Stand: 07.05.2021 07:01 Uhr
Es ist einer der tödlichsten Polizeieinsätze, die es in Rio de Janeiro je gegeben hat: Mindestens 25 Menschen sind beim Vorgehen der Polizei gegen ein Drogenkartell in einer Favela getötet worden. Menschenrechtler kritisieren den Einsatz.
Bei einem Polizeieinsatz in der brasilianischen Millionenstadt Rio de Janeiro sind mindestens 25 Menschen getötet und mehrere weitere verletzt worden. Es kam zu heftigen Gefechten zwischen Polizisten und mutmaßlichen Mitgliedern von Drogenbanden in der Favela Jacarezinho, als sie gegen diese vorgingen, berichtete das Nachrichtenportal "G1". Nach Angaben der Polizei handelt es sich bei den Toten um 24 Verdächtige und einen Beamten der Anti-Drogen-Einheit.
Die Favela Jacarezinho gilt als einer der Stützpunkte des "Comando Vermelho" (Rotes Kommando) im Norden Rios, den dieses unter anderem mit Barrikaden schützt. Mächtige Verbrechersyndikate wie das "Comando Vermelho" und eine Reihe kleinerer Banden ringen in den Armenvierteln um die Kontrolle von Drogenhandel und Schutzgeldgeschäft.
Anwohner luden in den sozialen Medien Videos von Explosionen und Schusswechseln hoch. Viele konnten während des Einsatzes stundenlang ihre Häuser nicht verlassen. Eine Klinik musste geschlossen bleiben.
"Katastrophaler Einsatz"
Nach Angaben von "G1", das Informationen der staatlichen Universität UFF und der App "Fogo Cruzado" (Kreuzfeuer) auswertete, die Daten über bewaffnete Gewalt sammelt, war dies die Polizei-Operation mit den meisten Toten in der Geschichte Rio de Janeiros. "Man kann das nur als einen katastrophalen Einsatz bezeichnen", sagte der Soziologe Daniel Hirata von der UFF.
Auch Menschenrechtsaktivisten kritisierten den Einsatz als unverhältnismäßig und rassistisch: "Wer sind die Toten? Junge Schwarze. Deswegen spricht die Polizei von '24 Verdächtigen'", sagte die Leiterin des Netzwerks der Beobachtungsstellen für öffentliche Sicherheit an der Universität Candido Mendes, Silvia Ramos. Die Behörden würden "Leichen anhäufen" und ständig sagen: "Das sind Kriminelle."
Die Polizei gab an, die Beamten hätten sich an alle Einsatzregeln gehalten, bevor sie das Feuer eröffneten.
Menschenrechtler kritisierten den Einsatz als "katastrophal". Die Polizei verteidigte ihn hingegen: Die Beamten hätten sich an alle Einsatzregeln gehalten. Bild: AP
5804 Tote bei Polizeieinsätzen in einem Jahr
In keinem anderen Land der Welt kommen so viele Menschen bei Polizeieinsätzen ums Leben wie in Brasilien. Im Jahr 2019 waren es 5804 Menschen, wie aus einem Gewaltmonitor hervorgeht, der von "G1", dem Brasilianischen Forum für öffentliche Sicherheit und der Universität von São Paulo betrieben wird. In den USA erschossen Polizisten im Jahr 2019 demnach 1098 Menschen, in Deutschland kamen 14 Personen bei Polizeieinsätzen ums Leben.
Die Verhältnisse sowie die Arbeitsbedingungen der Polizei in Europa lassen sich nicht mit denen in Brasilien vergleichen: Viele Armenviertel werden von schwer bewaffneten Drogenbanden kontrolliert. Rückt die Polizei in den Favelas ein, um einen Haftbefehl zu vollstrecken oder nach Rauschgift zu suchen, wird sie nicht selten mit Salven aus Sturmgewehren empfangen. Die Operationen in den Ganglands von Rio de Janeiro und São Paulo gleichen eher Militäreinsätzen als Polizeimaßnahmen. Menschenrechtsaktivisten werfen Polizei und Streitkräften allerdings vor, mit übertriebener Härte vorzugehen.
Brasilien: Viele Tote bei Polizeieinsatz | tagesschau.de - tagesschau.de
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