Auf der Suche nach der Wahrheit müssen sich Archäologen häufig lange gedulden. Hat es einst am Linsenberg, also direkt unterhalb des Castrum genannten römischen Legionärslagers in Mogontiacum, schon eine frühe dorfähnliche Siedlung gegeben? Oder war der Hang nicht mehr als eine große Müllhalde für jene, die bis ins vierte Jahrhundert hinein den Kästrich bevölkerten?
Neuerdings ist selbst der Drususstein nicht mehr das, was er früher einmal war: Nämlich ein zu Ehren des beliebten Feldherrn errichteter Kenotaph, also ein leeres Scheingrab, vor dem die Soldaten in der Antike alljährlich mit großen Feiern an den im Jahr 9 vor Christus verstorbenen und offenbar recht beliebten Anführer erinnerten. Es könnte sich bei dem etwa 20 Meter hohen Eichelstein – so zumindest die aktuelle Lesart – jedoch auch um „ein Siegesmonument ganz anderer Art“ handeln, verriet Landesarchäologin Marion Witteyer ihren Zuhören bei der offiziellen Vorstellung des Jahresberichts der Denkmalpflege in Mainz.
Wie die Schätze erhalten bleiben können
Coronabedingt konnten die Fachvorträge vom interessierten Publikum nun schon zum zweiten Mal nur im Internet mitverfolgt werden. In der gut 2000 Jahre alten Stadt Mainz gebe es bis heute mehr als 1000 Einzeldenkmäler sowie 100 Denkmalzonen und bauliche Ensembles, sagte die für Bauen und Denkmalpflege zuständige Dezernentin Marianne Grosse (SPD). Um diese Schätze zu erhalten, komme es darauf an, zunächst einmal die jeweiligen Eigentümer davon zu überzeugen, dass es sich lohne, Zeit und Geld zu investieren, um bei sehenswerten Häusern und Gebäuden möglichst viel vom Originalzustand zu bewahren. Ob das gelinge, hänge dann stark von den beteiligten Architekten und Handwerkern ab.
Die Kommune habe als Eigentümerin selbst gerade einen 220 Meter langen Abschnitt der bis zu fünf Meter hohen Zitadellenmauer an der Windmühlenstraße saniert. Für das 1,5 Millionen Euro teure Projekt, bei dem circa 20 Prozent der Steine hätten ausgetauscht werden müsse, sei zum Glück Abbruchmaterial vom alten Brauereigelände in Weisenau vorhanden gewesen, so die Dezernentin. Außerdem freue sie sich, das oberhalb des Römischen Theaters, ehemals wohl das größte Bühnentheater nördlich der Alpen, endlich „ein Info-Container aufgestellt und eröffnet wurde“.
Wertvolle Funde vor allem in der Neustadt
Von den insgesamt 31 Grabungen, die Mitarbeiter der Landesarchäologie 2021 in Rheinhessen vorgenommen hätten, sei man 14-mal auf Mainzer Stadtgebiet tätig geworden, erklärte Witteyer. Sechsmal seien die Experten dabei bis in die Antike vorgestoßen – überall dort, wo Baugruben tief genug ausgehoben wurden. Wertvolle Funde haben die Archäologen vor allem in der Neustadt gemacht, wo unter anderem Teile einer alten Gräberstraße entdeckt und auf dem Zollhafenareal antike Amphoren freigelegt wurden. Einige davon werden fortan an Ort und Stelle, also vor und im neuen LBBW-Gebäude, in Vitrinen präsentiert werden.
Vorzeigbar ist zweifellos auch das, was die städtischen Denkmalpflege in den vergangenen Monaten erreicht hat. Das Team von Kathrin Nessel wird meist dann aktiv, wenn private Bauherren Häuser und Gebäude der jüngeren Stadtgeschichte modernisieren oder verändern möchten. Ein solches Schmuckstück ist zweifellos der im 16. Jahrhundert entstandene Knebelsche Hof an der Hinteren Christofsgasse, dessen herausragender Erker ebenso aufwendig wiederhergerichtet wurde wie das Portal des heutigen Altersheims, durch das schon viele adlige Gäste ein- und ausgegangen sind.
Eine 2000 Jahre alte Geschichte gibt immer noch viele Rätsel auf - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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