Es ist eine Nachricht, die nicht nur die Menschen in der Ukraine betroffen macht. In einer Zeit, in der im Osten des Landes heftigste Kämpfe um die Stadt Bachmut toben, während sich erneut Berichte über militärische Aktivitäten Russlands in Belarus verdichten und es Gerüchte über eine bevorstehende Invasion aus dem nördlichen Nachbarland gibt, stürzte nahe der Hauptstadt Kiew ein Hubschrauber ab.
An Bord: die gesamte Führung des ukrainischen Innenministeriums, darunter auch Innenminister Denys Monastyrskyj selbst. Der 42-jährige Monastyrskyj war im Jahr 2021 zum Innenminister ernannt worden. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einer „furchtbaren Tragödie“.
Besonders tragisch: Der Hubschrauber kam in einem Wohngebiet in der Nähe eines Kindergartens auf, unter den 18 Opfern sind nach Angaben des Innenministeriums drei Kinder, unter den 29 Verletzten sollen 15 Kinder sein, heißt es. „Der Schmerz ist unaussprechlich“, erklärte Selenskyj.
Rettungskräfte und Polizisten sind laut offiziellen Angaben noch immer am Ort des Geschehens im Einsatz. Auf Videos von der Absturzstelle, die in sozialen Medien geteilt wurden, ist ein brennendes Gebäude zu sehen, Schreie sind zu hören.
Die Absturzursache war zunächst unklar. Laut dem Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat, handelte es sich um einen Hubschrauber des Typs Airbus H225. Eine Kommission werde die Ursachen untersuchen. „Das wird nicht nur ein bis zwei Tage dauern, denn die Untersuchung einer Flugkatastrophe braucht eine gewisse Zeit“, sagte Ihnat.
Allerdings lösen die Umstände und der Zeitpunkt Spekulationen aus – an einen Zufall wollen viele Ukrainer nicht glauben. Sie spekulieren über einen Sabotageakt oder gar einen Abschuss durch russisches Militär. Für den Abschuss eines Hubschraubers bräuchte es letztlich nicht viel.
Brovary nahe Kiew ist eine bewaldete Region. Mehr als das Wissen um die Flugroute und eine schultergestützte Boden-Luft-Rakete wären also nicht nötig. Moskau hat sich zu dem Vorfall noch nicht geäußert. Die abgestürzte Maschine gehörte unterschiedlichen Meldungen zufolge zum Notfalldienst der Regierung in Kiew und lag somit im Verantwortungsbereich von Innenministerium oder Katastrophenschutzministerium.
Verwunderung und Kritik gibt es bereits jetzt darüber, dass der Minister mit seinem gesamten Führungsstab gemeinsam an Bord war, darunter auch sein erster Stellvertreter Jewhenij Jenin. Immerhin ist das Innenministerium neben dem Verteidigungsministerium das Schlüsselressort im Krieg der Ukraine gegen Russland.
In seinem Verantwortungsbereich liegen Polizei, Geheimdienst, Nationalgarde – und damit auch die Inlandsaufklärung, deren Aufgabe die Suche nach russischen Saboteuren und Spionen ist, die Aufklärung von Kriegsverbrechen, sowie – mithilfe von Polizei und Nationalgarde – nicht weniger als die Sicherung des Hinterlandes.
Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Jahr 2014 ist das Innenministerium mit einer Fülle an Kompetenzen und Zuständigkeiten ausgestattet worden und gehört zu den mächtigsten Institutionen des Landes. Im Ministerium gab es häufig Machtkämpfe, an denen auch die Nationalgarde und der Geheimdienst SBU beteiligt waren.
Die vergangenen Jahre haben allerdings gezeigt, dass der ukrainische Sicherheitsapparat auch unabhängig von seinem obersten Management relativ gut funktioniert. Selbst die Konflikte um Spitzenposten in Ministerium und SBU hatten relativ geringe Auswirkungen auf die Arbeit der Dienste.
Ukraine: Ein Hubschrauberabsturz, der viele Fragen aufwirft - WELT
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