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Monday, November 8, 2021

„Viele Frauen wissen nicht, warum sie bluten“: Berliner Studentin produziert Binden für Frauen in Togo - Tagesspiegel

Eine Berliner Studentin hat ein Sozialunternehmen gegründet, dass Binden für Frauen in Togo produziert - und Aufklärung betreibt.

Larena Klöckner
„Lionne“ (Löwin) heißt das Sozialunternehmen, das die Berliner Psychologie-Studentin Emily Wilbrand (Mitte) in Kpalimé in Togo...Foto: privat

Emily Wilbrand zeigt auf ihren Kleiderschrank. Auf dem Holz kleben viele bunte Zettel. Es sind die Überbleibsel eines Onlinetreffens mit ihren Mitstreiter:innen. Visionen und Ziele sind zu sehen, zahlreiche Ideen und Vorschläge. Eines davon: mehr Verkäuferinnen gewinnen, mehr Awareness schaffen. Emily holt einen Jutebeutel hervor, zieht einen länglichen, weichen Gegenstand heraus. „Es gibt zwei verschiedene Größen“, erklärt sie. Sie hält Stoffbinden aus buntem T-Shirt-Stoff in der Hand.

Wilbrand hat 2019 das Sozialunternehmen „Lionne“ gegründet. Seit nunmehr einem Jahr stellt das mittlerweile 33-köpfige Team Stoffbinden in Togo her. Mit ihrem Projekt will sie einen besseren Zugriff auf bezahlbare Menstruationsprodukte ermöglichen. Hierfür wurde die 24-jährige Psychologiestudentin der Freien Universität Berlin (FU) jetzt mit dem Engagementpreis 2022 der Studienstiftung des deutschen Volkes ausgezeichnet.

Frühe Verbindung zu Togo

Ihre Verbindung zu Togo beginnt früh. „Nach meinem Abitur bin ich ein Jahr lang mit dem Weltwärtsdienst dort gewesen, genauer gesagt in Kpalimé“, sagt Wilbrand. Sie arbeitet zunächst für einen Radiosender und lebt in einem Waisenhaus. Geleitet wird dieses von Maman Thérèse und ihrem Sohn Perel. Schnell werden die beiden wie eine zweite Familie für die junge Frau.

Während ihrer Zeit in Togo kommt sie auf das Thema Menstruation. Sie merkt, dass über die Periode nicht gesprochen wird. Kurzerhand erstellt sie gemeinsam mit Perel einen Fragebogen, den sie von 90 Mädchen und Frauen im Heim ausfüllen lässt. Sieben von zehn Frauen berichten, dass sie während ihrer Periode nicht in die Schule oder in die Universität gehen können.

Der Schulbesuch wird zur Hürde

Das liegt vor allem an fehlenden Menstruationsprodukten. Denn Binden sind teuer: Sie kosten in Togo rund drei Prozent des monatlichen Einkommens einer Frau. Viele benutzen daher nur Stoffreste, um ihre Blutung aufzufangen. „Es ist unbequem, sich damit zu bewegen, Flecken geraten schneller auf die Kleidung und häufig saugen die verwendeten Stoffe nicht gut genug auf“, berichtet Emily Wilbrand. Der Schulbesuch wird in dieser Zeit zur echten Hürde.

Ein Kasten voller bunter Binden.Foto: promo

„Das ist ein großes Problem, das wenig in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Obwohl es weltweit ein Grund ist, warum Mädchen weniger Bildung erfahren.“ Mit ihrem Projekt will sie den Fokus auf genau dieses Problem legen. Zurück in Deutschland gründet sie daher ihren Verein. Der enge Austausch nach Togo ist ihr von Anfang an wichtig. „Ich will nicht irgendeine Deutsche sein, die hingeht und irgendein Projekt macht, das die Menschen vor Ort einfach hinnehmen müssen. Ich möchte auf Augenhöhe zusammen mit ihnen etwas auf die Beine stellen.“

[Gyncast: Hier finden Sie alle Folgen des Tagesspiegel-Podcasts "Gyncast" mit der Chefärztin Dr. Mandy Mangler vom Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin-Schöneberg.]

In der Tat werden die wiederverwendbaren Binden von fünf Näherinnen in Handarbeit hergestellt – aus alten T-Shirts. „Das sind Second-Hand-Shirts, die aus Europa oder Amerika nach Togo verschifft werden. Da es viel zu viele sind, kaufen wir sie in Säcken und nähen daraus Stoffbinden“, erklärt Wilbrand. Neben Produktion und Vertrieb steht auch die Aufklärung über die Menstruation auf dem Programm. Dafür werden regionale Beraterinnen ausgebildet, die dieses Wissen dann weitergeben.

Viele wissen nicht, warum ihre Periode einsetzt

Der positiv besetzte Produktname „Lionne“ (Löwin), der als Etikett auf die Stoffbinden gestickt wird, hilft zusätzlich, Hürden abzubauen. Viele Menstruierende wissen nicht, warum ihre Periode einsetzt. Dafür hat das Team eine Zeichnung angefertigt, die in leicht zugänglicher Sprache und in nur wenigen Schritten den Vorgang der Menstruation erklärt. „Nach einer Fortbildung kam eine erwachsene Frau auf mich zu und hat sich bei mir bedankt. Das erste Mal in ihrem Leben habe sie verstanden, warum sie blutet“, erzählt Wilbrand.

Die Studentin möchte sich in den nächsten Jahren auch auf ihr Studium fokussieren, sie strebt eine Promotion an. Deshalb will sie perspektivisch mehr Verantwortung abgeben – in die Hände ihrer Projekt-Partner:innen. Davor steht aber noch ein großes Ziel an: Derzeit sind die Stoffbinden zwar wiederverwendbar, aber im Einzelpreis noch genauso teuer wie Einwegbinden. Das möchte sie ändern, um mehr von ihnen an die Frau zu bringen. Nur so werden sich die Visionen auf den bunten Klebezetteln verwirklichen lassen.

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