Der Mensch sucht nach Spuren von Leben im Weltall und hofft, eines Tages Kontakt zu Außerirdischen aufzunehmen. Dabei weiß er nicht einmal, welche Lebewesen mit ihm gemeinsam auf dem Planeten Erde leben. Selbst bei den Bäumen, die ja kaum zu übersehen sind und deshalb vergleichsweise einfach zu bestimmen sein sollten, ist es Wissenschaftlern bisher nur gelungen, sich einen groben Überblick zu verschaffen. Noch weniger weiß man über Insekten, von denen viele winzig klein sind und nur unter dem Mikroskop unterschieden werden können - ganz zu schweigen von Mikroorganismen, die mit bloßem Auge gar nicht zu erkennen sind.
Bei den Bäumen scheint jetzt zumindest klar zu sein, wie viele verschiedene Arten es auf der Erde gibt, was allerdings nicht bedeutet, dass man sie auch alle kennt. Einer aktuellen Studie zufolge, die im Wissenschaftsjournal PNAS erschienen ist, sind es 73 300. Das seien 14 Prozent mehr, als man bisher dachte, schreiben die Autoren. 9200 davon seien noch unbekannt und müssten erst entdeckt werden. Um auf diese Zahlen zu kommen, haben die Forscher Datenbanken ausgewertet, in denen insgesamt etwa 64 100 verschiedene Baumarten registriert sind. Das Ergebnis wurde dann mit einem statistischen Verfahren hochgerechnet.
Doch warum ist es überhaupt wichtig zu wissen, wie viele und welche Tiere und Pflanzen auf der Erde leben? Die Antwort ist einfach: Was man nicht kennt, kann man nicht schützen. Je weniger man über andere Arten weiß, umso größer ist die Gefahr, sozusagen aus Versehen etwas zu zerstören. Und je mehr Spezies verschwinden, umso fragiler werden die natürlichen Kreisläufe, von denen auch der Mensch abhängt. Bäume sind dafür ein gutes Beispiel. Sie bremsen den Klimawandel, weil sie das Treibhausgas Kohlendioxid binden und sie produzieren Sauerstoff, den auch wir zum Atmen brauchen.
Die neuen Erkenntnisse zeigen, wo es am effektivsten wäre, in den Schutz von Bäumen zu investieren
Die aktuelle Studie zeigt zudem, dass die meisten verschiedenen Baumarten in Südamerika wachsen: 43 Prozent aller Baumspezies, die es weltweit gibt, kommen dort vor. In Eurasien sind es 22 Prozent, in Afrika 16 Prozent, in Nordamerika 15 Prozent und in Ozeanien elf Prozent. So theoretisch das klingt, es könnte von praktischem Nutzen sein. In Kombination mit dem schon länger bekannten Phänomen, dass die Artenvielfalt der Bäume von den Polen in Richtung Äquator kontinuierlich zunimmt, zeigen die neuen Erkenntnisse zum Beispiel, wo es am effektivsten wäre, in den Schutz von Bäumen zu investieren: in den tropischen Regionen Südamerikas. Dort würden etwa von einem einzigen neuen Naturschutzgebiet mehr Arten gleichzeitig profitieren als anderswo auf der Welt. Was nicht heißen soll, dass die etwa 90 Baumarten in Deutschland nicht schützenswert sind.
Auch der Schutz von Tieren funktioniert umso besser, je mehr man über sie weiß. Beispiele gut gemeinter, aber missglückter Artenschutzprojekte gibt es viele. So wurden 2018 in Kenia elf vom Aussterben bedrohte Spitzmaulnashörner mit großem Aufwand von einem Nationalpark in einen anderen umgesiedelt. Die Nashörner sollten dort bessere Bedingungen vorfinden und geschützt sein vor Wilderern. Was die "Retter" nicht bedacht hatten: Die Nashörner vertrugen den hohen Salzgehalt des Wassers in ihrer neuen Heimat nicht. Schon nach kurzer Zeit waren alle tot.
In Hamburg gehen seit Wochen immer wieder Hunderte bis Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Darunter sind laut Verfassungsschutz auch einzelne Rechtsextremisten und Reichsbürger, die aber bisher nicht prägend wirken.
Vor allem Verschwörungs-Ideologen und -Ideologinnen würden bei den Demonstrationen den Ton angeben. Aber auch immer mehr Rechtsextreme würden mitlaufen. Das hat der Verfassungsschutz in einer neuen Einschätzung der Lage bestätigt.
"Rechte Demonstrationsteilnehmer werden sichtbarer"
Auch Menschen aus dem rechtsextremistischen Spektrum mischten sich unter die Proteste - und sie werden immer sichtbarer, sagt der Sprecher des Hamburger Verfassungsschutzes, Marco Haase, im Gespräch mit NDR 90,3. Diese Menschen seien zwar noch nicht steuernd oder prägend. Alle anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demos müssten sich aber fragen lassen, wen sie neben sich dulden.
Auch demokratiefeindliche Reden
Bei einzelnen Versammlungen, zum Beispiel in der vergangenen Woche an der Mundsburg oder am Sonnabend auf der Wandsbeker Chaussee, werde auch der Ton mancher Versammlungsteilnehmer aggressiver, auch wenn sie sich nach außen hin bürgerlich geben. Bei einzelnen Protesten, wie am Sonnabend, würden immer wieder demokratiefeindliche Reden gehalten, die zu einem Widerstand aufriefen.
In Hamburg überwiegende Teilnehmerzahl nicht extremistisch
Der Verfassungsschutz beobachtet bundesweit, auch in Hamburg, den neuen Phänomenbereich verschwörungsideologischer Extremisten, die die Demokratie nicht anerkennen und zum Teil auch antisemitisch argumentieren. Insgesamt sei die Entwicklung, die es in einigen anderen Bundesländern gibt, noch von der Entwicklung in Hamburg zu trennen. In Hamburg war der überwiegende Teil des Protestes nicht extremistisch.
Demos gegen Corona-Maßnahmen verboten
Zuletzt war eine für den vergangenen Sonnabend angemeldete Demonstration verboten worden. Der Veranstalter hatte darauf bestanden, dass die Demo-Teilnehmenden keine Maske tragen, was laut Eindämmungsverordnung aktuell verboten ist. Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das OVG hatten Klagen der Veranstalter abgewiesen. Stattdessen hatten sich am Sonnabend viele kleine Gruppen der Querdenker-Szene zu "Spaziergängen" getroffen. Diese hatte die Polizei aufgelöst.
Weitere Informationen
Zahlreiche Menschen haben an der Binnenalster gegen die Corona-Politik demonstriert, obwohl das Oberverwaltungsgericht das verboten hatte. (30.01.2022) mehr
Die Polizeireporter sprechen mit dem Soziologen Nils Zurawski über die Stimmung in Deutschland nach zwei Jahren Pandemie. (25.01.2022) mehr
Bislang sehen Hamburgs Behörden aber keine Steuerung der Proteste durch Rechtsextremisten. (24.12.2021) mehr
Wie geht es Hamburg mit der Corona-Pandemie? Hier finden Sie die aktuellen Zahlen, Nachrichten, Videos und Hintergründe. mehr
In Hamburg gehen seit Wochen immer wieder Hunderte bis Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Darunter sind laut Verfassungsschutz auch einzelne Rechtsextremisten und Reichsbürger, die aber bisher nicht prägend wirken.
Vor allem Verschwörungs-Ideologen und -Ideologinnen würden bei den Demonstrationen den Ton angeben. Aber auch immer mehr Rechtsextreme würden mitlaufen. Das hat der Verfassungsschutz in einer neuen Einschätzung der Lage bestätigt.
"Rechte Demonstrationsteilnehmer werden sichtbarer"
Auch Menschen aus dem rechtsextremistischen Spektrum mischten sich unter die Proteste - und sie werden immer sichtbarer, sagt der Sprecher des Hamburger Verfassungsschutzes, Marco Haase, im Gespräch mit NDR 90,3. Diese Menschen seien zwar noch nicht steuernd oder prägend. Alle anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demos müssten sich aber fragen lassen, wen sie neben sich dulden.
Auch demokratiefeindliche Reden
Bei einzelnen Versammlungen, zum Beispiel in der vergangenen Woche an der Mundsburg oder am Sonnabend auf der Wandsbeker Chaussee, werde auch der Ton mancher Versammlungsteilnehmer aggressiver, auch wenn sie sich nach außen hin bürgerlich geben. Bei einzelnen Protesten, wie am Sonnabend, würden immer wieder demokratiefeindliche Reden gehalten, die zu einem Widerstand aufriefen.
In Hamburg überwiegende Teilnehmerzahl nicht extremistisch
Der Verfassungsschutz beobachtet bundesweit, auch in Hamburg, den neuen Phänomenbereich verschwörungsideologischer Extremisten, die die Demokratie nicht anerkennen und zum Teil auch antisemitisch argumentieren. Insgesamt sei die Entwicklung, die es in einigen anderen Bundesländern gibt, noch von der Entwicklung in Hamburg zu trennen. In Hamburg war der überwiegende Teil des Protestes nicht extremistisch.
Demos gegen Corona-Maßnahmen verboten
Zuletzt war eine für den vergangenen Sonnabend angemeldete Demonstration verboten worden. Der Veranstalter hatte darauf bestanden, dass die Demo-Teilnehmenden keine Maske tragen, was laut Eindämmungsverordnung aktuell verboten ist. Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das OVG hatten Klagen der Veranstalter abgewiesen. Stattdessen hatten sich am Sonnabend viele kleine Gruppen der Querdenker-Szene zu "Spaziergängen" getroffen. Diese hatte die Polizei aufgelöst.
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Im Jahr 2011 veröffentlichten die beiden Ökonomen Nico Voigtländer und Hans-Joachim Voth eine Studie, in der sie nachweisen konnten, dass antisemitische Gewalt und die Zustimmung zum Nationalsozialismus in den 1920er-Jahren in jenen Städten besonders ausgeprägt waren, in denen es bereits während der Pest in den Jahren 1348 und 1350 zu Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung gekommen war. Auch wenn die beiden Autoren diesen Zusammenhang nicht vollständig erklären konnten, obwohl sie einige mögliche Faktoren erörterten, so konnten sie dennoch schlüssig nachweisen, dass es ihn gab.
Der Autor dieses Textes musste an jene Studie denken, als vor einigen Tagen bei WELT ein Meinungsbeitrag von Hubertus Knabe erschien, in dem der Historiker scharf gegen eine mögliche Umbenennung oder Kontextualisierung von Straßen und Plätzen in Berlin polemisierte. Der Anlass für seinen Beitrag war ein Dossier über Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen, das der Historiker Felix Sassmannshausen im Auftrag des Ansprechpartners des Landes Berlin zu Antisemitismus Samuel Salzborn erstellt hatte.
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Umbenennung von Straßen
Zweifellos finden sich in diesem Dokument Namen, wie etwa der des CDU-Politikers Konrad Adenauer, die irritieren und bei denen weder eine Umbenennung noch eine Kontextualisierung sinnvoll oder angemessen wären. Gleichwohl darf man aber an dieser Stelle zumindest darauf hinweisen, dass vom ersten Kanzler der Bundesrepublik der Satz „Die Macht der Juden, auch heute noch, insbesondere in Amerika, soll man nicht unterschätzen“ überliefert ist und dass Hans Globke, einer der maßgeblichen Kommentatoren der Nürnberger Gesetze, sein Bundeskanzleramt leitete.
Das schmälert gleichsam nicht Adenauers Verdienste um das deutsch-israelische Verhältnis oder die Westbindung der jungen Bundesrepublik. Vielmehr wird auch an der Person Adenauers deutlich, dass Geschichte und historische Figuren komplex sind und sich der Blick auf sie und ihr Wirken selten einfach beurteilen lässt.
Gleichwohl wird in Berlin nach wie vor Personen die Ehre zuteil, dass eine Straße oder ein Platz nach ihnen benannt ist, bei denen eine Umbenennung angebracht wäre. So etwa im Falle des Antisemiten und Rassisten Heinrich von Treitschke, Urheber der Parole „Die Juden sind unser Unglück“, der im Zuge des „Berliner Antisemitismusstreits“ von 1879 bis 1881 darüber hinaus vor einer Überfremdung durch Juden aus Osteuropa warnte.
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Dann gibt es Personen wie Richard Wagner, der 1850 einen antisemitischen Aufsatz unter dem Titel „Das Judenthum in der Musik“ veröffentlichte und dessen musikalisches Werk in Teilen von antisemitischen Ressentiments durchzogen ist. Es spräche in seinem Fall einiges für eine Umbenennung, vielleicht wäre aber auch einfach eine Kontextualisierung seiner Person angebracht.
Um ein weiteres Beispiel zu nennen: Seit einigen Jahren wird über die Umbenennung der „Mohrenstraße“ in Berlin-Mitte debattiert. Auch hier wäre eine Umbenennung angebracht. Vor einiger Zeit wurde vorgeschlagen, diese Straße nach Fritz Bauer zu benennen. Hier könnte zweierlei erreicht werden: Im Zuge einer Umbenennung wäre es einerseits möglich, den rassistischen Begriff „Mohr“ zu kontextualisieren und etymologisch zu erörtern.
Andererseits wäre es eine Gelegenheit, einen wirklichen Helden der deutschen Nachkriegsgeschichte zu würdigen. Denn Bauer war nicht nur der Chefankläger im Auschwitzprozess, sondern ihm ist es auch zu verdanken, dass Adolf Eichmann sich für seine Taten in Jerusalem vor Gericht verantworten musste. Dies wäre zudem auch deshalb eine sinnvolle Lösung, da sich der Haupteingang des Bundesministeriums der Justiz in dieser Straße befindet.
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Geplante Umbenennung
Auch ist nicht ersichtlich, warum einem ausgemachten Antisemiten wie Henry Ford, den Knabe nur als „Unternehmer“ bezeichnet, weiterhin diese Ehre zuteilwird. Gleiches gilt für „Turnvater Jahn“ und Charles Lindbergh, die beide ebenso glühende Antisemiten waren. Und im Falle Martin Luthers, den Knabe lediglich als „Vater des deutschen Protestantismus“ bezeichnet, wäre es mehr als angebracht, dessen Hass auf Juden, der die deutsche Kulturgeschichte nicht unwesentlich mitgeprägt hat, zumindest zu benennen. Schon anhand dieser Beispiele wird deutlich, wie komplex die Debatte ist.
Wäre es daher nicht sinnvoll, das Dossier zum Anlass zu nehmen, um jeden der aufgeführten Namen individuell zu diskutieren und dann die entsprechenden Straßen und Plätze zu kontextualisieren, sie möglicherweise umzubenennen oder es nach einer entsprechenden Debatte beim Istzustand zu belassen?
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Straßennamen
Wäre es nicht wünschenswert, wenn die Bürger der Hauptstadt das Dokument als Grundlage für eine informierte historisch-politische Diskussion nutzen würden, an deren Ende die Beteiligten in jedem Fall etwas über die Ambivalenz von historischen Personen gelernt hätten? Dies wäre auch kein „Angriff auf das kulturelle Gedächtnis einer Nation“ wie Knabe schreibt, sondern eine Möglichkeit, über den Umgang mit der Geschichte neu und auf Höhe der Zeit nachzudenken. Das Reflektieren über Vergangenes gibt es seit Menschengedenken und sollte doch gerade in einer liberalen Demokratie eine Selbstverständlichkeit sein.
Wenig hilfreich für eine konstruktive Debatte ist es hingegen, das Nachdenken über historische Personen, ihre Ambivalenz und mögliche Konsequenzen in Form einer Umbenennung in die Nähe von Hitler, Mao oder den Ikonoklasmus der klerikalen Faschisten des „Islamischen Staates” oder der Taliban zu rücken, wie Knabe es tut, und damit jede Debatte zu ersticken.
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Hier sei daran erinnert, was der Philosoph und Shoa-Überlebende Jean Améry Mitte der 1960er-Jahre formulierte: „Was 1933 bis 1945 in Deutschland geschah, so wird man lehren und sagen, hätte sich unter ähnlichen Voraussetzungen überall ereignen können – und wird nicht weiter insistieren auf der Bagatelle, dass es sich eben gerade in Deutschland ereignet hat und nicht anderswo.“ In dem hier diskutierten Kontext bedeutet dies eben auch, sich zu vergegenwärtigen, dass der Weg nach Auschwitz und zu den Orten der Massenerschießungen in Osteuropa, wenn auch nicht geradlinig, so aber doch auch mit Personen und ihrem Wirken zusammenhängt, die in dem Dossier erwähnt werden. Die eingangs erwähnte Studie legt doch ein beredtes Zeugnis über die Kontinuität und Zählebigkeit des Antisemitismus hierzulande ab.
Abschließend sei angemerkt, dass es unredlich von Knabe ist, einerseits das aktuelle Dossier und dessen Autor und Auftraggeber in dieser Schärfe zu attackieren, während er selbst vor drei Jahren in einem Beitrag auf seinem persönlichen Blog ausführlich dokumentiert und kritisiert, wie viele Straßen und Plätze 30 Jahre nach dem Ende der DDR immer noch nach Kommunisten oder Funktionären der SED benannt sind und er in diesem Kontext für Umbenennungen plädiert.
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Knabe beendet seinen Beitrag im Übrigen mit den Worten: „Es sagt eine Menge aus über die politische Kultur der Bundesrepublik, wenn 30 Jahre nach dem Fall der Mauer immer noch massenhaft die Epigonen der kommunistischen Diktatur gewürdigt, die Opfer und der Widerstand hingegen vergessen werden – und sich niemand daran stört.“
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass es auch viel über die politische Kultur 77 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aussagt, dass in der Stadt, von wo aus die Entrechtung, Verfolgung und systematische Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden geplant wurde, bis heute noch Personen gewürdigt werden, die durch ihr Wirken ideologisch den Boden für die Shoa bereitet haben, es aber bis heute keine Fritz-Bauer-Straße gibt und sich kaum jemand daran zu stören scheint.
Remko Leemhuis ist seit September 2019 Direktor des American Jewish Committees (AJC) Berlin.
In Hamburg gehen seit Wochen immer wieder Hunderte bis Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Darunter sind laut Verfassungsschutz auch einzelne Rechtsextremisten und Reichsbürger, die aber bisher nicht prägend wirken.
Vor allem Verschwörungs-Ideologen und -Ideologinnen würden bei den Demonstrationen den Ton angeben. Aber auch immer mehr Rechtsextreme würden mitlaufen. Das hat der Verfassungsschutz in einer neuen Einschätzung der Lage bestätigt.
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Auch Menschen aus dem rechtsextremistischen Spektrum mischten sich unter die Proteste - und sie werden immer sichtbarer, sagt der Sprecher des Hamburger Verfassungsschutzes, Marco Haase, im Gespräch mit NDR 90,3. Diese Menschen seien zwar noch nicht steuernd oder prägend. Alle anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demos müssten sich aber fragen lassen, wen sie neben sich dulden.
Auch demokratiefeindliche Reden
Bei einzelnen Versammlungen, zum Beispiel in der vergangenen Woche an der Mundsburg oder am Sonnabend auf der Wandsbeker Chaussee, werde auch der Ton mancher Versammlungsteilnehmer aggressiver, auch wenn sie sich nach außen hin bürgerlich geben. Bei einzelnen Protesten, wie am Sonnabend, würden immer wieder demokratiefeindliche Reden gehalten, die zu einem Widerstand aufriefen.
In Hamburg überwiegende Teilnehmerzahl nicht extremistisch
Der Verfassungsschutz beobachtet bundesweit, auch in Hamburg, den neuen Phänomenbereich verschwörungsideologischer Extremisten, die die Demokratie nicht anerkennen und zum Teil auch antisemitisch argumentieren. Insgesamt sei die Entwicklung, die es in einigen anderen Bundesländern gibt, noch von der Entwicklung in Hamburg zu trennen. In Hamburg war der überwiegende Teil des Protestes nicht extremistisch.
Demos gegen Corona-Maßnahmen verboten
Zuletzt war eine für den vergangenen Sonnabend angemeldete Demonstration verboten worden. Der Veranstalter hatte darauf bestanden, dass die Demo-Teilnehmenden keine Maske tragen, was laut Eindämmungsverordnung aktuell verboten ist. Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das OVG hatten Klagen der Veranstalter abgewiesen. Stattdessen hatten sich am Sonnabend viele kleine Gruppen der Querdenker-Szene zu "Spaziergängen" getroffen. Diese hatte die Polizei aufgelöst.
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Während westliche Botschaften ihr Personal aus der Ukraine abziehen, bleiben andere Ausländer dort. Die DW hat mit einigen gesprochen über die Innen- und die Außensicht auf den Konflikt mit Russland.
"Mein Telefon ist voller Nachrichten", sagt Jens Däßler mit einem müden Lächeln. Die meisten seien von Freunden und Verwandten. Sie fragen, wann er Kiew verlassen wolle. Doch der Unternehmer aus Deutschland hat es nicht eilig.
Vielen Ausländer in der ukrainischen Hauptstadt geht es offenbar ähnlich. Zwar sind die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine nicht neu, doch die kürzliche Entscheidung mehrerer westlicher Staaten, Botschaftspersonal aus der Ukraine abzuziehen, hat für internationales Aufsehen gesorgt. Ein Krieg in Osteuropa wirkt plötzlich wie eine reale Möglichkeit.
"Normalerweise spreche ich vielleicht einmal im Monat mit meinen Eltern", sagt Ken Herbert, der vor zwei Jahren aus Sydney nach Kiew gezogen ist. "Derzeit sprechen wir alle zwei Tage." Auch Australien hat Diplomaten ausgeflogen. Die Botschaft habe ihn angerufen und gefragt, ob er ebenfalls seine Ausreise plane. Herbert sagt, er sei völlig überrascht von der Frage gewesen. Wie die meisten Menschen, mit denen die DW darüber gesprochen hat, will auch er in Kiew bleiben.
Unsichtbare Bedrohung
Einfach die Koffer zu packen und Kiew zu verlassen, fällt vielen auch deshalb schwer, weil die Stadt eigentlich sehr sicher ist: "Im Allgemeinen fühle ich mich hier sicherer als in Australien", sagt Herbert. "In Sydney laufe ich nachts nicht durch irgendwelche dunklen Gassen." In Kiew würde er sich dabei keine Sorgen machen.
Das Leben in Kiew nimmt weitgehend seinen gewohnten Lauf
Gleichzeitig ist die Bedrohung durch russische Truppen noch Hunderte Kilometer weit weg. "Man sieht keine Soldaten, keine Flugzeuge - nichts, das sich irgendwie nach Krieg oder Gefahr anfühlt", erklärt der Deutsche Däßler. Das Leben in Kiew gehe seinen Gang und die Nachricht über eine Restaurant-Eröffnung im Social-Media-Feed ist genauso wahrscheinlich wie Meldungen über die Lage an der Grenze. Es falle ihm wirklich schwer, seine Wahlheimat in den Bildern wiederzuerkennen, die internationale Medien zeichnen: "Die Sonne scheint, es gibt Pizza, es gibt Sushi - alles da", sagt er.
Alle Augen auf die Ukraine
"Die Situation hat sich vor allem für Menschen außerhalb der Ukraine geändert. Sie sind sich plötzlich bewusster, was hier los ist", sagt die US-Amerikanerin Kari Hiepko-Odermann, die 2018 mit Ehemann und Kindern nach Kiew gezogen ist. Hier lebe man schon lange mit der Bedrohung, die der Konflikt mit Russland birgt, seit Moskau 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektierte und seither pro-russische Separatisten im Osten des Landes unterstützt. "Die Ukrainer stecken seit mehr als acht Jahren in dieser schwierigen Situation", sagt Hiepko-Odermann. Deshalb würden sich Außenstehende häufig mehr Sorgen machen über die aktuellen Entwicklungen als die Ukrainer selbst.
Kiew: eine moderne Metropole mit jahrhundertealten Wurzeln
Wie sie aus der Schule ihrer Kinder weiß, gibt es allerdings auch ausländische Familien, die Kiew bereits verlassen haben. Vor allem Zuwanderer, die ohnehin von zu Hause aus arbeiten, würden die Spannungen lieber in der Ferne aussitzen, um zurückzukommen, wenn sie vorübergehen.
Widersprüchliche Botschaften
Die teils widersprüchliche Kommunikation der ukrainischen Regierung hat in den letzten Wochen zur Verunsicherung beigetragen. In einer Video-Botschaft spielte Präsident Wolodymyr Selenskyj die Gefahr einer Eskalation herunter und rief die Ukrainer dazu auf, Ruhe zu bewahren und von Hamsterkäufen abzusehen. Tags darauf sagte er einem Reporter der "Washington Post", dass Charkiw, die zweitgrößte Stadt der Ukraine 40 Kilometer von der Ostgrenze entfernt, ein wahrscheinliches Ziel für eine russische Invasion sei.
Russland hat seine Truppen an der Grenze zur Ukraine in den vergangenen Wochen massiv aufgestockt
Ein ukrainischer Top-Militär nannte kürzlich den 20. Februar als wahrscheinliches Angriffsdatum - dem Tag, an dem die olympischen Winterspiele in Peking enden. Dafür spräche, dass der Kreml dem chinesischen Regime dann nicht die Show stehle wie 2008, als die russische Intervention in Georgien die Aufmerksam der Weltpresse von den Sommerspielen in Peking ablenkte.
Gleichzeitig haben ranghohe Mitarbeiter von Selenskyj gegenüber Journalisten den russischen Truppenaufmarsch als politischen Bluff abgetan. Kein Wunder also, dass sich in der Ukraine Experten wie Laien die Köpfe zerbrechen, um verstehen, was in ihrem Land vor sich geht.
Hoffnung auf NATO-Hilfe
Angesichts der militärischen Bedrohung blicken viele Ukrainer hilfesuchend gen Westen. Die Zurückhaltung der deutschen Regierung in Sachen Waffenlieferungen hat viele von ihnen enttäuscht und ihr Deutschlandbild getrübt. Auch Unternehmer Däßler würde sich aus Berlin ein klares Bekenntnis zur Unterstützung der Ukraine wünschen.
Die kürzliche Lieferung von Munition und Panzerabwehr-Raketen aus den USA und die angekündigte Verlegung von Truppen nach Osteuropa kamen bei der ukrainischen Bevölkerung, wenig überraschend, sehr gut an. US-Präsident Joe Bidens fortgeschrittenes Alter, das ihm so oft als Schwäche ausgelegt wird, könnte jetzt ein Vorteil sein, sagt die US-Amerikanerin Hiepko-Odermann: "Er weiß, wie man Kalter-Krieg-Politik macht."
Gehen oder bleiben
Während die internationale Diplomatie - oft genug ohne ukrainische Beteiligung - auf Hochtouren läuft, hält man die Menschen in der Ukraine an, sich für eine eilige Abreise bereitzuhalten, für den Fall, dass die Lage doch eskaliert. Einen gepackten Koffer, Bargeld und ein Erste-Hilfe-Kasten griffbereit zu halten, könnte im Fall der Fälle darüber entscheiden, ob man die Ausreise rechtzeitig schafft oder nicht.
Ukrainische Grenze zu Polen und Belarus: Wie schwer die Ausreise bei einem russischen Angriffs wäre, weiß niemand
Die Empfehlungen in Medien und Foren, wie ein Notfallpaket auszustatten ist, reichen von Wodka zu Wunddesinfektion bis hin zu bengalischen Feuern, mit denen man in Not auf sich aufmerksam machen kann. Wie gangbar alle Fluchtpläne sind, wenn im Ernstfall Straßen verstopfen und Kommunikationswege ausfallen, sei dahingestellt.
Aber nicht jeder in Kiew hat überhaupt solche Pläne oder auch nur einen Notfallkoffer gepackt. Auch Ausländer in Kiew gehen mitunter ganz anders mit der Situation um: "Je mehr man die deutschen oder amerikanischen Nachrichten verfolgt, um so mehr Angst hat man", sagt Däßler. Sein Rezept: Einfach mal abschalten.
Das Sturmtief "Nadia" hat in Norddeutschland am Wochenende für Tausende Polizei- und Feuerwehreinsätze gesorgt. Bäume kippten auf Häuser, Autos und Bahngleise. Strände wurden teilweise abgetragen, in Westmecklenburg waren zeitweise bis zu 12.000 Haushalte ohne Strom.
Bis zum Sonntagabend galt für die Ostseeküste um Rügen eine Sturmflutwarnung des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (NSH). Der Wasserstand sollte dort bis zu 1,20 Meter höher als der mittlere Wasserstand sein. In Wismar wurden Straßen in Hafennähe unter Wasser gesetzt. Auch andernorts an der Ostseeküste stiegen die Pegelstände um rund einen Meter höher als normal - etwa in Warnemünde, in Greifswald, in Koserow auf Usedom und Sassnitz auf Rügen. Über Schäden war zunächst nichts bekannt. Für die Kieler Bucht erwartete das BSH gegen Mitternacht Wasserstände bis 1,35 Meter.
Für die Lübecker Innenstadt und Travemünde sowie den Innenhafen von Flensburg wurde für den Abend ebenfalls vor Überflutungen gewarnt. Die Behörden forderten Bewohner daher auf, betroffene Gebiete zu meiden und nicht durch überflutete Straßen zu fahren.
Viele Unfälle und umstürzende Bäume
Bereits am Sonnabend und in der Nacht zu Sonntag hatte "Nadia" für erhebliche Schäden im ganzen Norden gesorgt. Allein im Bereich Oldenburg (Niedersachsen) zählte die Polizei insgesamt 19 Unfälle, drei Menschen wurden leicht verletzt. Insgesamt verzeichneten die Beamten rund 100 Einsätze wegen des Sturms. In Bunnen (Landkreis Cloppenburg) übersah eine 19-Jährige einen umgestürzten Baum. Sie fuhr dagegen und wurde leicht verletzt. In den Landkreisen Hildesheim und Goslar kippten Bäume direkt vor zwei Autos. Ein 64-Jähriger und eine 27-Jährige konnten nicht mehr rechtzeitig bremsen, blieben laut Polizei aber unverletzt. Im Landkreis Rotenburg (Wümme) stürzte ein Baum auf einen Zug - auch hier wurde niemand verletzt.
Sturmflut spült tonnenweise Sand ins Meer
Auf der Ostfriesischen Insel Langeoog wurde der Strand von der Sturmflut beschädigt. Es sei erneut viel Sand weggespült worden, so Bürgermeisterin Heike Horn. Für die Insel bestehe aber keine Gefahr. Erst vor zwei Jahren war der Strand dort für mehrere Hunderttausend Euro aufgespült worden. Auch auf Wangerooge wurden große Teile des Strands weggerissen. In Wilhelmshaven haben nach Angaben der Einsatzkräfte Deich und Deichtore gehalten. Lediglich ein Weg vor dem Deich sei komplett überschwemmt, hieß es.
Bahn: Massive Probleme im Regional- und Fernverkehr
Das Sturmfeld selbst zog laut Deutschem Wetterdienst (DWD) seit Sonntagvormittag langsam ab. Seine Unwetterwarnung für Norddeutschland hob der DWD daher am späten Vormittag auf. Am Samstagabend und in der Nacht zu Sonntag hatte "Nadia" dagegen fast überall im Norden für Probleme gesorgt. Unter anderem im Bahnverkehr: Die Deutsche Bahn stellte den Fernverkehr in Norddeutschland am Samstagabend vorübergehend komplett ein. Seit Sonntagmorgen hat sich die Lage laut Bahn nach und nach normalisiert, trotzdem kann es weiter im Regional- und Fernverkehr vereinzelt zu Behinderungen kommen. DieBahn informiert auf ihrer Webseiteüber den aktuellen Stand.
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Zwei Mal innerhalb weniger Stunden ist der Fischmarkt überschwemmt worden. Am Sonntagnachmittag wurde die Sturmflutwarnung aufgehoben. mehr
Hamburg: 750 Unwetter-Einsätze und Sturmflut an der Elbe
In Hamburg zählte die Polizei rund 300 Unwetter-Einsätze, die Feuerwehr sogar 450. Laut Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) war es in der Nacht im Hamburger Elbgebiet zu einer schweren Sturmflut gekommen. Der Fischmarkt in St. Pauli wurde am Wochenende gleich zweimal unter Wasser gesetzt. Zudem verkeilte sich am späten Samstagabend ein Baggerschiff unter den Elbbrücken. Wie die Polizei Hamburg mitteilte, mussten infolge der Havarie mehrere Brücken gesperrt werden - mit den entsprechenden Behinderungen für den Verkehr.
Manövrierunfähiger Frachter vor der ostfriesischen Küste
Eine weitere Havarie ereignete sich in Niedersachsen: Rund 30 Kilometer vor der ostfriesischen Küste trieb ein unbeladener Frachter mehrere Stunden im Meer. Die Maschine der 190 Meter langen "Vienna" sei zu schwach gewesen, bei Sturm und schwerer See zu manövrieren, hieß es vom Havariekommando in Cuxhaven. Daher wurden unter anderem Notschlepper zu dem Havaristen entsandt. Das Sturmtief habe den Einsatz erheblich erschwert: Auch am Sonntagmorgen seien die Wellen fünf bis sechs Meter hoch gewesen. Nach etwa sechs Stunden sei der Frachter gesichert gewesen, so ein Sprecher des Havariekommandos. Die 24 Crewmitglieder blieben unverletzt. Auch der Frachter wurde nicht beschädigt.
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Sturmtief "Nadia" ist über den Nordosten gefegt. Züge und Fähren fielen aus, Tausende Haushalte waren ohne Strom. Die Feuerwehren rückten zu mehr als 2.000 Einsätzen aus. mehr
Mehr als 2.000 Feuerwehr-Einsätze in Mecklenburg-Vorpommern
Das Sturmtief über der Nordsee bescherte auch Feuerwehr und Polizei in Mecklenburg-Vorpommern viel Arbeit. In Schwerin und Umgebung sei man zu knapp 200 Einsätzen ausgerückt, sagte ein Feuerwehrsprecher. Landesweit wurden sogar mehr als 2.000 Einsätze gezählt. In der Gemeinde Feldberger Seenlandschaft prallte ein 16 Jahre alter Motorradfahrer mit seinem Fahrzeug gegen einen umgestürzten Baum und wurde schwer verletzt. Wegen umgestürzter Strommasten waren in Westmecklenburg zeitweise bis zu 12.000 Haushalte ohne Strom.
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Viele Bewohner der Insel lassen sich das Naturspektakel nicht entgehen. 1 Min
Schleswig-Holstein: 1.000 Einsätze und 127 km/h Windgeschwindigkeit
Die höchste Windgeschwindigkeit in Schleswig-Holstein maßen die Meteorologen auf Hallig Hooge (Kreis Nordfriesland): Dort habe "Nadia" bis zu 127 Kilometer pro Stunde erreicht, so der DWD. Die Feuerwehren mussten landesweit rund 1.000-mal ausrücken. Die meisten Einsätze wurden im Süden verzeichnet: Allein die Leitstelle Bad Oldesloe meldete bis zum Sonntagvormittag knapp 400 sturmbedingte Einsätze.
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Von Windstärke 0 bei Windstille bis Windstärke 12 im Orkan reicht die zwei Jahrhunderte alte Skala, die nach ihrem Erfinder Admiral Sir Francis Beaufort benannt ist. mehr
Hier gibt's die aktuellen Warnmeldungen für ganz Deutschland. mehr
Die Aussichten für die kommenden Tage finden Sie hier. mehr
Am Maadesiel in Wilhelmshaven wird bereits zu dem Thema geforscht, nun sollen zwei weitere Standorte hinzukommen. (19.12.2021) mehr
Fragen & AntwortenStanddatum: 30. Januar 2022.Autorinnen und Autoren: Lea Reinhard, Leonard Steinbeck und Joschka Schmitt
Bild: Radio Bremen
Lehrermangel ist ein bundesweites Problem. In Bremerhaven führt die Situation nun jedoch zu besonders drastischem Protest: Die Hälfte eines Kollegiums bittet um Freistellung.
Lehrkräfte fehlen überall. In Bremerhaven ist die Lage sogar noch angespannter als in Bremen, der Druck auf das Personal enorm. An der gymnasialen Oberstufe am Schulzentrum Carl von Ossietzky (CvO) im Stadtteil Geestemünde ist daraus eine ungewöhnliche Protestaktion entstanden: Rund die Hälfte der 70 Lehrerinnen und Lehrer haben einen Freistellungsantrag gestellt – und das, obwohl viele die Schule gar nicht unbedingt verlassen wollen. Das steckt dahinter.
Warum haben die Lehrkräfte zu diesem Schritt gegriffen?
Aus Protest und als Symbol. Einigen Lehrenden wurde angekündigt, dass sie an andere Schulen abgeordnet werden könnten. Eine aus ihrer Sicht unzumutbare Situation, weswegen sie nun den Druck auf das Schulamt erhöhen wollen. Das entscheidet letztlich über die Anträge und hat dafür mehrere Jahre Zeit. Die Lehrer sind mit dem Amt in Kontakt und hoffen, dass ihr Signal nun gehört wird.
Was hat zu der problematischen Situation geführt?
Der Lehrermangel. Der ist in Bremerhaven seit Jahren ein großes Problem. Personallücken klaffen in Grundschulen, weiterführenden Klassen und auch gymnasialen Oberstufen. Insgesamt 55 Stellen blieben laut Gewerkschaft GEW in Bremerhaven in diesem Schuljahr unbesetzt. Allerdings sind die Schulen der Stadt davon unterschiedlich stark betroffen. Deshalb sollen die Lehrerinnen und Lehrer vom CvO dort an anderen Schulen mit einspringen.
Was sagen die Betroffenen dazu?
Die sind sehr unzufrieden. Eigentlich wollen sie gar nicht unbedingt weg vom ihrer Schule, fühlen sich dort durchaus wohl. Aber sie wollen ein klares Zeichen setzten: "So geht es nicht weiter – es müssen einfach mehr Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden", sagt Gerrit Bliefernicht. Er unterrichtet Deutsch und Politik am CvO in Bremerhaven und ist Vorstandsmitglied des GEW-Stadtverbands.
Bliefernicht sagt: Wenn er jetzt auch noch an einer anderen Schule mit unterrichten müsste, wäre das für ihn bald nicht mehr zu stemmen. Das Pendeln zwischen zwei Arbeitsstellen oder die Einarbeitung in einen komplett neuen Arbeitsbereich wäre eine zusätzliche Belastung. "Wenn man jahrelang in der Sekundarstufe 2 unterwegs gewesen ist und plötzlich vom einem Tag auf den anderen in der Sekundarstufe 1 unterrichten muss, dann muss man sich das Material erstmal neu erarbeiten", so Bliefernicht.
Auch Nele Schirrmacher hat den Freistellungsantrag gestellt. Sie ist Sprecherin des Personalausschusses am CvO, unterrichtet Deutsch und Politik und bereitet ihre Klasse aufs Abitur vor. Noch seien die Kapazitäten dafür da. Doch auf die Schule kommen Streichungen zu, in einer ohnehin angespannten Personalsituation, wie sie sagt. Daher hält das Kollegium zusammen – und so reichen 35 von 70 Lehrkräfte den Antrag ein.
Wie kommt die Aktion bei den Schülerinnen und Schülern an?
Erstmal waren viele Fragezeichen da, sagt Schülersprecher Tristan Reim. Allerdings sei die Aktion in einer Schülervollversammlung gut und transparent vermittelt worden. Wenn am CvO tatsächlich Stunden gekürzt werden, würde das wahrscheinlich zu Problemen führen, sagt Reim. "Es werden dann leider wie immer die Schüler tragen müssen."
Aus der Schülerschaft kommt außerdem Unterstützung für die Lehrenden: "Wir haben uns mit den Abiturienten des Lloyd Gymnasiums zusammengeschlossen und demonstriert, indem wir nicht zur Schule gegangen sind und Online-Unterricht gemacht haben", so Reim. Insgesamt seien das rund 400 Schülerinnen und Schüler gewesen. "So haben wir versucht zu zeigen, dass uns das auch nicht gefällt."
Wie reagiert der zuständige Schuldezernent?
Michael Frost (parteilos) kann den Frust nachvollziehen. Auch er sagt: Es gibt einfach zu wenig Lehrkräfte in Bremerhaven. Er persönlich habe es in den letzten Jahren allerdings nicht versäumt mehr Lehrende einzustellen und werbe schon lange bundesweit um Personal. "Wir finanzieren ein Lehramts-Stipendium für Studierende und wir qualifizieren Quereinsteiger, damit sie am Ende einen Abschluss als Lehrerinnen und Lehrer haben", sagt Frost. "Wir machen wirklich eine ganze Menge."
Es sei auch ein Problem, dass bis vor einigen Jahren an der Uni in Bremen immer weniger Menschen auf Lehramt studiert hätten. Das habe sich jetzt zum Glück wieder geändert. Deshalb ist Frost optimistisch, dass in den nächsten Jahren wieder mehr Stellen in Bremerhaven besetzt werden können. Bremerhaven behilft sich derweil mit Übergangslösungen: Schon jetzt ist jede elfte Lehrkraft eigentlich noch Studierender, ein Viertel Quereinsteiger.
Bild: Radio Bremen
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 30. Januar 2022, 19:30 Uhr