Frau Werner, erst kürzlich knackte die installierte Photovoltaikleistung in Schweden die 1 Gigawatt-Marke, ein wichtiger Meilenstein?
Ja, in jüngster Zeit kam trotz der Corona-Pandemie sehr viel Schwung in den schwedischen Solarmarkt. So war der Zubau von PV-Anlagen mit rund 22.000 im vergangenen Jahr weit größer als in jedem Jahr zuvor. Rund 66.000 PV-Anlagen waren in Schweden Ende 2020 installiert. Und dieses Jahr sehen wir ein noch stärkeres Wachstum. Von Anfang Januar bis Ende Juni wurden über 16.500 neue PV-Anlagen installiert, ein Plus von 35 Prozent gegenüber 2020. Wenn der Trend so anhält, rechnen wir in 2021 mit einem Zubau von rund 35.000 Solarstromanlagen, das entspricht einem Wachstum von 53 Prozent.
Helfen hierbei auch staatliche Förderprogramme?
Auf jeden Fall. Ein Förderprogramm, das eigentlich schon im vergangenen Jahr auslaufen sollte, wurde für 2021 für Unternehmen und Kommunen verlängert, die schon vor Juli 2020 Anträge gestellt hatten. Zudem profitieren private Hauseigentümer seit 1. Januar 2021 von einer Steuerreduzierung in Höhe von 14,55 Prozent für die Installationskosten von PV-Anlagen. Für Batterie-Heimspeicher gibt es sogar eine Steuerreduzierung in Höhe von 50 Prozent.
Gibt es auch Anreize für den Bau von Freiflächenanlagen? Sehen Sie hier Handlungsbedarf?
Bisher gibt es kaum Anreize für die Realisierung von Solarparks, wir haben im ganzen Land erst 24 PV-Freiflächenanlagen mit einer Leistung von mehr als 1 Megawatt Leistung. Zu schaffen machen uns hier vor allem die sehr aufwendigen und bürokratischen Genehmigungsverfahren für Solarparks in Südschweden durch die regionalen staatlichen Behörden. Bietet doch Südschweden besonders günstige Standortbedingungen wie ebene, unbewaldete Flächen, eine hohe solare Einstrahlung sowie eine geographische Nähe zu den Hauptstromverbrauchszentren des Landes. Aus diesen Aspekten heraus wäre es also sinnvoll, mehr Solarstrom auch mit Freiflächenanlagen in dem dichter besiedelten Südschweden zu produzieren, und wir würden auf diese Weise auch den Netzausbaubedarf für den Strom vom Norden in den Süden unseres Landes reduzieren. Auf der anderen Seite haben wir in Südschweden viele wertvolle landwirtschaftliche Flächen mit einer hohen Bedeutung für die nationale Nahrungsmittelproduktion. Wir sehen dies. Doch ist die verstärkte klimaneutrale Solarstromproduktion genauso im nationalen Interesse wie die landwirtschaftliche Produktion. Nötig wäre jedenfalls auch mehr Transparenz im Genehmigungsprozess für PV-Freiflächenanlagen, beispielsweise über öffentliche zugängliche Karten, in welchen geeignete Flächen ausgewiesen sind.
Könnte hier denn die doppelte Landnutzung über die Agri-PV eine Lösung bieten?
Wir sehen hierin ein hohes Potenzial, vor allem in vertikalen Systemen mit bifazialen Modulen, weil ja die Sonne im Norden Schwedens oft niedrig steht und wir häufig Schnee – mit reflektierender Lichtwirkung – haben. Doch bieten auch klassische Solarparks Möglichkeiten für einen Ausgleich mit landwirtschaftlichen Interessen, beispielsweise über die Beweidung oder die Förderung der Biodiversität, dies gilt es noch viel intensiver zu kommunizieren.
Wie stehen denn die Landwirte zu PV-Freiflächenanlagen?
Viele Landwirte in Südschweden wollen auf ihren Flächen nicht nur Tomaten, sondern auch Solarstrom ernten. Doch die Position der großen Agrarverbände ist bisher nicht ganz eindeutig. Sie sollten sich nun auch dafür stark machen, dass nicht nur die Nahrungsmittelproduktion, sondern auch solare und erneuerbare Energieerzeugung als nationales Interesse definiert wird.
Wie stehen Sie zu “Floating PV” als eine weitere Möglichkeit zur Minimierung der Flächenkonkurrenz mit der Landwirtschaft?
Wir haben bisher keine schwimmenden PV-Anlagen in Schweden realisiert. Doch sehe ich auf jeden Fall ein hohes Potential, wir haben genügend geeignete große Seen.
Und wäre es nicht auch sinnvoll, mehr Photovoltaik auf große Gewerbedächer zu bringen?
Ja, auf alle Fälle! Es gibt schon auch gewisse Anreize hierfür, doch müsste weit mehr passieren und wir bräuchten einige regulatorische Anpassungen. So gelten derzeit für Anlagen, die größer als 500 Kilowatt sind, hohe Steuern auf den Eigenverbrauch, und es ist auch nur in Ausnahmefällen möglich, den Eigenstrom von Anlagen auf miteinander verbundenen Dachflächen zu nutzen. Diese Regelungen sollten dringend geändert bzw. gestrichen werden.
Das Interview führte Hans-Christoph Neidlein.
Viele Landwirte wollen auch Solarstrom ernten - energiezukunft | Nachrichten, Meinungen, Hintergründe
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