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Wednesday, December 1, 2021

Wie viele unserer Treibhausgasemissionen schlagen wir China zu? - Telepolis

Wie viele unserer Treibhausgasemissionen schlagen wir China zu?

"Made in China" steht auf vielen unserer Produkte, die Klimaverantwortung dafür aber tragen wir nicht. Dieser Umstand verzerrt auch die politische Debatte

Wenn es um die Reduktion von Kohlendioxidemissionen geht, richten sich die Augen der Welt immer wieder auf die größten Emittenten, und das sind dem Portal Our World in Data [1] zufolge aktuell

  • an erster Stelle China mit 10,67 Milliarden Tonnen, gefolgt von
  • den USA mit 4,71 Milliarden Tonnen,
  • der EU-28 mit 2,92 Milliarden Tonnen,
  • Indien mit 2,44 Milliarden Tonnen und
  • Russland mit 1,58 Milliarden Tonnen

reinem CO₂-Ausstoß, andere Treibhausgase ausgenommen.

Berechnet man die Emissionen aber pro Kopf und nicht in der Gesamtsumme pro Staat, dann sieht das Bild schon wieder anders aus und die Top 5 werden abgelöst von kleinen Inselstaaten und ölreichen Ländern auf der arabischen Halbinsel.

Chinas Pro-Kopf-Emissionen liegen mit 7,41 Tonnen nur bei gut der Hälfte der US-Menge mit 14,24 Tonnen. Indien hingegen macht sich mit 1,77 Tonnen sehr bescheiden aus. Doch auch die Pro-Kopf-Bilanz wird der Sache nicht gerecht. Schon seit Längerem wird kritisiert, dass manche Länder einen Teil ihrer CO₂-Emissionen de facto auslagern, indem sie den größeren Teil der im Land konsumierten Produkte importieren.

Im jetzigen System könnten die EU oder die USA ihr Wirtschaftssystem klimaneutral machen und dabei gleichzeitig Produkte importieren, die mit Kohlestrom in China produziert worden sind, in ihrer Klimabilanz würde das nicht auftauchen. Und gleichzeitig könnten sie mit dem Finger auf den vermeintlichen Klimasünder China zeigen, der seinen internationalen Verpflichtungen nicht nachkommt.

Bild [2]: Our World in Data / CC-BY-4.0 [3]

China, Indien und Russland sind eher Exporteure für den globalen Weltmarkt, während ein Großteil der EU und die USA mehr importieren, als dass sie exportieren. Und so lässt sich der produktbasierten CO₂-Bilanzierung eine konsumbasierte Bilanz gegenüberstellen. In dieser Betrachtungsweise sinken die Emissionen Chinas 2019 um fast zehn Prozent, die Indiens um acht Prozent, die Russlands sogar um knapp 15 und die Südafrikas sogar um 29 Prozent. Die USA gewinnen sieben Prozentpunkte dazu und die EU-28 sogar fast 21.

Andere Berechnung, andere Schlüsse

Werden die Pro-Kopf-Emissionen konsumbasiert berechnet, kommen die USA nun auf 17,1 Tonnen (übrigens weniger als die Hälfte des Werts von Spitzenreiter Luxemburg) und China nur noch auf 6,59 Tonnen. Auch wenn die Spanne größer wird – zu hoch wären Chinas Emissionen damit immer noch.

Was bringt also die jeweilige Betrachtungsweise in Bezug auf die globale Reduktion des CO₂-Ausstoßes? Denn unabhängig davon, wer für die jeweilige CO₂-Menge verantwortlich gemacht wird, um die Erderhitzung auf möglichst 1,5 Grad zu beschränken, müssen die Emissionen ja überall gegen null gehen.

Die Berechnungsart spielt eine große Rolle, wenn es um die Verteilung eines Restbudgets an Treibhausgas geht, das die Menschheit noch bis zur 1,5-Grad-Grenze bzw. Zwei-Grad-Grenze emittieren darf. Denn dieses Restbudget ist knapp.

Für das Einhalten der 1,5 Grad waren es Anfang 2020 noch 400 Gigatonnen. Nach Berechnungen [4] des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) würde dieses Budget in sieben Jahren und acht Monaten aufgebraucht sein, wenn das Emissionsniveau auf dem heutigen Stand bliebe.

Michael Jakob und Jan Steckel vom MCC und Hauke Ward von der Universität Leiden haben dagegen einen Ansatz entwickelt, bei dem sowohl Produzenten– als auch Konsumentenländer einen Teil der Verantwortung tragen würden.

"Man kann Produktion und Konsum nicht voneinander trennen, das sind zwei Seiten einer Medaille und die sind beide mitverantwortlich", sagt Michael Jakob.

Economic benefit shared responibility (EBSR), haben die Ökonomen ihr Modell genannt. Dabei hat das Team die Verantwortung nicht einfach 50:50 aufgeteilt, sondern eine fundiertere Rechengrundlage gesucht. Diese war davon abhängig, wie "elastisch" die Wirtschaft eines Landes ist, das heißt, wie gut es auf die Erhöhung eines (noch fiktiven) CO₂-Preises reagieren könnte.

Russland ist dabei ein Beispiel für ein "inelastisches" Land, weil es stark vom Export von fossilen Rohstoffen abhängig ist. Russland würde demnach bei geteilter Verantwortung für Emissionen noch immer über 85 Prozent davon behalten. Zwischen den USA und China oder der EU und China sähe die Aufteilung gleichmäßiger aus.

Vorschlag eines globalen CO₂-Preises

"Von den insgesamt 2,16 Gt CO₂, die bei der Produktion chinesischer Exporte freigesetzt werden, entfallen 375 Mt CO₂ auf Exporte in die USA und 342 Mt CO₂ auf Exporte in die EU. Im Rahmen des EBSR werden 56 Prozent der Emissionen im Kontext der chinesischen Ausfuhren in die USA den USA und 44 Prozent China zugerechnet.

Für den Handel zwischen China und der EU liegen die entsprechenden Zahlen bei 53 Prozent und 47 Prozent", so die Berechnung der Wissenschaftler [5].

Michael Jakob betont aber, dass es sich hier nicht um exakte Daten handelt, sondern zunächst um einen Denkansatz. Und dass ein globaler CO₂-Preis, der die sozialen Kosten abbilden würde, solche Aufteilungen hinfällig machen würde. Allerdings mit der Einschränkung, dass ein angemessener hoher CO₂-Preis für die ärmsten Länder abgefedert werden müsste.

Noch komplizierter wird es, wenn berücksichtigt werden soll, dass die meisten Länder der Welt noch immer fossile Energieträger subventionieren [6], und das nicht zu knapp.

Nach Angaben des International Institute for Sustainable Development (IISD) 2020 stellten die G20 zwischen 2017 und 2019 jährlich 584 Milliarden US-Dollar an Subventionen für Produktion und Konsum von fossilen Energieträgern im In- und Ausland zur Verfügung. Allein 277 Milliarden US-Dollar flossen in die Produktion von Öl und Gas.

Für den internationalen Handel bedeutet dies, dass hier negative CO₂-Preise in die Bilanzen einfließen, und Subventionen die Strukturen von Produktion und Konsum mit prägen. Diese abzubauen wäre ein erster und wichtiger Schritt. Bereits 2009 haben die G20 vereinbar, mittelfristig "ineffiziente Subventionen" abbauen zu wollen, das wurde beim diesjährigen Gipfel noch einmal bekräftigt. Nur was gilt als ineffizient und gibt es auf der anderen Seite effiziente Subventionen, die erhalten bleiben sollen?


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-6280119

Links in diesem Artikel:
[1] https://ourworldindata.org/
[2] https://ourworldindata.org/grapher/share-CO2-embedded-in-trade?
[3] https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en_US
[4] https://www.mcc-berlin.net/forschung/CO2-budget.html
[5] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0959378020307901
[6] https://ourworldindata.org/fossil-fuel-subsidies

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