnerstag mit, man setze nun Gesichtserkennungssoftware von Clearview AI ein, um gefallene Russen zu identifizieren und ihre Familien zu finden: "Aus Höflichkeit gegenüber den Müttern dieser Soldaten verbreiten wir diese Informationen über die sozialen Medien, damit die Familien zumindest wissen, dass sie ihre Söhne verloren haben, und damit sie die Möglichkeit haben, die Leichen abzuholen", so Fedorow zur Agentur Reuters.

Der Kreml dürfte sein Propagandabild ungern von Leichensäcken und Särgen beflecken lassen

Zu Kriegsbeginn gab es Videos, die Menschen in Russland zeigten, die verzweifelt baten, den Verbleib ihrer Söhne, Brüder, Ehemänner zu erfahren. Und im US-Nachrichtensender CNN sagte eine Mitarbeiterin der ukrainischen Suchdienst-Hotline, es hätten sich auch russische Anrufer gemeldet, die Soldaten vermissten.

Der Kreml und seine Militärführer dürften ihr Propagandabild ungern von Leichensäcken und Särgen beflecken lassen. Was aber passiert mit gefallenen Russen? Es gibt nur Schnipsel für ein sehr vages, verstörendes Bild. Die Fotos röhrenförmiger Verbrennungsanlagen auf russischen Militär-Lkw erklärten diverse Militärkenner als mobile Krematorien. Die US-finanzierte Nachrichtenplattform Radio Free Europe/Radio Liberty berichtete aus Quellen in Belarus, dort gäbe es Krankenhäuser voll toter Soldaten, 2500 seien bis 13. März von dort nach Russland überführt worden. Ukrainische Medien hatten von vollen Leichenkammern auf der Krim berichtet. Es werden aber wohl auch Tote einfach zurückgelassen. So berichtete der Bürgermeister der Kleinstadt Wosnessenka im Süden der Ukraine einem BBC-Reporter, sie hätten dort nach einem abgewehrten Angriff die gefallenen Russen beerdigt. In einem BR-Interview erzählte der Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Ukraine, ihm sei glaubhaft berichtet worden, dass im Osten ein Einwohner im Wald eine Grube mit toten Russen gefunden habe.

Die ukrainische Marine gab an, sie habe das russische Landungsschiff "Orsk" zerstört

Anderes beschreibt eine Reportage der Online-Zeitung Moscow Times, die einer niederländischen Stiftung gehört. Sie berichtete von der Trauerfeier für einen mit Namen genannten Wehrpflichtigen im südrussischen Woronesch. Danach kam der Fallschirmjäger 21-jährig am 28. Februar in Butscha nördlich Kiews um. Fotos zeigen den in die russische Flagge gehüllten Sarg, den orthodoxen Priester, der gesagt habe: "Er kämpfte gegen das Böse, satanische Geister: ukrainische Nazis, geschaffen von amerikanischen multinationalen Gesellschaften." Militärvertreter hätten postum den Heldenorden verliehen.

Im Kampfgeschehen war am Donnerstag markant, was Fotos und Videos als Feuerbälle und schwarzen Rauch vor dem Hafen von Berdjansk am Asowschen Meer zeigen. Die ukrainische Marine gab an, sie habe das russische Landungsschiff Orsk zerstört. Unverändert die Lage 85 Kilometer entfernt im belagerten Mariupol. Wieder gab es dort keinen Fluchtkorridor, teilte Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk mit, doch für sieben andere Orte. Eine aus Mariupol geflüchtete Frau schilderte der dpa: "Hunderte Leichen lagen auf der Straße", ein Massengrab sei angelegt worden, "die Stadt Mariupol gibt es nicht mehr."

Der ukrainische Generalstab veröffentlichte am Mittwochabend, die Angreifer hätten international verbotene Phosphormunition gegen Kiews Randbezirke Hostomel und Irpin eingesetzt. Nicht nachprüfbar auch dies. Bekannt ist: Weißer Phosphor wirkt verheerend, wird bis zu 800 Grad heiß, erzeugt schlimmste Brandwunden, die Dämpfe verbrennen die Lunge.

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