Anknüpfen an Mahnwachen für den Frieden von 2014
Experten wie Jan Rathje vom CeMAS sprechen von einer “Traditionslinie”, in der sich das verschwörungsideologische Milieu seit Jahren pro-russisch oder pro Putin positioniere. Einige Vertreter des Milieus sind auch damit bekannt geworden, dass sie bei den Mahnwachen für den Frieden 2014 auftraten - zum Beispiel der ehemalige Radiomoderator und Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen.
Die Mahnwachen waren Montags-Proteste nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland. Wie bei den Corona-Protesten kam hier laut Michael Butter eine sehr heterogene Gruppe zusammen, die vor allem durch - teils antisemitische - Verschwörungstheorien zur Ukraine-Krise zusammengehalten wurde. Die Schuld für den Konflikt sahen sie beim Westen, vor allem den USA, der Nato und der Finanzwelt. Eine weit verbreitete Idee war zum Beispiel, dass die Revolution in der Ukraine auf dem Maidan vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama orchestriert wurde.
An diese Narrative wird nun angebaut. Der Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen nutzte zum Beispiel eine Demonstration in Bautzen am 21. März für seinen ersten öffentlichen Auftritt seit langem, und sprach davon, dass seit 2014 in der Ukraine ein Bürgerkrieg “vom Westen” gemeinsam mit “rechtsradikalen” Ukrainern betrieben werde gegen die Bevölkerung, die “auch russisch” sei.
Michael Butter sagt, damit schließe sich der Kreis: Aus den Mahnwachen für den Frieden 2014 sei eine Szene hervorgegangen, aus der viele Beteiligte Verschwörungstheorien zur Pandemie verbreitet haben - und die nun wieder zum Thema Ukraine zurückkehren. Mit dem Unterschied: Sie sind nun wohl zahlenmäßig mehr als 2014, während der Pandemie sind neue Wortführer und Anhänger dazugekommen. Die Pandemie habe die verschwörungsideologische Szene geeint, sagt Michael Butter. Zuvor sei man sich uneins gewesen, zum Beispiel beim Thema Klimawandel. Diese Einigkeit bleibt nun bisher im Ukraine-Krieg in weiten Teilen erhalten.
Rechtsextreme Szene gespalten
Weniger einig ist sich die rechtsextreme Szene. “Wenn wir auf das rechtsextreme Milieu schauen, dann läuft die Spaltung innerhalb der Szene wesentlich weiter”, sagt Rathje, der hierzu Posts qualitativ analysiert hat. Die Amadeu Antonio Stiftung beobachtet laut einem Analysepapier auch eine Spaltung zwischen dem verschwörungsideologischen und dem rechtsextremen Milieu.
Zwar ist eine Positionierung gegen den Westen, die Nato und die USA in beiden Milieus weit verbreitet. Laut Rathje waren nach Kriegsbeginn aber drei verschiedene Positionen im rechtsextremen Milieu zu beobachten: Manche bekannte Rechte äußeren Unterstützung für Putin oder halten ihn sogar für eine Art Befreier. In manchen Telegram-Kanälen wird der Wunsch geäußert, Putin solle direkt bis nach Berlin “durchmarschieren”.
Andere Rechte nahmen bisher eine neutrale Position ein. Wieder andere zeigten ihre Unterstützung für die Ukraine - genauer gesagt für ukrainische Nationalisten. So fordert die rechtsextreme Kleinpartei “Der III. Weg” auf Telegram Solidarität mit der Ukraine, postet Fotos von Demos, spricht sich gegen Putin aus. Sie suchen Unterkünfte für ukrainische Nationalisten und schrieben, diese stünden “an vorderster Front”.
Unter anderem kämpft die rechtsextreme Miliz “Asow” als Freiwilligen-Bataillon auf Seiten der Ukraine, ihr Ziel ist die Errichtung eines ultranationalen Staats. Deren Kampf richte sich gegen Russland, aber auch gegen die ukrainische Regierung und ihren jüdischen Präsidenten, schreibt die Amadeu Antonio Stiftung.
Dass unter den freiwilligen Kämpfern aus dem Ausland für die Ukraine Nationalsozialisten sind, nutzt Putin wiederum für sein Narrativ, mit dem Krieg eine angebliche “Entnazifizierung” anzustreben.
Teile der Neonazi-Szene sähen eine “einmalige Chance, den Mythos nationalsozialistischer Befreiungskämpfe durch die Unterstützung der Kämpfe auf Seiten der Ukraine aufleben zu lassen”, schreibt die Amadeu Antonio Stiftung.
Ein ehemaliger NPD-Politiker und andere rechtsextreme Kanäle auf Telegram werben damit, statt an Corona-Spaziergängen am “richtigen Kampf” teilzunehmen und organisieren Sammelpunkte Richtung Ukraine. “Ihr könnt euch langsam auf den Weg machen”, heißt es zum Beispiel in einem Kanal. Sicherheitsbehörden verhinderten in den letzten Wochen mehrmals Ausreisen bekannter Rechtsextremisten aus Deutschland in die Ukraine.
Warum Querdenker nun prorussische Propaganda verbreiten - br.de
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