Keine Arbeitsverträge, keine Gehaltsabrechnung, keine Versicherung bei Arbeitsunfällen: Auf den Olympia-Baustellen in Paris arbeiten viele Menschen ohne Papiere. Seit Wochen protestieren sie - mit Erfolg.
Vor der Arena "Porte de la Chapelle", einer Multifunktionshalle im Norden von Paris, haben sich Gewerkschafter und ein Dutzend eingewanderte Arbeiter versammelt. "Papiere für alle Arbeiter", rufen sie.
Es ist eine der größten Baustellen für die Olympischen Spiele 2024. Maler, Maurer und Dachdecker arbeiten hier - die meisten von ihnen ohne Papiere. Sie wollen, dass die Gewerkschaften ihnen helfen, legal arbeiten zu können.
Aussicht auf Regularisierung
Etienne Deschamps, einer der Verhandlungsführer der Gewerkschaft CNT, holt nach ein paar Stunden ein Megaphon hervor und verkündet, was nach einem Sieg klingt: "Wir sind der Ansicht, dass wir eine zufriedenstellende, wenn nicht sogar sehr zufriedenstellende Vereinbarung ausgehandelt haben: Für alle Betroffenen werden Regularisierungsverfahren eröffnet."
Der 32-jährige Bakary aus Mali hofft, dass auch er am Ende eines solchen Verfahrens Papiere bekommt. 2018 ist er nach Frankreich gekommen, und hat sich Jobs im Süden des Landes gesucht. Seit ein paar Monaten aber ist er auf den Olympia-Baustellen - mit den Papieren eines anderen:
Als ich hier hergekommen bin, hab ich einen Freund gefragt: Kannst Du mir deine Papiere leihen? Damit bin ich dann zu einer Zeitarbeitsfirma gegangen und habe so Arbeit gefunden. Ich arbeite, aber die Papiere sind seine. Und er bekommt auch das Geld. Manchmal gibt er mir das Geld, für das ich arbeite, manchmal aber auch nicht.
"Alle verschließen die Augen davor"
Bakary ist kein Einzelfall. Das weiß Anzoumane Sissoko aus eigener Erfahrung. Er koordiniert einen Verein, der sich um Menschen ohne Papiere kümmert. "Wenn einer von den Arbeitern einen spanischen oder portugiesischen Ausweis vorzeigt, schauen die Subunternehmen nicht, ob es sich da wirklich um seine eigenen Papiere handelt", sagt er. "Sie denken es handelt sich um einen europäischen Bürger und stellen ihn ein. Aber der Arbeiter weiß, dass es irgendwann nicht so weitergehen kann - dass er irgendwann auch echte Papiere braucht."
Um legal arbeiten zu können, braucht der ausländische Arbeiter von seinem Arbeitgeber ein bestimmtes Formular. Das geben aber viele nicht heraus, sagt Gewerkschaftsjurist Vivien Motte. "Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Status des Arbeiters bei der Präfektur zu überprüfen, aber das machen viele nicht. Sie wollen niemandem Rechenschaft ablegen, auf rechtlicher Ebene halt ."
Für die Olympischen Spiele gibt es einen öffentlichen Auftraggeber namens SOLIDEO. Doch so einfach ist die Sache nicht. "Die großen Auftraggeber beauftragen kleine Subunternehmen. Die sind es, die illegale Arbeiter beschäftigen", erklärt der Pariser Kommunalpolitiker Laurent Sorel. "Und alle verschließen die Augen davor. Die großen Unternehmen schauen weg, die Stadt Paris schaut weg. Und jetzt, mit diesem Streik, sind sie gezwungen zu sehen, was sie nicht sehen wollten."
Pariser Rathaus vermittelt
Der Plan der Gewerkschaft, die Probleme sichtbar zu machen, ist aufgegangen. Denn bei den Olympischen Spielen geht es um viel Geld und Prestige. Deshalb soll es für die Arbeiter auf den Olympia-Baustellen und vielleicht auch für andere Branchen eine Lösung geben. Das Pariser Rathaus hat schnell reagiert und vermittelt nun zwischen Arbeitgebern und Präfektur. Die entscheidet letztlich, ob ein Arbeiter Papiere bekommt.
Hilfreich wäre das neue Immigrationsgesetz. Das wird in den nächsten Wochen in Frankreich debattiert, inklusive einer Klausel über Papiere für illegal Beschäftigte in Mangelberufen. Von denen träumt auch Bakary auf der Olympiabaustelle im Norden von Paris.
Paris: Viele Arbeiter ohne Papiere auf Olympia-Baustellen - tagesschau.de
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