Grüne, SPD, Union – alle bieten sie der FDP Chancen in der Mitte. Ob sie die nutzt? Ein Kommentar.
Das Dreikönigstreffen der FDP im Staatstheater Stuttgart ist schon eine stolze Tradition für den Liberalismus. Das Auf und Ab an seiner Wiege in den Jahren seit 1866 zeigt immerhin, wie wichtig diese politische Strömung doch immer wieder genommen wird – und dass eine Partei wie die FDP als ihre politisch-parlamentarische Vertretung entsprechend ihre Chance hat. Immer noch, immer wieder lebt sie auf, so oft ihr auch das Totenglöcklein geläutet worden ist. Jetzt gerade ist die Partei aufs Neue in der Regierung im Bund, diesmal gemeinsam mit SPD und Grünen.
Und wie: Der Trend wird ihr Genosse, es grünt ihre Hoffnung. Passend wird Baden-Württemberg, wo die Grünen in Winfried Kretschmann den einzigen Ministerpräsidenten stellen, ein Beispiel für diese Hoffnung. Da regiert ausgerechnet ein führender Grüner zunehmend autoritär, geht gegen „Hyperliberalismus“ an. So bietet er den Liberalen die Vorlage, sich als das zu präsentieren, was sie auf eine lange Dauer stark machen kann: als moderne Sammlungsbewegung aller Liberalität.
Die FDP will nicht nur, wie in vielen Jahren zuvor, wirtschaftsliberal sein, sondern zunehmend wieder bürgerrechts- und sozialliberal. In der Regierung hat sie nun die Chance, ihren Anspruch aus der Programmatik Wirklichkeit werden zu lassen. Papier ist bekanntermaßen geduldig, aber sie macht sich daran, und das kann die Partei mächtiger als vorher machen.
Die Partei muss es schaffen, weiter ohne schrille Töne auszukommen
Mit einem Superpragmatiker wie Kanzler Olaf Scholz von der SPD zu regieren, bietet auch deshalb eine Chance, weil sich die Spuren des Liberalismus in fast allen konkurrierenden Parteien finden. Der Liberale ist kein Dogmatiker, und daraus kann die FDP schöpfen, wenn sie es schafft, weiter ohne schrille Töne auszukommen. So wie jetzt.
Das ist ja Teil des Kalküls von Christian Lindner, dem Finanzminister und FDP-Chef, daneben noch zweiter Vizekanzler. Es gibt Länder, in denen die Liberalen den Regierungschef stellen, weil sie sich stark in der Mitte verankert haben. Das Ausgreifen in diese Mitte ist möglich, in die die FDP jetzt schon in der Sitzordnung des Bundesparlaments gefunden hat.
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Eine Neuerung, die man durchaus symbolhaft deuten kann. Denn die Herausforderungen für die Grünen, bei sich zu bleiben und zugleich ihre Ansprüche in der Regierung zu behaupten, sind weit höher als bei den Liberalen. Bereits grassierende Kritik an grünem „Klimanationalismus“ kann der FDP neue Wählerschaft zuführen. Dazu kommt die Schwäche der Union. Und dass Freie Demokraten in Fragen des sozialen Aufstiegs an Denker wie Ralf Dahrendorf erinnern, mit Bildung als Bürgerrecht, macht sie bei sozialen Demokraten attraktiv.
Wenn nur der Kurs in der Corona-Pandemie nicht erratisch wird, nicht dogmatisch. So liberal muss die FDP allemal sein.
Auf dem Weg zur modernen Sammlungsbewegung: Der FDP bieten sich viele Chancen - Tagesspiegel
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