
Landwirtin Antje Zents: »Man muss das echt lieben, diese Art von Leben«
Der Start ins Arbeitsleben ist aufregend, anstrengend – und oft ganz anders als geplant. In der Serie »Mein erstes Jahr im Job« erzählen Berufseinsteiger:innen, wie sie diese Zeit erlebt haben. Diesmal: Antje, 26, hat in den Niederlanden Agrarwissenschaft mit dem Schwerpunkt Milchviehhaltung studiert – und kehrte nach Studium und Auslandsaufenthalten zurück in ihr Heimatdorf, um sich in der Landwirtschaft selbstständig zu machen.
Alle bisherigen Folgen von »Mein erstes Jahr im Job« finden Sie auf unserer Serienseite. Sie haben Ihren Berufseinstieg selbst gerade hinter sich und möchten uns davon erzählen? Dann schreiben Sie uns an SPIEGEL-Start@spiegel.de.
»Als Kind habe ich viel auf dem Hof meiner Eltern gespielt, einem landwirtschaftlichen Betrieb mit 75 Milchkühen in Ostfriesland. Nach dem Abitur habe ich ein Auslandsjahr in Australien verbracht und dort auch in der Landwirtschaft gearbeitet. Zurück in Deutschland habe ich meine Eltern häufig bei der Arbeit unterstützt.
Den konkreten Plan, den Hof irgendwann zu übernehmen, hatte ich jedoch nicht. Ich war mir lange gar nicht sicher, ob ich das überhaupt wollte. Ich habe meine Eltern immer sehr hart arbeiten gesehen. Die Kosten in der Landwirtschaft werden immer höher, es gibt ständig neue Auflagen, aber die Milchpreise bleiben die gleichen. Meine Mutter musste nebenbei arbeiten, damit wir den Betrieb aufrechterhalten konnten. Ich bin dennoch eingestiegen – mit einer neuen Idee für unseren Hof.
Neue Perspektiven auf Landwirtschaft im Studium
Ich wollte immer irgendetwas mit Landwirtschaft machen, auch wenn ich nicht genau wusste, was. Also entschied ich mich nach dem Abitur, in den Niederlanden Agrarwissenschaft zu studieren. Im Studium spezialisierte ich mich auf die Milchviehhaltung. Ich konnte vieles ausprobieren. So absolvierte ich etwa ein Praktikum in Peru auf einem riesigen Betrieb mit 500 Milchkühen.
Ein weiteres Praktikum absolvierte ich in Österreich auf einer Alm, die nur 25 Milchkühe hält und auf Milchverarbeitung und Direktvermarktung setzt. Dort habe ich gemerkt, dass es auch anders geht. Man muss nicht unbedingt 120 Kühe melken und den ganzen Tag im Stall stehen. Man kann sich auch ein zweites Standbein aufbauen. Die Kombination aus der Arbeit mit den Kühen, der Milchverarbeitung und dem Umgang mit den Gästen hat mir sehr gut gefallen. Damals kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass dieses Konzept auch etwas für unseren Hof sein könnte.
Die Option, den Hof zu weiterzuführen, hielt ich mir immer offen. Doch zunächst versuchte ich während des Studiums, so viel wie möglich zu erleben, zu reisen und andere Betriebe kennenzulernen. Ich wollte noch alles mitnehmen, damit ich nachher beruhigt in den Job starten kann. Denn wir nehmen uns im Jahr höchstens eine Woche Urlaub, den Rest des Jahres arbeiten wir sieben Tage in der Woche.
75 Kühe gibt es auf dem Hof der Zents
Als ich mich entschied, auf den Hof nach Ostfriesland zurückzukehren, hatten meine Eltern gar nicht mehr damit gerechnet, glaube ich. Wir setzten uns dann zusammen und haben überlegt, wie wir den Hof zukünftig so weiterführen können, dass es wirtschaftlich ist. Meine Idee war es, ein zweites Standbein aufbauen, damit wir nicht nur abhängig von den Kühen und der Milch sind.
Mir war klar, dass es wirtschaftlich keine große Zukunft hat, diesen kleinen Betrieb weiterzuführen. Den Betrieb zu vergrößern, hat mich jedoch nicht so gereizt. Stattdessen wollte ich Landwirtschaft und Direktvermarktung kombinieren: eine Art Erlebnisbauernhof mit kleinem Hofladen, engen Kontakt mit den Konsument:innen und keine Geheimnisse bei der Produktion.
Der erste eigene Käse
Ich hatte schon meine Abschlussarbeit über die Chancen für Direktvermarktung in Ostfriesland geschrieben. Wie man Käse herstellt, hatte ich durch Praktika und Kurse in den Niederlanden gelernt. Und so wurde das alte Wohnhaus auf unserem Hof zur Käserei. Nachdem ich meinen Bachelor im Sommer 2020 abgeschlossen hatte, stürzten wir uns in die Umbauarbeiten. In meinem alten Kinderzimmer reift jetzt der Käse.
Ich war die treibende Kraft hinter der Käserei und dem Hofladen. Meine Eltern können mir zwar alle Fragen zur Milchviehhaltung beantworten, aber bei der Käseherstellung bin ich auf mich allein gestellt. Ich hatte als Einzige im Betrieb die Käsereikurse besucht, alles war also von meiner Leistung abhängig. Der Tag, an dem ich das erste Mal Käse hergestellt habe, war deshalb sehr spannend für mich. Im Endeffekt war alles nur halb so wild. Auch das erste Tasting mit unseren Nachbarn, den ersten unvoreingenommenen Gästen, lief glatt. Alle waren begeistert.
Antje Zents mit selbst hergestelltem Käse
Einmal in der Woche bin ich nun im Büro und mache die Buchführung. An zwei Tagen produziere ich Käse und an drei anderen stehe ich im Hofladen. Ansonsten findet man mich im Stall zwischen den Kühen – morgens und abends melken, füttern und die Ställe reinigen.
Meine Eltern helfen mir noch immer viel. Derzeit bin ich auf dem Hof vor allem für die Käseproduktion, -vermarktung und den Hofladen verantwortlich. Meine Mutter unterstützt mich im Laden, mein Vater kümmert sich um die Kühe. Natürlich habe ich Respekt vor dem Moment, wenn meine Eltern die Arbeit im Betrieb niederlegen. Aber ich bin sehr zuversichtlich, weil ich alle Abläufe ja schon kenne. Außerdem wird das nicht von einem Tag auf den anderen passieren, das wird sich langsam entwickeln. Man darf nicht immer zu viel nachdenken oder sich zu viele Sorgen machen.
Ich schaue mit einem sehr guten Gefühl in die Zukunft. Wir haben bereits Stammkundschaft, die jede Woche kommt und ihren Käse bei uns einkauft, vor allem junge Familien und Menschen im Alter 60 plus. Außerdem liefern wir an Restaurants, andere Hofläden und Markthändler.
Landwirt:in:
Den einen Weg in die Landwirtschaft gibt es nicht. Möglicher Einstieg sind etwa eine dreijährige duale Ausbildung zum:r Landwirt:in oder ein Studium der Agrarwissenschaft, welches durch Praxisphasen ergänzt werden sollte. Weil die Landwirtschaft immer komplexer und umfangreicher wird, rät Antje Zents zu einem Studium.
Wer wie sie aus einer Familie kommt, die bereits in der Landwirtschaft arbeitet, kann meistens leichter Fuß fassen. Ein Quereinstieg sei zwar möglich, jedoch mit viel Arbeit und finanziellen Hürden verbunden, so Zents' Einschätzung.
Auszubildende in der Landwirtschaft verdienen zwischen 600 Euro und 900 Euro im Monat. Häufig gehen davon jedoch noch Kosten für einen Schlafplatz und das Essen auf dem Hof ab. Als Angestellte:r in der Landwirtschaft verdient man monatlich durchschnittlich zwischen 2.400 und 2.500 Euro brutto.
Käser:in:
Um aus Milch Käse herstellen zu können, benötigt man eine Ausbildung in der Milchverarbeitung. Wer bereits in der Landwirtschaft tätig ist, kann man auch Weiterbildungen belegen, um die Herstellung von Käse zu erlernen. Die Bruttovergütung für Käser:innen hier zwischen 2.350 bis 2.750 Euro im Monat.
Wie viel Geld ich durch den Hofladen verdiene, kann ich noch nicht sagen. Das ist mein erstes Jahr als selbstständige Unternehmerin, und es gibt so viele unvorhergesehene Kosten.
Privatleben? Als Landwirtin eher nicht
Meine Eltern sind auch finanziell beteiligt. Ich zahle ihnen Miete für die Räumlichkeiten und kaufe ihre Milch. Für mich selbst nehme ich nur, was ich zum Leben brauche. Momentan habe ich sowieso keine Zeit, um Geld auszugeben.
Das ist die Kehrseite des Ganzen. Ich musste und muss für diesen Beruf einige Opfer im Privatleben bringen. Doch momentan bin ich mit meinem Kopf ohnehin nur beim Hofladen.
Durchschnittlich arbeite ich zwischen zehn und 15 Stunden am Tag. Mein Tag beginnt um 5.30 Uhr, dann stehe ich entweder in der Käserei oder im Stall, um die Kühe zu melken. Man muss das echt lieben, diese Art von Leben. Manchmal schockiert es mich, wenn ich darüber nachdenke, wie viele Stunden ich in der Woche arbeite. Aber wenn man es für das eigene Projekt macht, ist es etwas anderes, als wenn man irgendwo angestellt ist.«
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Berufseinstieg als Landwirtin und Käserin: »Manchmal schockiert es mich, wie viele Stunden ich in der Woche arbeite« - DER SPIEGEL
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