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Tuesday, October 31, 2023

Israel-Krieg entlarvt viele unserer „TV-Experten“ als aufgeregte Besserwisser - FOCUS Online

Fernsehen hat eine grandiose Stärke. Kein Medium bringt so mühelos Emotion in die Wohnzimmer der Menschen. Fernsehen hat eine furchtbare Schwäche. Es tut sich schwer, diese Emotionen mit echter Information zu unterfüttern. Emotionalität verschlingt die Rationalität. Das ist besonders bitter, wenn die Welt – Israel, Palästina, Ukraine – erschütternde Bilder im Überfluss fernsehen lässt.

Und besonders gefährlich wird das immer dann, wenn Terror diese Macht der verheerenden Bilder für sein immergleiches Ziel instrumentalisiert: Terror heißt Schrecken. Das Gegengift, mit dem das Fernsehen sich und seine Zuschauer schützen will, heißt Expertise. Doch wie sehr manche Experten seit dem Hamas-Überfall auf Israel versagt haben, ist in diesen Wochen nicht zu übersehen.

Zu oft kämpft Fernsehen gegen Fernsehen

Wenn wenig bekannt ist, aber viel geredet werden soll, treibt das im Fernsehen giftig bunte Blüten – und das sogar in der renommierten „Tagesschau“. Beispiel Al-Ahli-Krankenhaus. ARD-Moderatorin Judith Rakers spricht um 20 Uhr von mindestens 300 Menschen, die getötet worden sein sollen. Zügig erweckt die Schalte zum Tel-Aviv-Korrespondenten den Eindruck, dass es eine israelische Rakete gewesen sei, die diese Verwüstungen in Gaza-Stadt angerichtet hat.

Der Aufschrei kommt nicht zuletzt von der – für Lautstärke bekannten – ZDF-Kollegin Andrea Kiewel: „Die Verantwortlichen der Hauptnachrichtensendungen der ARD waren taub auf allen Ohren!“ Die „Fernsehgarten“-Frau, nach eigenen Worten „eine glühende Verfechterin der Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens“, wird richtig giftig: „Ich kann das Wort ,Kollegen‘ in dem Zusammenhang nicht verwenden!“

Fernsehen gegen Fernsehen, ZDF gegen ARD – und fast geht verloren, dass es bei der 58-Jährigen um Objektivität in diesem Fall auch nicht zum Besten steht. Kiewel lebt in Tel Aviv. Ihr Lebensgefährte trägt Uniform und ist in den Kampf gegen die Hamas gezogen.

Wer zu jedem Thema alles besser weiß, ist ein Besserwisser, kein Fachmann

Die Wahrheit hat es schwer zwischen den Fronten. Die Objektivität tut sich manchmal schwer beim Thema Israel. Der Nachrichtensender „Welt TV “ produziert im Neubau von Axel-Springer-SE. Die 18.000 Mitarbeitenden des Medien- und Technikkonzerns verpflichten sich auf fünf Grundsätze, darunter als Punkt 2: „Wir unterstützen das jüdische Volk und das Existenzrecht des Staates Israel.“ Und Axel Springer legt sehr unmissverständlich fest: „Die Organe des Unternehmens sind an die strikte Beachtung und Einhaltung dieser Grundsätze gebunden.“

„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache“: So wird die Fernsehjournalisten-Legende Hanns Joachim Friedrichs gerne zitiert. Gemeint hat er damit den Appell, nicht in öffentliche Betroffenheit zu versinken und „beim Umgang mit Katastrophen cool zu bleiben, ohne kalt zu sein“.

Woran erkennt man einen guten Experten? Die Umkehrung ist leicht. Da hat die Thesen-Maschine Richard David Precht gerade in einem ZDF-Podcast mit Markus Lanz über orthodoxe Juden schwadroniert, denen ihre Religion das Arbeiten verbiete – „ein paar Sachen wie Diamanthandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen“. Wer zu jedem Thema alles besser weiß, ist ein Besserwisser, kein Fachmann.

Experten müssen sich durch öffentliche Minenfelder wagen

Echtes Fachwissen und sachliche Nüchternheit sollten das Kennzeichen des guten Experten sein. Doch schützt auch das nicht vor Aufgeregtheit. Christoph Heusgen, der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, hatte im ZDF-Interview mit Dunja Hayali den UN-Generalsekretär António Guterres verteidigt und seinen Satz, es sei wichtig „zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattfanden“. Heusgen musste sich für seine Expertise öffentlich entschuldigen.

Die „Bild“-Zeitung hatte sich erregt über ein „krasses ZDF-Interview“ unter der Headline „Ex-Merkel-Berater schockt mit Israel-Aussagen“. Aber „Bild“, Verlagsgrundsätze Punkt 2, hat ja seine Journalisten klar verpflichtet: „Wir unterstützen das jüdische Volk.“

Durch all diese öffentlichen Minenfelder bewegt sich ein Experte auffallend souverän. Er heißt Carlo Masala. Er ist Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er bekommt das Kunststück hin, mit Sachlichkeit und Rationalität all den oft berechtigten Emotionalitäten zu begegnen. Die Stärke des Politikwissenschaftlers? Er verweigert sich konsequent dem Wunschdenken. Dadurch sagt er auch Sätze wie diesen, zuletzt gefallen in der ZDF-Talkshow „maybrit illner“: „Wenn es militärisch wichtig ist – so zynisch es klingt –, dann ist auch der Tod von Zivilisten in Kauf zu nehmen.“

Solche Nüchternheit tut gut. Und das gerade in aufgeregten Zeiten, wenn auch im Fernsehen zu viele Moralisten zu wenig Haltung zeigen. Ansonsten gilt auch und gerade fürs Fernsehen: Wenn es nichts Neues zu sagen gibt, ist Schweigen kein Schaden.

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