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Sunday, September 26, 2021

Reaktionen auf Bundestagswahl: Jubel, Frust und viele Fragezeichen | tagesschau.de - tagesschau.de

Stand: 26.09.2021 20:41 Uhr

Die Union muss ein historisch schlechtes Ergebnis erklären - die SPD hingegen jubelt. Die Grünen hatten sich mehr erhofft, die FDP freut sich über Zweistelligkeit. Die Linke bangt noch um den Einzug in den Bundestag, die AfD nennt ihr Ergebnis "solide".

Union und SPD liegen derzeit zwar quasi gleichauf mit jeweils etwa 25 Prozent der Stimmen, das Ergebnis wird aber höchst unterschiedlich aufgenommen: Im Konrad-Adenauer-Haus ist Bestürzung die vorherrschende Stimmung angesichts eines historischen Tiefstands der Union. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet zeigte sich in einem ersten Statement enttäuscht: "Mit dem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein." Trotzdem werde man alles daran setzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sprach im ARD-Wahlstudio von "bitteren Verlusten", die man nicht schönreden dürfe und die aufgearbeitet werden müssten. Trotz des schwachen Abschneidens will die Union laut Ziemak aber eine unionsgeführte Regierung ausloten. "Wir haben ein Credo in der Union: Erst das Land, dann die Partei", sagte er. Nach den ersten Zahlen gebe es eine Möglichkeit für eine "Zukunftskoalition" aus Union, Grünen und FDP. "Und deswegen muss man miteinander sprechen."

Jubel bei der SPD

Bei der SPD im Willy-Brandt-Haus wurde die erste Prognose mit Jubel quittiert. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz nannte das Ergebnis seiner Partei "einen großen Erfolg". "Viele Bürgerinnen und Bürger haben der SPD ihre Stimme gegeben, weil sie einen Wechsel in der Regierung wollen und weil sie wollen, dass der nächste Kanzler dieses Landes Olaf Scholz heißt", so Scholz. Diese Stimmen seien ein Auftrag, umzusetzen, wofür man im Wahlkampf geworben habe.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zeigte sich optimistisch. Es sei ein fulminanter Wahlkampf gewesen. "Die SPD ist zurück", so Klingbeil. "Ich bin mir sicher, am Ende des Abends werden wir weit vorn liegen."

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wertete das Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl als einen "grandiosen Erfolg". "Das ist ein Vertrauensbeweis der Bürgerinnen und Bürger für Olaf Scholz", sagte Heil im ARD-Wahlstudio.

Grüne: "Diesmal hat es noch nicht gereicht"

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock räumte in ihrer ersten Reaktion Fehler ein. Diese habe es in der Kampagne gegeben, aber auch bei ihr selbst. "Wir wollten mehr, das haben wir nicht erreicht", sagte sie bei der Wahlparty der Grünen. "Diesmal hat es noch nicht gereicht, aber wir haben einen Auftrag für die Zukunft", sagte Baerbock. Das Land brauche Erneuerung und Aufbruch und eine "Klimaregierung".

Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt äußerte sich zufrieden über das Abschneiden ihrer Partei. "Wir sind sehr froh darüber. Das war eine Generationenwahl. Auch wenn wir uns noch mehr erhofft hätten", sagte Göring-Eckardt im ARD-Wahlstudio. Man werde nun alles daran setzen, "in Verhandlungen, in die wir dann hoffentlich gehen, dafür zu sorgen, dass wir Klimaschutz und Gerechtigkeit in diesem Land mit einem echten Aufbruch verbinden". Die Grünen-Politikerin betonte: "Viele junge Leute hoffen darauf, und denen will ich sagen: 100 Prozent Energie dafür kann von uns erwartet werden." Auf eine mögliche Koalition legte sie sich nicht fest.

Freude bei der FDP

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sah in den Ergebnissen "die politische Mitte gestärkt und die Ränder geschwächt". Bürgerinnen und Bürger wollten eine Regierungsbildung aus der Mitte heraus. Das sei eine gute Botschaft für die Demokratie.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Wolfgang Kubicki, sagte im ARD-Wahlstudio, die Partei freue sich riesig. Er betonte: "Wir wollen mitregieren. Wir sind zu Gesprächen bereit." Die Präferenz für "Jamaika" sei offensichtlich, doch sei die Partei auch offen für andere Konstellationen. Mit der FDP müsse man rechnen.

Linke enttäuscht

Der Co-Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, sprach im ARD-Wahlstudio von einem enttäuschenden Abend. "Es gilt daraus Schlussfolgerungen zu ziehen", fügt er hinzu. Er gehe davon aus, dass die Linke im Bundestag weiter in Fraktionsstärke vertreten sein werde. Die Partei sei nicht mehr die Interessenvertretung Ostdeutschlands, auch wenn dies ihr Anspruch sei: "Die Zahlen sprechen da eine ganz klare Sprache."

Auch Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow nannte das Ergebnis einen "herben Schlag". Die Probleme in der Partei seien aber nicht im Wahlkampf entstanden, sondern in den vergangenen Jahren. Das müsse man aufarbeiten. Für Koalitionsgespräche stehe man aber weiterhin bereit. Man habe den Auftrag, "soziale Sicherheit in dieses Land zu bringen".

AfD: "Solides Ergebnis"

Die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel sieht sich durch das Ergebnis der Bundestagswahl in ihrem Kurs bestätigt. "Den ganzen Unkenrufen zum Trotz" sei ihre Partei diesen Sonntag nicht aus dem Bundestag herausgewählt worden, sondern habe "ein sehr solides Ergebnis eingefahren", sagte Weidel im ARD-Wahlstudio. Sie warf den Medien vor, den Wahlkampf beeinflusst zu haben. Mit-Spitzenkandidat Tino Chrupalla bezeichnete es als "sehr positiv", dass die CDU "abgestraft" worden sei.

Wirtschaftsverbände für schnelle Regierungsbildung

Wirtschaftsverbände warnten angesichts des engen Ausgangs bei der Bundestagswahl vor einer langen Regierungsbildung. "Es darf jetzt keine monatelange Hängepartie geben", sagte die Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae. "Wir brauchen schnellstmöglich eine Koalition für Klimaschutz und Energiewende. Egal welche Koalition es am Ende sein wird: Jede neue Regierung muss schnell ins Handeln kommen."

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte, das einzig klare Ergebnis der Bundestagswahl am Wahlabend sei, dass es viele Koalitionsmöglichkeiten gebe. "Das lässt leider befürchten, dass es Wochen dauern kann, bis Koalitionsverhandlungen zu einem Ergebnis führen." Genau das aber müsse vermieden werden, solle eine Erholung der Wirtschaft nicht abgebremst werden.

Für den Bundesverband mittelständische Wirtschaft sagte Bundesgeschäftsführer Markus Jerger, die Unternehmen bräuchten jetzt klare Perspektiven für ihre Investitionsentscheidungen. Man erwarte daher von den politisch Verantwortlichen, dass sie schnellstmöglich eine handlungsfähige neue Bundesregierung bilden. "Der Wirtschaftsstandort Deutschland verträgt angesichts schlechter Wirtschaftsdaten nicht noch einmal Koalitionsverhandlungen im Bummelzugtempo", so Jerger.

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