Über Quarantäne muss man Niklas Stark (26) nichts mehr erzählen. Er ist derzeit in seiner dritten - und die vierte kommt. Herthas intensives Saisonfinale sieht der Abwehrchef wie ein WM- oder EM-Turnier. Die widrigen Umstände dreht er ins Positive und sagt: "Wir können etwas Großes erreichen."
Herthas Abwehrchef Niklas Stark will "es denen zu zeigen, die nicht an uns glauben". imago images
Mitte März 2020 musste Hertha BSC wegen der COVID-19-Erkrankung von Maximilian Mittelstädt komplett in die häusliche Quarantäne. Im April 2020 traf es Niklas Stark erneut - als Kontaktperson eines Infizierten ging es für ihn und Marius Wolf seinerzeit abermals in die Isolation. Seit dem vorigen Donnerstag, als Hertha vier Corona-Fälle vermeldete, ist erneut das ganze Team in Heim-Arbeit. Am 30. April darf die Mannschaft von Pal Dardai wieder auf den Trainingsplatz, am 3. Mai kehrt der akut abstiegsbedrohte Hauptstadt-Klub mit der Partie in Mainz in den Spielbetrieb zurück - mit Stark, der bislang kein Saisonspiel verpasst hat, als Leistungsträger. Am Freitag sprach der deutsche Nationalspieler in einer digitalen Medienrunde über ...
... den Quarantäne-Alltag: "Es ist meine dritte Quarantäne. Jede ist ein bisschen anders, aber es ist nie schön. Man versucht, in der Quarantäne seinen Rhythmus beizubehalten: zur gleichen Zeit aufstehen, sich gut ernähren, in der Vor- und Nachbereitung des Trainings die gleichen Sachen machen - damit man so fit wie möglich ist, wenn man rauskommt. Und wir werden da gut rauskommen."
"Es ist auf gar keinen Fall Urlaub"
... das Cybertraining: "Henrik Kuchno (Herthas Athletiktrainer, d. Red.) macht es sehr gut. Er hört auf uns, wenn wir Sachen anzumerken haben. Teilweise ist es sehr anstrengend, teilweise ist es schwierig, in der Quarantäne die Motivation zu bekommen. Mit dem normalen Training auf dem Platz kann man es nicht vergleichen. Wir haben die langen Meter nicht, wir können keine großen Schritte machen. Ich habe meine Wohnung umdisponiert, damit ich längere Läufe machen kann. Wir versuchen, so nah wie möglich an das Training draußen heranzukommen. Es ist auf gar keinen Fall Urlaub, was wir hier machen - mit Rumliegen, bis 10 Uhr schlafen und abends eine Flasche Wein reinpfeffern. So ist es nicht. Wir versuchen, so gut wie möglich rauszukommen. Da ist jeder gefragt, nochmal einen Tick mehr zu machen als sonst. Es ist schwer, in einer Quarantäne die schnellen, kleinen Sachen zu machen, die man im Fußball braucht: seitliche Bewegungen, Sprints. Da sind wir jetzt dran. Die Ausdauer verliert man nicht allzu schnell."
... taktische Inhalte: "Es ist schwieriger, taktisch zu arbeiten, wenn man es nicht auf dem Platz vor sich sieht. Wir haben Aufgaben bekommen, die kommenden Gegner anzuschauen, uns Gedanken zu machen und ein paar Sätze niederzuschreiben, damit wir vorbereitet sind."
... den Moment, als die Teamquarantäne angeordnet wurde: "Wir wussten: Wenn Platte (Marvin Plattenhardt, d. Red.) auch noch positiv ist, dann wird's wahrscheinlich darauf hinauslaufen. Jeder hatte sich das ausgemalt, was das für uns bedeutet. Man konnte sich ein bisschen darauf einstellen. Aber als es dann feststand, war es für uns alle relativ beschissen."
... sechs Spiele in 20 Tagen: "Wir wissen, was vor uns liegt. Natürlich ist das ein straffes Programm. Es haben aber schon andere Mannschaften auch geschafft, so ein Programm zu bewältigen. Die Top-Klubs haben das über eine längere Zeit als wir."
... den aktuellen Gemütszustand: "Man sieht die anderen spielen, kämpfen und Punkte holen, und selbst sitzt man zu Hause rum und kann nicht aktiv dagegen was machen. Das ist schon sehr blöd. Wir können versuchen, so fit wie möglich zu sein, aber es ist etwas anderes, wenn man auf dem Platz steht."
"Wir haben die Chance, es denen zu zeigen, die nicht an uns glauben"
... die Ausgangslage: "Wir nehmen alles Positive auf, was geht. Ich sehe es auch als Chance, dass alle in die Köpfe reinbekommen, dass wir jetzt etwas Großes erreichen können. Viele haben uns schon abgeschrieben und sehen uns schon als Absteiger. Das sehen wir auf jeden Fall anders. Wir haben jetzt die Chance, uns zusammenzuraffen und es denen zu zeigen, die nicht an uns glauben. So etwas kann eine Mannschaft noch mehr zusammenschweißen. Wir spielen alle drei Tage, das ist fast wie eine Turnierform über Wochen hinweg, eine WM oder EM. Wir haben in der Mannschaft Jungs, die solche Turniere schon gespielt haben. Und einer hat das Ding sogar gewonnen (Sami Khedira, Weltmeister 2014, d. Red.). Wir sind also gut gewappnet. Ich habe auch schon U-Turniere gespielt. Sami hat da die beste und meiste Erfahrung. Es gibt kein Rezept, das er uns mitgibt. Aber er wird ein sehr wichtiger Bestandteil des Projekts sein. Seine Erfahrung wird uns sehr gut tun in den letzten Spielen."
... den Teamgeist: "Wir sind die ganze Zeit im Austausch und haben eine Chat-Gruppe aufgemacht, in der wir reinschreiben, was nur für die Mannschaft gedacht ist. Wir versuchen, Kontakt zu halten. Sonst sieht man sich jeden Tag, jetzt ist es schwieriger. Die Gespräche haben mehr Fokus, man fragt, wie's dem anderen geht. Wir versuchen auch, Events auf die Beine zu stellen, da sind wir dran, zum Beispiel abends gemeinsam FIFA an der Konsole zocken. Wir wollen den Teamspirit aufrechterhalten. Wir sind in einer schwierigen Situation, aber wir haben jetzt Zeit, das Ganze vom Kopf her nochmal aufzubauen und dann in die entscheidende Phase zu gehen."
"Es ist ein Turniermodus, und danach ist es vorbei"
... Rotation im Saison-Finale: "Wir brauchen jeden Mann, das ist klar. Man weiß nie, was passiert. Du brauchst eine Achse, die die meisten Spiele macht. Es ist ein Turniermodus, und danach ist es vorbei. Zwei verschiedene Elfer-Mannschaften, so wird es nicht sein. Du brauchst eine Achse, und die kann man dann jeweils ein bisschen verstellen. Wir werden sehen, wer fit ist und wer Probleme hat."
... die von der DFL beschlossenen zweistufigen Quarantäne-Maßnahmen für die letzten drei Spieltage - seine vierte Quarantäne: "Als ich's das erste Mal gelesen habe, musste ich schon etwas schmunzeln und dachte: Das kann nicht wahr sein. Aber beim längeren Überlegen hab' ich mir gedacht, wir sind sowieso nicht oft zu Hause, wenn wir alle drei Tage spielen. Da sind sowieso Hotel und Training an der Tagesordnung. Das kann der Bundesliga helfen, alle Spiele durchzubekommen. In unserer Situation seh' ich das nicht so dramatisch, weil wir sowieso die ganze Zeit spielen."
... seine EM-Chancen: "Das ist eine Sache, die irgendwo im Hinterkopf, aber jetzt erstmal zweitrangig ist. Wir haben ein toughes Programm und eine Aufgabe, die meine ganze Konzentration benötigt. Alles andere kommt nach der Saison."
Stark: "Viele haben uns schon abgeschrieben" - kicker
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