Patrick Dahlemann unterwegs in einer Plattenbausiedlung von Torgelow. Die vorpommersche Kleinstadt liegt gut dreieinhalb Autostunden entfernt vom Parlaments- und Regierungssitz Schwerin und gehört zu Dahlemanns Wahlkreis. Hier will der 33-jährige Sozialdemokrat sein Direktmandat verteidigen, das bei der vorigen Landtagswahl zum ersten Mal seit 1990 nicht an die CDU gegangen war.
"Hallo Frau Linde, guten Tag! Ich bin Herr Dahlemann, Ihr Landtagsabgeordneter von der SPD. Ein kleiner Gruß von der Ministerpräsidentin und mir. Am 26. September ist ja Landtagswahl. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie uns dabei unterstützen, dass wir das Land weiter in guten Händen behalten. Können wir uns da Hoffnungen machen?"
"Das werden wir machen. Also wählen gehen wir auf jeden Fall."
"Sehr schön."
"Ich denke mal, das ist mit dieser Wahl im Moment die Richtige."
(picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bernd Wüstneck)Kandidatinnen, Themen, Koalitionen - alles auf einen Blick
Am 26. September wird in Mecklenburg-Vorpommern ein neuer Landtag gewählt. Wer kandidiert, welche Themen spielen eine Rolle und welche Koalitionen erscheinen möglich? Ein Überblick.
"Ich glaube, jede Partei würde sich wünschen, eine so populäre und bekannte Spitzenkandidatin zu haben, genau mit 'Die Frau für MV' nach draußen zu gehen", sagt Patrick Dahlemann, während er die nächsten Türen abklingelt und kleine Papiertüten mit SPD-Gruß, Wahlprogramm und Einkaufschip hinterlässt.
Zwar ist auch er, der Parlamentarische Staatssekretär für Vorpommern, in seinem Wahlkreis mit vielen Plakaten und Aufstellern präsent. Doch die mehr als 200.000 Euro teure Kampagne der Landes-SPD ist vor allem auf Manuela Schwesig zugeschnitten. Das Motto: "Die Frau für MV".
Die SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und die Mecklenburg-Vorpommersche Ministerpräsidentin Manuela Schwesig im Wahlkampf in Rostock (imago / Chris Emil Janßen)
Zu lesen auf riesigen Plakataufstellern mit Schwesig-Porträt. Zu hören bei jeder ihrer Wahlkampfreden, in jedem ihrer Medienauftritte: "Seit vier Jahren setze ich mich ein für unser Land und die Menschen können sich darauf verlassen, dass ich immer für unser Land da bin. Als Frau für MV möchte ich unser Land weiter voranbringen. Gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern. Und dafür werbe ich um Unterstützung bis zum 26. September. Das sind jetzt gute Umfragen. Aber was wir brauchen, sind echte Stimmen für ein gutes Wahlergebnis."
Meck-Pomm: SPD in Umfragen bei 40 Prozent
Tatsächlich sieht es seit einigen Wochen danach aus, als könne die seit 1998 in der Schweriner Staatskanzlei tonangebende SPD nur noch daran scheitern, dass ihre Sympathisanten angesichts des riesigen Umfragevorsprungs auf das Wählengehen verzichten. Laut Infratest dimap gaben in der am Freitag (18.09.2021) veröffentlichten letzten Umfrage vor der Wahl 40 Prozent der Befragten an, am kommenden Sonntag SPD ankreuzen zu wollen - zehn Prozentpunkte über dem SPD-Wahlergebnis von 2016.
Es hilft der Landespartei, dass die Bundes-SPD samt Kanzlerkandidat dieses Mal den Trend nicht nach unten zieht. Vor allem aber verweist Manuela Schwesig unentwegt auf ihre Lieblingsprojekte der ablaufenden Wahlperiode: die beitragsfreie Kita-Betreuung, das größte Schulbauprogramm seit Bestehen des Landes, eine konsequent rigide Corona-Politik und die Tatsache, dass sie stets zur Fertigstellung der Erdgaspipeline Nord Stream 2 gestanden hat. Das komme bei vielen Bürgern gut an, meint dieser Rentner:
"Ich denke, dass die SPD hier auch wieder die Nase vorn hat. Vorne weg läuft die Frau Schwesig. Die macht das schon alles, und der Ministerpräsidentenbonus spielt da schon eine große Rolle. Und sie ist ja auch wirklich sehr dominant."
(picture alliance dpa-Zentralbild / Jens Büttner)Schwesig (SPD) fordert Klarheit bei der Impfung für Kinder
Manuela Schwesig (SPD) wünscht sich mehr Klarheit in Sachen Corona-Imfpung für Kinder. Durch die unterschiedlichen Äußerungen der STIKO und des Gesundheitsministers sei Verunsicherung entstanden, sagte die Ministerpräsidentin im Dlf.
Hingegen sieht dieser 51jährige Altenpfleger in seinem vorpommerschen Wahlkreis nicht die SPD vorn, sondern jene Partei, die in der Umfrage Ende August auf 17 Prozent kam und nun bei 15 Prozent steht:
"AfD. Eindeutig. Weil die SPD und CDU und PDS in den Jahren zuvor, die sie an der Regierung sind, noch nichts geschafft haben. Im Gegenteil: Es wird immer schlechter. Wo sollen die Leute denn Arbeit finden, und dann noch gut bezahlte Arbeit? Die Hotellerie, die jammern alle 'Wir finden keine Leute!'. Aber im Gegenzug werden die Leute, die da arbeiten, unterirdisch bezahlt. Und wenn ich dann eine Frau Schwesig im Wahlprogramm lese 'Gute Bezahlung, gerechte Löhne', dann frage ich mich, was sie die Jahre zuvor gemacht hat."
AfD-Fraktion geschrumpft
"Und? Haben Sie schon Ihre Wahlentscheidung getroffen?" Auch Nikolaus Kramer ist in diesen Wochen oft in Torgelow und Umgebung unterwegs, befestigt Plakate an Laternenpfähle, geht von Briefkasten zu Briefkasten, spricht Leute an. "Ich stecke Ihnen mal 'ne Wahlempfehlung in den Briefkasten rein. Alle vier Stimmen für die AfD - zwei für die Landtagswahl und zwei für die Bundestagswahl." - "Machen wir." - "Okay, alles Gute für Sie!"
Nikolaus Kramer ist AfD-Fraktionschef im Schweriner Landtag (IMAGO / BildFunkMV)
Der 44-jährige Landtagsfraktionschef kämpft im selben vorpommerschen Wahlkreis wie Patrick Dahlemann um das Direktmandat. Der beurlaubte Landespolizeibeamte ist parallel durch den Listenplatz 1 seiner Partei abgesichert, und wird sein Parlamentsbüro behalten dürfen, sofern die AfD die 5-Prozent-Hürde überspringt.
Bei ihrem ersten Anlauf 2016 schaffte die AfD das locker. Jede fünfte der abgegebenen Stimmen landet damals bei den Blauen. Die werden aus dem Stand heraus die zweitstärkste Kraft im Schweriner Landtag – hinter der SPD und vor der CDU und der Partei Die Linde. NPD und Grüne hingegen sind nicht mehr dabei.
Im Laufe der fünfjährigen Wahlperiode schrumpft die AfD-Fraktion. Ein Mitglied wird ausgeschlossen wegen kinderpornographischer und rechtsradikaler Umtriebe. Vier weitere, darunter der damalige Fraktionschef Bernhard Wildt, treten aus und gründen die Fraktion "Bürger für Mecklenburg-Vorpommern". Gründe? Zu wenig Interesse bei den AfD-Kollegen an Sacharbeit und zu stark das Vordringen radikaler Kräfte in der Landespartei, erinnert sich Bernhard Wildt:
"Was ich unter radikalen Kräften versteh', sind Menschen, die unser System, unser Land destabilisieren wollen. Die also gar nicht darauf aus sind, Probleme zu lösen. Sondern die sagen: 'Die Probleme können ruhig kumulieren. Das Ganze kann eskalieren. Dann kommt es irgendwann zum Zusammenbruch, und dann können wir nach der Macht greifen. Und die gibt es tatsächlich in der AfD. Die haben auch einige Stammtische übernommen, wo ganz offen sogar darüber geredet wird, man möchte das System nicht mehr stabilisieren. Und wo wir Vorwürfe bekommen haben, dass wir konstruktiv mitarbeiten wollen im Parlament, dass wir Lösungen suchen - das wäre gar nicht unsere Aufgabe."
Kein Interesse an Mitarbeit mit der AfD
Auch die anderen im Landtag vertretenen Parteien sind ausdrücklich nicht an einer konstruktiven Mitarbeit der AfD interessiert. Sie lehnen sich demonstrativ von den Rechten ab und lehnen ohne große Befassung ab, was immer an Anträgen von der AfD kommt.
Dennoch – oder gerade deswegen – steht die Chance laut Umfrage gut, dass diese Partei am 26. September abermals als die zweitstärkste politische Kraft aus der Landtagswahl hervorgehen wird. Auf die Frage eines NDR-Reporters, ob Leute ihn auf seinen Wahlkampftouren immer noch "in die Nazi-Ecke" stellen würden, antwortet Spitzenkandidat Nikolaus Kramer jedenfalls.
"2016 im Landtagswahlkampf ist das schon gelegentlich vorgekommen. Aber da hatte ich auch den Wahlkreis 1, also die Uni- und Studentenstadt Greifswald. Da bin ich öfter angefeindet worden. Das habe ich hier in diesem Wahlkreis noch gar nicht erlebt. Also keine ablehnende Haltung."
Dass der AfD-Fraktionschef seinen vorherigen Wahlkreis verlassen hat, hängt nach eigenem Bekunden damit zusammen, dass dort Michael Sack antritt und er dessen Wahlchancen nicht schmälern wolle. Michael Sack ist der Spitzenkandidat der CDU.
Ex-Kleinstadtbürgermeister soll die CDU erneuern
Rückblende: 8. August 2020, Güstrow. Der kommissarische CDU-Landeschef Eckardt Rehberg stellt Michael Sack eine Frage: "Nimmst du die Wahl an?" - "Ja, Eckard, sehr gern. Herzlichen Dank!" Damit hat der CDU-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern nach einer monatelangen Hängepartie wieder einen ordentlichen Vorsitzenden.
(Jens Büttner/dpa-Zentralbild)Michael Sack - der neue Mann an der Spitze der Nordost-CDU
Es galt als sicher, dass Philipp Amthor an die Spitze der CDU in Mecklenburg-Vorpommern rückt. Dann kamen die Lobbyismus-Vorwürfe gegen ihn und jetzt heißt der neue CDU-Vorsitzende im Nordosten Michael Sack. Er gilt als bodenständig.
Eigentlich wollte der junge Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor nach dem Posten greifen, musste sich aber wegen einer Berateraffäre von diesem Plan verabschieden. Nun soll mit Michael Sack ein studierter Bauingenieur, Ex-Kleinstadtbürgermeister und derzeitiger Landrat von Vorpommern-Greifswald die CDU erneuern. Die regiert das Land seit 2006 gemeinsam mit der SPD recht geräuscharm und hat es sich in der Rolle des gefügigen Juniorpartners gemütlich gemacht.
An diesem Augustabend setzt der frischgebackene CDU-Chef ein klare Ansage Richtung Schwerin ab: Ministerpräsidentin Schwesig müsse ihre Koffer packen. Im Deutschlandfunk erklärt er: "Ganz klar: Ich will Spitzenkandidat für die CDU in diesem Land Mecklenburg-Vorpommern werden und ich will in die Staatskanzlei! Das ist mein Wunsch."
Doch dann taucht der Spitzenkandidat ab und spielt fast ein Jahr lang freiwillig keine Rolle auf der landespolitischen Ebene. Erst im August – der Landtagswahlkampf ist bereits im Gange – beginnt er, durchs Land zu fahren und sich außerhalb seines Landkreises Vorpommern-Greifswald bekannt zu machen.
Michael Sack, Spitzenkandidat der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, im Wahlkampf (IMAGO / BildFunkMV)
CDU und SPD - kaum Unterschiede in der Sache
Anfang September – mit dem Umfrageschockergebnis von 14 Prozent CDU - kommt es vor den Kameras des Norddeutschen Rundfunks zu einem einstündigen TV-Duell zwischen Ministerpräsidentin Schwesig und Herausforderer Sack. Letzterer wirkt kompetent, eloquent und vertraut mit den Sorgen von Bürgern, Unternehmen und Kommunen. Doch nur einmal bietet er der Amtsinhaberin ordnungspolitisch Paroli, als er die von der SPD versprochene Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro pro Stunde als eine "politische Entscheidung an vollkommen falscher Stelle" bezeichnet.
"Denn es gibt eine Kommission, die über diesen Mindestlohn befindet. Die ist zusammengesetzt aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Die setzt sich zusammen, macht einen Vorschlag. Und dann ist hier eine Entscheidung, die für alle tragfähig ist. Es gibt eine Tarifautonomie in Deutschland, und da hat sich die Politik rauszuhalten."
Ansonsten offenbaren sich höchstens Unterschiede im Stil, aber kaum in der Sache. Das Problem: Ähnlich wie die CDU auf Bundesebene wirkt auch der Heimatlandesverband von Kanzlerin Merkel entkernt. Opportunistisch, sozialdemokratisiert und einem grünen Zeitgeist folgend, klagt zum Beispiel der 2015 in Greifswald gegründete "Konservative Kreis" der CDU.
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Auch Thomas Diener vom CDU-Kreisverband Mecklenburgische Seenplatte meint: "Ja, zum Teil ist der Markenkern schon ein bisschen verloren gegangen. Das hat natürlich Raum gegriffen für andere Parteien. Wir haben eine AfD-Wähler im Osten des Landes bei den Kommunalwahlen von bis 40 Prozent. Das muss man nicht mögen, aber davor kann man die Augen nicht verschließen."
Landwirte werden verprellt
Verprellt werde auch eine bislang verlässliche Stammwählergruppe – die Landwirte. Der Poeler Pflanzenzüchter Dietmar Brauer zum Beispiel kritisiert viele Landesverordnungen, Gesetze und Vorhaben als mehr ideologiegetrieben denn fachlich begründet. Dass die CDU da mitmache, enttäusche ihn besonders.
"Ich habe gelegentlich CDU-Abgeordneten gesagt, dass bei denen mehr Grüne sind als die Grünen Mitglieder haben, weil das nun eine gesellschaftliche Strömung ist und viel danach ausgerichtet wird und nicht mehr wissensbasiert und sachbezogen und auf wissenschaftlichen Grundlagen, wie es ich vor dreißig, vierzig Jahren nicht so wahrgenommen habe."
In der jüngsten Umfrage steht die CDU bei 15 Prozent Zustimmung.
Ortswechsel. "Wir sind etwas mehr als 1.100 Mitglieder landesweit. Und in Schwerin kämpfen wir gerade darum, hundert zu werden", sagt Constanze Oelrich, Co-Vorsitzende des Grünen-Kreisverbandes Schwerin. Die Juristin hatte schon einmal im Landtag zu tun: als Mitarbeiterin der ersten und bislang einzigen Grünen-Landtagsfraktion von 2011 bis 2016. Nun möchte sie als Abgeordnete dorthin zurückkehren und hat als Dritte auf der Landesliste der Grünen gute Chancen. Eigentlich.
Grüne nur noch bei sechs Prozent
Seit dem Umfragehoch von 14 Prozent Mitte April bewegt sich die Landespartei wieder auf die Fünfprozent-Hürde zu; laut der jüngsten infratest dimap-Umfrage wollen bei der Landtagswahl nur noch 6 Prozent der Befragten Grün wählen. Der zeitliche Zusammenhang zum Auf und Ab im Baerbock-Bundestrend ist unübersehbar und gefährlich für die Grünen, die es ausgerechnet im grünen Mecklenburg-Vorpommern seit je schwer hätten, sagt Constanze Oelrich.
Wobei: "Das ist kein MV-typisches Phänomen. Also die Grünen haben einfach grundsätzlich Schwierigkeiten, in Ostdeutschland in die Landtage einzuziehen. So, und wir sind die Partei, die sich in das Wahlprogramm geschrieben hat, dass wir wollen, dass Mecklenburg-Vorpommern bis 2035 klimaneutral ist. Und diese Diskussion um die "Moralkeule" oder um die "Verbotspartei Bündnis 90/Die Grünen" - das lenkt einfach unheimlich ab von den Themen, um die es eigentlich geht."
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Das findet auch Martin Mildner, der Grünen-Direktkandidat im mecklenburgischen Landkreis Ludwigslust-Parchim. Für sich rechnet er sich keine Siegchance aus. Er kämpfe vor allem um Zweitstimmen für seine Partei, denn die habe "das beste Programm für den Klimaschutz", so Martin Mildner.
Das Problem: "Mecklenburg-Vorpommern ist ja das Land mit einem sanften ökologischen Tourismus. Und deswegen ist die Wahrnehmung da: Hier ist doch schon alles grün im wahrsten Sinne des Wortes. Aber ich habe den Eindruck, dass bei vielen der Eindruck da ist: 'Jawohl, es gibt den Klimawandel.' Aber der Schritt, dann Grün zu wählen, der ist für viele trotzdem irgendwie schwierig. Ich höre auch immer die Spitzen von den Grünen als Verbotspartei, was ich nicht nachvollziehen kann. Ich glaube, schwierig ist bei uns in Mecklenburg vor allem, dass wir eine relativ alte Bevölkerungsstruktur haben und dass wir noch Schwierigkeiten haben damit durchzudringen, dass das für die nächste Generation ist, was man da macht. Dass es für die Kinder und Enkelkinder ist."
Vor allem die Landbevölkerung fühlt sich von Grünen-Politikern und -programmen eher bevormundet und belehrt als verstanden oder zumindest ernstgenommen, weiß Martin Mildner, der selbst in einem Dorf lebt.
Grünes MV-Spitzenduo weithin unbekannt
Hinzu kommt, dass auch Anne Shepley und Harald Terpe als das grüne MV-Spitzenduo weithin unbekannt sind. Die Rolle als Zugpferd sollte auch im Landtagswahlkampf vor allem die grüne Bundesprominenz spielen, allen voran Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Doch was die Leute von ihr mitbekommen, hilft den Grünen im Nordosten offenkundig nicht.
Harald Terpe (l-r) und Anne Shepley, Spitzenkandidaten von Bündnis 90/Die Grünen für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern mit der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (picture alliance / dpa-Zentralbild / Bernd Wüstneck)
Ein heikles Thema auch für Grünenkandidat Martin Mildner: "Tja, das ist natürlich schwierig. Aber ich mach das tatsächlich weniger an diesen Personalien auf Bundesebene fest. Also für mich war so ein Schlag in die Magengrube dieses Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt, wo die Grünen auch so relativ schlecht abgeschnitten haben. Das hoffe ich, dass das hier nicht wieder so passiert. Ich merke einfach, dass das Wahlergebnis einfach auch stark von taktischen Gedanken der Wähler geprägt ist. Dort ging es darum, die AfD nicht stärkste Kraft werden zu lassen, was im Nachhinein total unbegründet war."
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Tatsächlich wählten im Juni unerwartet viele Sachsen-Anhaltiner CDU – vermutlich genau aus diesem Grund. Das erinnerte an die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern vor fünf Jahren. Da hatten die SPD, aber auch die Linken und die Grünen quasi als wichtigstes Ziel ausgerufen, die AfD als stärkste Kraft im Landtag zu verhindern. Also setzte am Ende auch mancher Grünensympathisant sein Kreuz dann doch lieber bei der aussichtsreichsten Partei, der SPD. Den Grünen fehlten am Ende nur wenige tausend Stimmen.
Die Linke darf hoffen
Die Linke hingegen schaffte den Wiedereinzug und darf bei Umfragewerten von derzeit 10 Prozent darauf hoffen, weiterhin eine Rolle im Schweriner Landesparlament zu spielen. Im Gegensatz zu den meisten Mitbewerbern verfügt die Linke mit ihrer Fraktionschefin Simone Oldenburg über eine relativ bekannte Spitzenkandidatin. Sie hatte sich einen Namen als scharfe Kritikerin von Schwesigs anfänglicher Corona-Politik gemacht.
Vor allem aber ist die ehemalige Lehrerin aus Nordwestmecklenburg dafür bekannt, kaum ein gutes Haar an der Sozial- und der Bildungspolitik der SPD zu lassen – vor allem am Bildungsföderalismus mit unterschiedlichen Schultypen, Lehrinhalten, Standards.
Simone Oldenburg dieser Tage in einer NDR-Wahlsendung: "Wir haben natürlich ein Bildungssystem, das ist aus der Zeit der Postkutschen. Jedes Land hängt an der Bildung, weil es sehr wenige Themen gibt, die überhaupt noch Ländersache sind. Wir brauchen die gleichen Bildungsinhalte und Bildungsstrukturen zwischen Berlin und Hamburg und Wismar. Momentan haben wir in Mecklenburg-Vorpommern nicht einmal gleiche Inhalte, gleiche Strukturen zwischen Klütz und Dassow!"
Simone Oldenburg, Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern (IMAGO / Reiner Zensen)
Die Partei Die Linke leidet nach eigener Analyse vor allem an zwei strukturellen Problemen: Ihr sterben die Stammwähler weg, ohne dass neue, jüngere nachkommen. Und sie wird als etablierte Partei betrachtet und nicht mehr als unbequemer Stachel im Fleisch der Mächtigen.
In Mecklenburg-Vorpommern möchte Die Linke jedenfalls wieder mitregieren, am liebsten wie von 1998 bis 2006 mit der SPD und falls nötig unter Hinzunahme der Grünen. Für Letztere ist die Inbetriebnahme der Erdgaspipeline Nord Stream 2 neuerdings keine Hürde mehr für eine eventuelle Regierungsbeteiligung.
(AFP/Tobias SCHWARZ)Nord Stream 2 - Wie abhängig ist Deutschland von russischem Erdgas?
Deutschland und die USA haben ihren Streit um die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zwar beigelegt. Innerhalb der EU ist das Projekt, das Russland offshore mit Deutschland verbindet, jedoch weiter umstritten.
FDP mit berechtigten Aussichten
Und dann ist da noch eine Partei mit berechtigten Aussichten auf den Wiedereinzug ins Parlament: die FDP. Sie nimmt - ähnlich wie die AfD – eine kritische Haltung zu weiteren staatlichen Hilfen für die kriselnden MV-Werften ein.
Zu dem Themenpaket "Windkraft und deutschlandweit höchste Strompreise in Mecklenburg-Vorpommern" sagt Spitzenkandidat René Domke vorige Woche im NDR: "Uns geht es ja nicht darum, immer weiter auszubauen, auszubauen, auszubauen. Wir haben immer noch keine Lösung für die Speichertechnologien. Wir haben immer noch keine Trassen, mit denen wir die Energie dahin leiten, wo wir sie brauchen. Sondern wir haben teilweise Zeiten von Überproduktion, wo wir die Energie sogar teuer ableiten müssen. Und es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die Bürger in Mecklenburg-Vorpommern so sehr zur Kasse gebeten werden, obwohl wir hier erneuerbare Energien erzeugen."
FDP-Spitzenkandidat Renè Domke bei einer Wahlkampfveranstaltung in Rostock (IMAGO / BildFunkMV)
Die jüngste Umfrage sieht die FDP bei fünf Prozent. Ob René Domke aus Wismar und seine FDP-Mitstreiter also für die nächsten fünf Jahre im Schweriner Landtag zu tun haben werden, ist unsicher. Sollte die FDP die Fünf-Prozent-Hürde dieses Mal überwinden, könnte sie – genau wie im Bund – direkt das Zünglein an der Waage bei der Regierungsbildung werden. Dazu der Spitzenkandidat:
"Es geht nicht um jeden Preis. Es geht darum, dass wir starke politische Arbeit in den Landtag bringen wollen. Wenn man mit uns die Gespräche sucht, werden wir uns nicht verwehren, aber es geht nur über Inhalte, nicht über Posten. Das ist die Aussage."
SPD-Spitzenkandidatin Manuela Schwesig hält sich bedeckt und damit jegliche Machtoption offen. Auch die, weiterhin mit der CDU zu regieren. Nebeneffekt: Bei einem schlechten Wahlausgang für die CDU dürften deren künftige Kabinettsmitglieder noch handzahmer sein als jetzt schon. Es sei denn, Die Linke soll mit ins Boot. Das lehnt die CDU strikt ab.
Landtagswahl Mecklenburg-Vorpommern - Großer Vorsprung für die Landeschefin und viele Optionen - Deutschlandfunk
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