Das Börsenjahr 2022 hat in Italien mit einem Flop angefangen: Die Anleger in Mailand senkten am Montag den Daumen über die Abspaltung des italienischen Nutzfahrzeugherstellers Iveco. Sowohl die Aktie des Börsenneulings Iveco als auch der Muttergesellschaft CNH Industrial rutschten am ersten Handelstag tief ins Minus. Die italienische Industriellen-Familie Agnelli, die über ihre Exor-Holding beide Unternehmen kontrolliert, will durch die Abtrennung das Profil von Iveco als Anbieter von „On Highway“-Fahrzeugen schärfen. Die Iveco-Gruppe konzentriert sich künftig auf Nutz- und Spezialfahrzeuge sowie Busse und Antriebsstränge. CNH dagegen beschäftigt sich jetzt nur noch mit Fahrzeugen für die Landwirtschaft und den Bausektor.
Die Anleger hatten das Projekt im vergangenen Jahr noch gutgeheißen. Daher notierte CNH zum Jahresende auf einem Allzeithoch von gut 17 Euro je Aktie bei einer Gesamtkapitalisierung von mehr als 23 Milliarden Euro. Doch offenbar waren die Aktionäre mit der Bewertung der ausgegliederten Gesellschaft Iveco nicht einverstanden. Die CNH-Eigner erhielten für je fünf CNH-Aktien eine Aktie von Iveco. Aufgrund der Abspaltung ging CNH am Montag nicht zum Schlusskurs des vorherigen Jahres bei 17,1 Euro in den Handel, sondern bei 14,8 Euro. Iveco wurde mit 11,1 Euro bewertet. Doch am Montagnachmittag lag der Iveco-Kurs mit mehr als 14 Prozent im Minus, während CNH knapp über dem neuen Niveau notierte. Wenn man das Konglomerat ein letztes Mal als Einheit betrachtet, verlor es zu Jahresbeginn an Wert.
Stellantis-Aktie erreicht Rekordwerte
Die Agnellis können als die wichtigsten Aktionäre den Verlust indes verkraften. Denn sie blicken wie andere Anleger an der Mailänder Börse auf ein gutes Jahr. Der Vorzeigeindex FTSE MIB gewann etwa 24 Prozent auf rund 27 300 Punkte. Das war zwar nicht das Allzeithoch, doch das hatte der Index mit seinen 30 Aktien erst kurz davor am 16. November bei 27 968 Punkten erreicht. Auch die Zweijahresbilanz kann sich mit einem Plus von gut 15 Prozent noch sehen lassen.
Der Vorstandsvorsitzende der Borsa Italiana, Fabrizio Testa, erinnerte am Montag daran, dass die erste Börsenzulassung des vergangenen Jahres der Autohersteller Stellantis war, der aus der Fusion von Fiat-Chrysler und Peugeot-Citroën (mit der Tochtergesellschaft Opel) entstanden ist. Die Aktie des viertgrößten Autoherstellers der Welt, dessen bedeutendster Anteilseigner ebenfalls die Agnelli-Familie ist, hat an der Mailänder Börse im vergangenen Jahr um gut 40 Prozent zugelegt und gibt dem Konzern heute einen Marktwert von rund 53 Milliarden Euro. Die Notierung der Stellantis-Aktie leitete für den italienischen Aktienmarkt ein Spitzenjahr der Börsengänge ein: Nicht weniger als 49 neue Notierungen mit einem Emissionsvolumen von mehr als 2,4 Milliarden Euro registrierte Mailand auf seinem Hauptmarkt sowie am Wachstumsmarkt für kleinere Unternehmen, Euronext Growth Milano. Das war der beste Wert seit mehr als zwei Jahrzehnten.
Analysten raten zum Kauf von Unicredit-Aktien
In den Ranglisten der Gewinner und Verlierer stach im vergangenen Jahr vor allem eine Aktie des Finanzsektors hervor: Unicredit , die Muttergesellschaft der Hypo-Vereinsbank, war der beste Titel mit einem Wertzuwachs von gut 77 Prozent.
Die Ankunft des Vorstandsvorsitzenden Andrea Orcel, die Präsentation eines ehrgeizigen Wachstumsplanes und die Phantasie im Hinblick auf mögliche Zukäufe haben viele Anleger überzeugt. Und obwohl das Papier heute bei 13,7 Euro je Aktie notiert und der Bank damit eine Marktkapitalisierung von rund 30 Milliarden Euro verleiht, raten viele Analysten weiterhin zum Kauf des Papieres. Sie glauben, dass der angekratzte Ruf italienischer Banken zu Unrecht auf Unicredit laste. Der Anteil der Analysten, die das Papier weiterhin für attraktiv halten, hat in den vergangenen drei Monaten sogar noch zugenommen.
Börse wird weiterhin von Pandemie bestimmt
Zweitbeste Aktie des vergangenen Jahres war die Industrieholding CNH mit einem Wertzuwachs von fast 68 Prozent. Enttäuscht hat hingegen der teuerste Konzern Italiens: Den Stromhersteller Enel , der heute noch mehr als 70 Milliarden Euro wert ist, halten viele Anleger für überbewertet. Er verlor 2021 rund 15 Prozent an Wert.
Der weitere Verlauf an der Börse dürfte auch von der Pandemie abhängen, wobei sich die italienische Wirtschaft trotz strenger Vorschriften am Arbeitsplatz recht robust gegenüber Covid-19 gezeigt hat. In den kommenden Tagen dürften die Einschränkungen für Nicht-geimpfte ein weiteres Mal zunehmen. Die Bank Intesa Sanpaolo rechnet dennoch in diesem Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 4,3 Prozent. „Die Wolken am Konjunkturhorizont erscheinen in Italien derzeit weniger bedrohlich als anderswo“, schreiben die Analysten. Sie gehen davon aus , dass die Wirtschaft Mitte dieses Jahres wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht. Risiken bestünden allerdings nicht nur wegen der Virus-Verbreitung, sondern auch durch die Versorgungsengpässe für die Industrie sowie den Energieschock.
Ein Flop und viele Chancen an Italiens Börse - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Read More
No comments:
Post a Comment