Nach der blamablen Nichtzulassung der Landesliste im Saarland will niemand Verantwortung übernehmen. Dabei haben viele Grüne Fehler gemacht.
Viel peinlicher geht es kaum: Eine Partei, die das Kanzleramt erobern und das Land führen will, schafft es nicht einmal bundesweit auf allen Stimmzetteln aufzutauchen. Selbst Kleinparteien wie ÖDP, Volt und die Satirepartei die PARTEI sind in allen 16 Bundesländern auf dem Wahlzettel. Doch die Grünen, selbst ernannter "Underdog" für die Regierungsführung, sind für rund 700.000 Wahlberechtigte im Saarland nicht wählbar.
Die endgültige Entscheidung des Bundeswahlausschuss vom Donnerstag ist für die Partei ein Fiasko. Gerade hatte die Partei mit inhaltlichen Aufschlägen zum Klima- und Katastrophenschutz punkten können. Nach Wochen, in denen fast nur noch über die Patzer ihrer Kanzlerkandidatin gesprochen worden war, waren die Grünen in den Umfragen endlich wieder gestiegen.
Und nun beraubt sie sich selbst der Stimmen und mindestens einem sicheren Sitz im Bundestag. Im Saarland wird der Wahlkampf ohne die Grünen stattfinden. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und Co-Parteichef Robert Habeck hatten schon vor dem Debakel keinen ihrer rund 100 Auftritte im Saarland geplant. Vermutlich wird es nicht einmal Wahlplakate geben.
Noch schwerer als die verlorenen Stimmen wird das verheerende Signal wiegen. Die Häme haben die Grünen gebucht - und das zurecht. Dieses Mal sind es keine Nebensächlichkeiten im Lebenslauf und keine Geografieschwächen der Kanzlerkandidatin. Dieses Mal ist es kollektives Irrlichtern.
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Zwar mühte sich der Bundesvorstand um Bundesgeschäftsführer Michael Kellner prompt darum, die Verantwortung auf den heillos zerstrittenen Landesverband abzuschieben. Tatsächlich ist das Klima unter den Grünen im Saarland verpestet. Nicht zufällig ist die Partei hier aus dem Landtag geflogen. Intrigen werden gesponnen, Pöstchen verteilt, Mehrheiten geschoben. Der kleine Landesverband, mit auffällig niedrigen Mitgliederbeiträgen, gilt als abgekapselt.
Doch zur Wahrheit gehört auch, dass der Druck, den der Bundesvorstand auf die Parteifreunde im Saarland ausgeübt haben, alles nur noch schlimmer gemacht hat. Baerbock hatte die erste Listenaufstellung heftig kritisiert und ihren Bundesgeschäftsführer vorgeschickt. Mehrfach hat sich Kellner in den vergangenen Wochen eingemischt, böse Mails geschrieben, telefoniert und schließlich sogar mit Amtsenthebung des Landesvorstands gedroht. Seinen Job als Bundesgeschäftsführer, die Wogen zu glätten und die Dinge in Ordnung zu bringen, hat er nicht gemacht.
Bundesschiedsgericht mit seltsamen Demokratieverständnis
Im Ergebnis wurde eine erste Landesliste mit dem Ex-Landesvorsitzenden Hubert Ulrich, die dem Bundesvorstand nicht gepasst hatte, nicht eingereicht. Eine zweite Landesliste wurde nach einer Entscheidung des Bundesschiedsgerichts ohne ein Drittel der Grünen-Delegierten gewählt. Ein seltsames Demokratieverständnis.
Das trifft nicht nur die Saarländer Grünen, Kellner und Baerbock, die im Tagesspiegel-Interview bereits vor Tagen alle Verantwortung empört von sich wies. Auch ein Grünen-Politiker im Hintergrund sollte sich kritisch hinterfragen: Hartmut Geil, Vorsitzende des Bundesschiedsgericht der Grünen.
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Unter seiner Leitung entschied das Gremium, die 49 Delegierten aus Saarlouis von der zweiten Listenaufstellung auszuschließen. Ein hartes Urteil, das den Grünen letztlich zum Verhängnis wurde - was Geil live miterlebte. Er sitzt seit mehr als einem Jahrzehnt für die Grünen im Bundeswahlausschuss, nahm an der Diskussion und Entscheidung am Donnerstag aus Befangenheit jedoch nicht teil. Nach der Entscheidung wollte er sich nicht äußern, doch andere Mitglieder des Bundeswahlausschusses konnten ihre Verwunderung kaum zurückhalten. "Einem Bundesausschuss-Vollprofi wie ihm darf das nicht passieren", sagte ein Mitglied später.
Am Ende bleibt für die Grünen der Spott und für die Wählerinnen und Wählern im Saarland der Schaden. Ihnen wurde eine Wahl genommen.
Grüne stehen im Saarland nicht auf dem Wahlzettel: Zu viele Fehler und ein kollektives Irrlichtern schaden der Gesamtpartei - Tagesspiegel
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