Solinger Muslime müssen wegen der Pandemie auf das soziale Miteinander während des Fastenmonats verzichten.
Von Kristin Dowe
Solingen. Eine große Digitaluhr im farbenprächtigen Gebetsraum der Moschee an der Kasernenstraße zeigt an, wann die Sonne in der Klingenstadt das nächste Mal unter- und aufgeht – Letzteres in dieser Jahreszeit meistens zwischen vier und fünf Uhr morgens. Dann frühstücken die gläubigen Muslime reichlich, um für den Fastentag bis zum Sonnenuntergang gut gestärkt zu sein, denn in dieser Zeit dürfen sie nicht essen und trinken.
Vor der Pandemie herrschte hier, in den Räumen der Ditib-Gemeinde in der Stadtmitte, während des heiligen Fastenmonats im Islam immer rege Betriebsamkeit, erinnert sich Ayse Borlucaoglu vom Frauenvorstand der Ditib. „Wir haben dann jeden Tag für viele Menschen gekocht und es wurde auch gemeinsam vor Ort gegessen. Das geht jetzt natürlich nicht.“
Für Bedürftige und speziell für Geflüchtete kocht die Gemeinde in diesen Wochen dennoch – die Gerichte müssen allerdings vor Ort abgeholt werden. Gelebte Barmherzigkeit sei ein wesentlicher Gedanke während des Ramadans, ergänzt die stellvertretende Vorsitzende Keziban Altay: „Im Ramadan geht es darum, sich in Menschen hineinzuversetzen, die nicht so viel haben und die Perspektive zu wechseln. Das Ziel ist dabei, das eigene Ego einmal zu bändigen.“
„Gerade jetzt sitzt die ganze Welt in einem Boot.“
Ein Höhepunkt des Tages während des Ramadans ist das spätabendliche Fastenbrechen nach Sonnenuntergang, wenn normalerweise Freunde und Familie gesellig zusammenkommen. „Das Schöne ist dann, in der Gemeinschaft die Spiritualität dieser besonderen Zeit erleben zu können“, so Altay. „Es ist natürlich traurig, dass diese Gemeinschaftlichkeit im Moment ein wenig verloren geht.“
Derweil legt die Gemeinde größten Wert darauf, dass die Schutzbestimmungen während der Pandemie eingehalten werden und appelliert unter anderem in den sozialen Medien an ihre Mitglieder, auf Familienbesuche und Treffen zu verzichten – auch wenn es schwerfällt. Während früher im Gebetsraum bis zu 120 Personen dicht gedrängt beieinander saßen, sind es jetzt maximal 20 Muslime, die dort zu den Gebetszeiten mit viel Abstand und Maskengebot zusammenkommen. Wegen der Hygienevorschriften muss jeder Gläubige zudem seinen eigenen Gebetsteppich mitbringen.
So wird Keziban Altay etwas wehmütig, wenn sie an frühere Veranstaltungen zum Fastenbrechen auf dem Graf-Wilhelm-Platz zurückdenkt; die Ditib hatte diese früher gemeinsam mit der Stadt organisiert. Muslime und Nicht-Muslime seien dabei zusammengekommen, es habe Raum gegeben, einander besser kennenzulernen und ins Gespräch zu kommen. „Solche Gelegenheiten gibt es leider viel zu wenig. Wir müssen mehr voneinander wissen“, wünscht sich Keziban Altay. Andererseits habe die Pandemie trotz ihres Schreckens auch etwas Verbindendes, da alle Kulturen und Nationen weltweit vor den gleichen Problemen stünden. „Gerade jetzt sitzt die ganze Welt in einem Boot.“
Der Ramadan endet mit dem Zuckerfest, das am Abend des 12. Mais beginnt und am Abend des 13. Mais endet und in diesem Jahr ebenfalls nur im engsten Familienkreis stattfinden darf. Vergleichbar mit dem christlichen Weihnachtsfest bekommen die Kinder üblicherweise Geschenke und die Familien kommen zusammen. Vor allem die älteren Menschen erhielten normalerweise Besuch – an sie soll beim Zuckerfest in besonderer Weise gedacht werden, erklärt Altay. „Wir haben die Hoffnung, dass all dies im nächsten Jahr wieder möglich sein wird.“
Gebetsruf
Der Kreis Solinger Muslime hat bei der Stadt beantragt, während des Ramadans einen öffentlichen Gebetsruf in den Moscheegemeinden zu ermöglichen. Dies genehmigte die Stadt, „um den Gemeinden in Solingen Trost zu spenden“, heißt es. Es habe bislang keine Verstöße gegen die Maßnahmen gegeben. Der Gebetsruf werde freitags zum Mittagsgebet während der Fastenzeit ertönen. Helfer in den Gemeinden sollen dafür sorgen, dass Menschenansammlungen vermieden werden.
Viele Einschränkungen beim Ramadan - solinger-tageblatt.de
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