Was Gruner + Jahr vor gut zwei Wochen verkündete, ist ein Kahlschlag: 700 von 1900 Arbeitsplätzen sollten gestrichen werden, eine Reihe von Zeitschriften-Titeln sollten eingestellt oder verkauft werden. Das hat seither für viel Unruhe gesorgt – denn wer von diesen Plänen in welcher Weise betroffen sein wird, ist noch nicht klar. „Wir werden dieses Konzept so umsetzen“, bekräftige Thomas Rabe jetzt in einer Mitarbeiterversammlung im Hamburger Verlagshaus. Rabe ist Vorstandschef des Medienkonzerns Bertelsmann , gleichzeitig Chef der Sendergruppe RTL und deren deutscher Tochtergesellschaft RTL Deutschland, zu der wiederum Gruner + Jahr seit Anfang 2022 gehört. Die verbleibenden Titel machten nach Auflage und Umsatz immerhin 70 Prozent des bisherigen Gruner + Jahr-Portfolios aus, betonte er gegenüber den Beschäftigten. Zuletzt lag der Gesamtumsatz dem Vernehmen nach bei 350 Millionen Euro.
Als „eines der ambitioniertesten journalistischen Projekte“ bezeichnete Rabe selbst das Angebot „Stern+“, das ein gemeinsames digitales Bezahlangebot von „Stern“ (inclusive Stern crime), „Capital“ und „Geo“ werden soll. Wie die verschiedenen Marken mit ihrer unterschiedlichen Nutzerschaft innerhalb von „Stern+“ verknüpft werden sollen, ist noch unklar. Das Ziel hat Rabe aber ausgegeben. Bis zum Jahr 2025 soll die Zahl der Digital-Abonnenten von bisher 30.000 auf 100.000 gesteigert werden. 30 Millionen Euro Investitionen sind dafür vorgesehen. Die bisher nur zaghafte Digitalisierung der renommierten Print-Titel wird als einer der Gründe für die Probleme von Gruner + Jahr gesehen.
„Wir wollen so schnell wie möglich Klarheit schaffen“
Ebenfalls 30 Millionen Euro sollen in die übrigen „Kernmarken“ von Gruner + Jahr investiert werden, also „Brigitte“, „Gala“, „Eltern Digital“, „Schöner Wohnen“ und „Couch“. Auch hier geht es um digitale Bezahlinhalte, um digitale Dienstleistungen sowie um E-Commerce. Solche Angebote gehören nicht gerade zur Kernkompetenz von Printjournalisten, weshalb offenbar auch über Neueinstellungen nachgedacht wird. Ob alle Zeitschriften-Titel diese Transformation überstehen, ist keineswegs absehbar, wie RTL-Chef Rabe jüngst im Gespräch mit der F.A.Z. einräumte: „Bestandsgarantien haben eine kurze Halbwertszeit, angesichts der vielen Unwägbarkeiten. Ich bin aber zuversichtlich, dass unser Plan aufgeht.“
Die Integration aller Gruner + Jahr-Titel in einem cross-medialen Angebot, wie das im Zuge der Übernahme durch RTL vor gut einem Jahr unter dem Stichwort „Nationaler Medienchampion“ avisiert wurde, ist aber offenbar vom Tisch. Während RTL+ mit Video- und Musik-Streaming eher ein Unterhaltungsangebot bleiben wird, soll „Stern+“ eine journalistisch geprägte App werden.
„Wir wollen so schnell wie möglich Klarheit für alle schaffen und Planungssicherheit geben“, lautete in der Mitarbeiterversammlung das Versprechen gegenüber der Gruner + Jahr-Belegschaft. Kündigungen in diesem Monat wird es dem Vernehmen nach noch nicht geben. Erst soll mit dem Betriebsrat über die Modalitäten verhandelt werden. „Wir werden alle Mitarbeitenden wertschätzend behandeln – besonders die, die uns verlassen“, heißt es in einer RTL-Präsentation. Die Beschäftigten dürfen offenbar durchaus mit komfortablen Abfindungen rechnen.
Medienkonzern im Umbruch: Wie geht es weiter bei Gruner + Jahr? - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Read More
No comments:
Post a Comment