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Friday, January 5, 2024

So viele Bürgergeld-Empfänger verweigern jedes Jahr eine Arbeit - Merkur.de

Arbeitsminister Heil will Bürgergeld-Empfänger, die eine Arbeit ablehnen, künftig härter bestrafen. Und auch die CDU fordert einen härteren Umgang mit Arbeitslosen. Was sagen aber die Daten?

Berlin – Im Jahr 2023 haben nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 3,9 Millionen Menschen Bürgergeld bezogen. Ein Teil davon gilt als nicht erwerbsfähig, rund 1,9 Millionen von ihnen. Doch über den Rest dieser Gruppe wird seit Wochen und Monaten heftig diskutiert. Besonders seitdem beschlossen wurde, dass das Bürgergeld ab 2024 nochmal erhöht werden wird, streiten sich Politiker in Deutschland darüber, ob sich Arbeit überhaupt noch lohnt. Und tatsächlich bemängeln auch Ökonomen bestimmte Aspekte des Sozialsystems, das teilweise schlechte Arbeitsanreize setzt und Menschen von Arbeit abhält. Auch die vielen Geflüchteten aus der Ukraine, die noch nicht in Arbeit sind und Bürgergeld erhalten, sorgen zunehmend für Kritik.

Die Opposition fordert daher einen härteren Umgang mit diesen vermeintlich „Faulen“. Und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will einem neuen Gesetzesentwurf zufolge sogar Leistungskürzungen für Personen, die die Aufnahme einer Arbeit ablehnen. Doch um wie viele Menschen geht es hier überhaupt? Wer eine Arbeit ablehnt, wird schon jetzt sanktioniert, weshalb wir wissen können, wie oft das vorkommt.

Bürgergeld seit 2023 – Daten fehlen für ein Gesamtbild

Genau diese Daten sammelt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Sie wurden Ippen.Media für diese Analyse zur Verfügung gestellt. Daraus lässt sich recht detailliert ablesen, in wie vielen Fällen das Bürgergeld gekürzt werden musste, und aus welchem Grund.

Für die Jahre 2022 und 2023 gibt es nur bruchstückhaft Daten. Denn: Ab dem 1. Juli 2022 bis zur vollständigen Einführung des neuen Bürgergelds gab es ein Sanktionsmoratorium, also: Es gab eine Zeit lang nur sehr wenige Leistungskürzungen, um die Jobcenter bei der Einführung des neuen Systems zu entlasten. Die Ablehnung eines Jobangebots wurde in diesem Zeitraum nicht bestraft, genauso wie die meisten anderen Pflichtverletzungen. Für die Jahre 2022 und 2023 gibt es also nur für einzelne Monate Daten – für alle anderen Jahre gibt es dann Jahresdaten.

Jobcenter

Erste wichtige Erkenntnis also: Es ist noch gar nicht möglich, sich ein umfassendes Bild über das Bürgergeld im Vergleich zu Hartz IV zu machen. Darüber gibt es einfach noch keine verlässlichen Informationen – das bestätigte ein Arbeitsmarktforscher des IAB nochmal auf Nachfrage. „Es hat viel Unruhe in den letzten Jahren gegeben, und das zeigt sich leider auch in der Statistik“, so seine Aussage.

27 Prozent der Leistungskürzungen aufgrund von Arbeitsverweigerung

Blicken wir also auf die Jahre mit verlässlichen Zahlen. Im Jahr 2021 wurden 52.174 Fälle von Leistungskürzungen aufgrund von „Weigerung der Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses“ verzeichnet. Das entsprach knapp 27 Prozent aller Leistungskürzungen in dem Jahr, zahlenmäßig war das aber ein deutlicher Rückgang.

In den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 wurden jeweils zwischen 5245 und 3712 Fälle im Monat erfasst. In den Monaten Juni, Juli und August 2023 waren es pro Monat um die 2000 Fälle.

Seit 2007 mussten die Jobcenter kontinuierlich immer seltener die Leistungen kürzen, weil jemand einer Arbeit nicht (mehr) nachgehen wollte. Während damals noch 183.430 Kürzungen aufgrund von Arbeitsverweigerung vorgenommen wurden, waren es im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 nur noch 82.891. Im Jahr 2020 verzeichnen die Daten einen Einbruch auf nur noch 18.392 Fälle, was nach Angaben des IAB aber damit zusammenhängt, dass die Jobcenter im Corona-Jahr viele Termine, die sonst immer in Person stattfanden, absagen musste. Das verzerrt natürlich das Gesamtbild.

Die zweite wichtige Erkenntnis also: Immer weniger Arbeitslose müssen wegen Arbeitsverweigerung sanktioniert werden. Dieser Trend gilt seit 2007 ungebrochen. Zwischen 2007 und 2016 ist auch die Zahl der Arbeitslosen kontinuierlich zurückgegangen, wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht.

Sehr wenige Menschen lehnen einen Job wirklich ab

Was die Analyse etwas schwieriger macht: In der IAB-Statistik werden nur Fälle aufgezählt, nicht Personen. Es ist also möglich, dass eine Person mehrmals einen Job ablehnt – und dann auch mehrmals in der Statistik gezählt wird. Es ist nicht klar, wie viele Personen genau ein Jobangebot ablehnen.

Aber auch wenn jeder einzelne Fall aus dem Jahr 2021 (dem letzten vollständigen Jahr) eine Person darstellen würde: 52.000 von insgesamt 3,9 Millionen Bürgergeld-Empfängern entspricht gerade mal 1,3 Prozent. Nimmt man die Menschen raus, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung als erwerbsunfähig gelten, dann wächst der Anteil leicht auf 2,6 Prozent an.

Und auch dann muss unterschieden werden zwischen den Fällen, in denen ein neuer Job oder eine neue Ausbildung tatsächlich abgelehnt werden und denen, bei denen die Fortführung einer Arbeit abgelehnt wird – zum Beispiel, weil der Job doch nicht geeignet ist – und denen, bei der es um die Ablehnung einer Maßnahme (z.B. ein Bewerbungstraining) geht. Diese drei unterschiedlichen Szenarien werden nämlich zusammen erfasst.

Also: Ein sehr kleiner Teil der Menschen, die in Deutschland aktuell eine Arbeit angeboten bekommen, lehnen diese auch ab.

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