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Sunday, October 22, 2023

ZUE und Flüchtlinge: Die Soester haben viele Sorgen - und Fragen - soester-anzeiger.de

Stadtsprecher Torsten Bottin lauscht zwischen den Bankreihen aufmerksam und schaut, wer als nächster das Mikro für eine Frage haben möchte.

Mehr als 300 Soester folgten der Einladung des evangelischen Kirchenkreises zu einem Bürgerforum mit dem Titel „Sind Flüchtlinge in Soest (noch) willkommen?“. Sie hatten viele Fragen - und formulierten ihre Sorgen.

Soest – Kurz vor Schluss des Bürgergesprächs in der Johannes-Kirche am Freitagabend platzt Brigitte Sehmi vom Stadtteilbüro der Kragen: „Ich wohne seit 40 Jahren hier im Soester Süden, und ich fühle mich wohl und sicher hier – es ist überhaupt nicht schlimmer geworden.“ Engländer waren früher im Soester Süden, Kanadier und Belgier. Bunt war es, manchmal auch handfest. Es solle also niemand kommen, heute den Süden so schlecht zu machen wegen der ZUE und der Menschen, die dort wohnen. Und bitte: Nicht pauschal den Stab brechen über Leute, mit denen die allermeisten noch nicht ein einziges Wort geredet haben.

Sehmi macht eine Pause und schaut in die Bänke: Es ist voll, etwas mehr als 300 Leute sind da. Fünf sitzen auf dem Podium: Meinhard Esser, Fachbereichsleiter Soziales bei der Stadt, Dr. Mohammed Reza Hussein vom Integrationsrat, Polizeichef Thomas Link, ZUE-Leiterin Sabine Heynen, Dr. Andreas Hohlfeld von der Bezirksregierung und Superintendent Manuel Schilling als Gastgeber: „Ich fand es wichtig und an der Zeit, dass alle miteinander reden“, sagt er, warum er im Namen des Kirchenkreises und der Emmaus-Gemeinde eingeladen hat. Der Journalist Sebastian Moritz moderiert den Abend, Torsten Bottin, Sprecher der Stadtverwaltung, und Hans-Albert Limbrock, Pressesprecher des evangelischen Kirchenkreises, reichen Mikros zu allen, die Fragen stellen wollen – immer nur ein, zwei, damit alle drankommen. Fast zweieinhalb Stunden dauert die Veranstaltung.

ZUE und Flüchtlinge in Soest: Nur elf Personen für 165 Straftaten verantwortlich

Frage des Abends: Sind Flüchtlinge noch willkommen in Soest? Das wollen die Leute wissen – und sie bohren immer wieder nach: Muss man Angst haben, vor die Tür zu gehen, vor allem im Soester Süden? Kann man noch sicher Kirmes feiern? Wer schützt unsere Kinder? Warum sperrt die Polizei bekannte straffällige Flüchtlinge nicht konsequent weg? Nur elf von ihnen sollen laut Polizei 165 Straftaten auf dem Kerbholz haben – und sind immer noch frei, stellt sich heraus. Weitere Fragen: Wer hatte eigentlich die „glorreiche Idee“, ausgerechnet in den bevölkerungsreichsten Stadtteil eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) zu platzieren? Und wer wohnt da eigentlich – man kommt da ja als „Normalo“ nicht rein? Warum klettern Bewohner der ZUE über die Zäune und gehen nicht durch die Pforte und melden sich anständig an und ab? Soll man dann die Polizei rufen?

Ein Anwohner beschwert sich: Warum dürfen die im „Junggesellenblock“ derart Party feiern, dass die ganze Nachbarschaft nicht schlafen kann? Warum dürfen die Kinder dort bis nachts um elf draußen spielen und lärmen? Warum liegt da so viel Müll auf der Schafweide neben der Einrichtung, von wo aus viele in die ZUE rein- und rausklettern – zig Tüten mit brauchbaren Lebensmitteln bleiben auf der Wiese liegen, wegräumen muss es die Schäferin. Fragen stellen dürfen alle in der Johannes-Kirche, auch nachbohren. Alles, was direkt mit Soest zu tun hat. Keine Bundespolitik, keine Volksreden. Respektvoll soll es sein, und das klappt gut – auch wenn sich manchem vielleicht manchmal die Nackenhaare aufrichten.

ZUE in Soest: Einrichtungsleiterin nennt Zahlen

Sabine Heynen ist Mitarbeiterin der Bezirksregierung und Leiterin der ZUE. Sie erläutert: 830 allein reisende Männer leben zurzeit in der Einrichtung, alle sind über 18. In Familien leben 717 Personen. Insgesamt sind aktuell 200 Familien mit 400 Kindern in der ehemaligen Kaserne am Hiddingser Weg untergebracht. Viele Menschen auf engem Raum, das sei ein Grundproblem, mit dem wohl auch Deutsche nicht gut zurechtkämen. Woher die Menschen kommen, weiß Dr. Hussein genau: Aus Syrien, aus der Türkei die größten Gruppen, mit deutlichem Abstand dann aus Afghanistan, ein geringer Anteil nur aus dem Maghreb.

Es gebe viel zu wenig und zu wenig qualifiziertes Personal, um sich um die Menschen in der Einrichtung zu kümmern, sagt Hussein, Sabine Heynen erzählt: Arbeiten dürften die Bewohner nicht, höchstens Handlangerdienste in der ZUE verrichten. Es hieße eben, abzuwarten, da würden Tage lang und langweilig. Heynen wirbt: „Wir können Ehrenamtliche gebrauchen, bitte melden Sie sich.“ Was fehlt, gibt sie zu, sind Psychologen und Fachleute, um Seelen zu heilen. Dr. Hussein vom Integrationsrat unterstreicht: „Es wohnen Schicksale in der Einrichtung, traumatisierte Erwachsene und Kinder. Das darf man nicht vergessen.“

Blick aufs Podium: Superintendent Dr. Manuel Schilling (am Mikro) begrüßt hier die Teilnehmer des Abends in der Johannes-Kirche. Rechts neben ihm ZUE-Leiterin Sabine Heynen und Dr. Andreas Hohlfeld von der Bezirksregierung Arnsberg. Links Moderator Sebastian Moritz, Polizeidirektor Thomas Link, Dr. Mohammed Reza Hussein vom Integrationsrat und Fachbereichsleiter Meinhard Esser von der Stadt Soest.

Dass Mitarbeiter der ZUE an der Pforte oder am Telefon nicht immer bestens gelaunt seien, manchmal auch abwimmeln oder gar nicht erreichbar seien, wenn Soester Fragen hätten, sich wegen des Lärms melden, das sei nicht gut – man werde an den Strukturen arbeiten, verspricht Heynen. Polizeidirektor Link entgegnet auf Kritik: Die Polizei greife natürlich ein, und sie verhafte auch, wo es nötig sei. Für das dauerhafte Wegsperren sei die Polizei aber nicht zuständig, unterstrich er mehrfach, es gebe Gesetze und eine Strafprozessordnung. Dass Beamte angeblich nicht konsequent Anzeigen und Beschwerden nachgingen, will er nicht glauben: „Ich erwarte von allen Beamten volles Engagement für die Sicherheit der Bürger.“

Auf angebliche Übergriffe von Migranten auf Mädchen angesprochen, sagt er: „Wir können nur dort tätig werden, wo man uns auch etwas meldet. Sprechen Sie uns an.“ Dass die Zahl der Straftaten insgesamt steige, hat er schon zu Beginn des Abends bejaht. Aber: Die Beteiligung von Zuwanderern reduziere sich auf wenige, die immer wieder auffielen. Link: „Es gibt auch andere Intensivtäter, es gibt auch deutsche Straftäter, das darf man nicht vergessen.“

ZUE in Soest: „Wir sind schon unter uns...“

„Eine hundertprozentige Sicherheit können wir nicht garantieren“, das gibt es als Antwort immer wieder von Meinhard Esser, auch von Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer, von Polizeidirektor Thomas Link. Sabine Heynen: „Eine Minderheit der ZUE-Bewohner macht es allen anderen schwer. Eigentlich sind die meisten Menschen einfach nur in Not.“ Reza Hussein: „Die Menschen dürfen nichts. Sie sitzen nur in ihren Unterkünften. Eine Interaktion mit den Menschen in Soest findet nicht statt.“ Heynen: „Ja, es ist so: Wir sind schon unter uns...“

Meinhard Esser sagt in seinem Fazit für die Stadt: „ Ich nehme die Impulse von heute Abend mit, auch da, wo negative Dinge angesprochen wurden. Wir nehmen Ihre Sorgen ernst. Es war schon klar, dass wir hier keine Fleißkärtchen bekommen.“ Dass die ZUE natürlich keine Einrichtung auf Dauer sein soll, auch das unterstreicht er. Aber das haben die Soester als Kommune nicht in der Hand. Superintendent Dr. Manuel Schilling spricht noch einen Segen für wirklich alle – man sitzt ja schließlich in einer Kirche. Er sagt in seinem Schlusswort: „Ich bin dankbar und erleichtert, dass es so gut wie keinen ausländerfeindlichen Ton heute Abend gegeben hat.“

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