Angesichts vieler RSV-Fälle bei Kindern warnt die Divi vor "Katastrophenzuständen". Was hat es mit dem Virus auf sich? Wie wird es behandelt? Und wie akut ist die Situation?
Dieses Jahr spricht er von "Katastrophenzuständen", im vergangenen Jahr war von einem "Tsunami" die Rede: Die Zahl der Atemwegserkrankungen bei Kindern und ihre Behandlung in deutschen Kliniken bereiten Florian Hoffmann Sorgen.
Dabei verweist der Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) und Oberarzt im Dr. von Haunerschen Kinderspital in München vor allem auf ein Virus, das nicht nur in Deutschland, sondern auf der gesamten Nordhalbkugel für ein "dramatisches epidemisches Geschehen" sorge: das Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV).
Was hat es mit RSV auf sich? Warum erkranken gerade so viele Kinder daran? Und wie lässt es sich behandeln? Ein Überblick.
Was ist RSV?
Bei RSV handelt es sich um einen Erreger, der Atemwegsinfektionen hervorruft. "Das war schon vor der Covid-19-Pandemie der häufigste virale Atemwegserreger bei jungen Kindern, die stationär behandelt wurden", erklärt Tobias Tenenbaum, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Sana-Klinikum in Berlin-Lichtenberg. "In der Regel verläuft die Erkrankung mild. In etwa einem Prozent der Fälle trifft RSV die Kinder aber so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen", so Tenenbaum.
Vor allem von November bis April herrscht in Mitteleuropa RSV-Saison. Während der Corona-Pandemie kam es zum Teil aber bereits im Juli zu RSV-Wellen, weil die Saison durch Covid-Schutzmaßnahmen im Herbst und Winter quasi ausgefallen war - und sich dann in den Sommer verlagerte.
Wen trifft das Atemwegsvirus?
RSV-Infektionen kommen in allen Altersgruppen vor. Bei älteren Säuglingen und Kleinkindern ist eine RSV-Infektion aber die häufigste Ursache von Erkrankungen der unteren Atemwege und von damit verbundenen Krankenhauseinweisungen.
Was sind Symptome? Und wie lange dauern sie an?
RSV äußert sich in den meisten Fällen durch typische Symptome einer Atemwegserkrankung wie Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Fieber. Zur Krankheitsdauer schreibt das Robert-Koch-Institut: "Meist dauert die Erkrankung etwa 3 - 12 Tage, wobei respiratorische Symptome, insbesondere Husten, über mehr als 4 Wochen anhalten können."
Wie lässt sich RSV behandeln?
Die meisten RSV-Infektionen verlaufen harmlos und können zu Hause auskuriert werden. "Eine spezifische Therapie gibt es bei leichten Verläufen nicht", erklärt Tobias Tenenbaum. Eltern können aber - wie bei anderen Atemwegserkrankungen - darauf achten, dass ihr Kind viel trinkt, und, wenn nötig, gegen Fieber vorgehen. Zum Kinderarzt sollte man vor allem dann gehen, wenn sich die Atmung des Kindes verschlechtert.
Kommen Kinder in seltenen Fälle wegen RSV ins Krankenhaus, sind sie dort häufig auf zusätzlichen Sauerstoff angewiesen, manchmal auch auf eine Atemhilfe.
Gibt es eine Impfung?
Bislang werden vor allem gefährdete Frühgeborene oder Kinder mit Vorerkrankungen durch eine Passiv-Impfung geschützt - etwa durch monoklonale Antikörper. "Es laufen aktuell aber Studien, die schauen, ob die Impfung auch für gesunde Kinder sinnvoll ist", erklärt Tobias Tenenbaum.
Wie akut ist die aktuelle Situation?
Dass die Zahl der RSV-Fälle im November ansteigt, ist nicht ungewöhnlich. Tobias Tenenbaum sieht aktuell eine "sehr hohe Krankheitslast". Vor allem bei Kleinkindern würden nun Infektionen nachgeholt, die während der Corona-Pandemie nicht durchgemacht wurden. Durch die Corona-Regeln ist die normale Auseinandersetzung des kindlichen Immunsystems mit Winter-Erkältungsviren in vielen Fällen ausgeblieben.
Ob das aktuelle Geschehen aber insgesamt schlimmer sei als im vergangenen Jahr, lasse sich bislang nicht sagen, so Tenenbaum. Zahlen dazu würden noch folgen. Klar sei aber: "Die Kinderkliniken und Kinderarztpraxen platzen aktuell aus allen Nähten - auch weil andere Atemwegsinfekte hinzukommen."
Das Gesundheitssystem stoße aber auch wegen des Personalmangels an seine Grenzen, gerade in den Kliniken gebe es Versorgungsengpässe im pflegerischen Bereich, sagt Tenenbaum. Hier sei die Politik gefragt:
Gleichzeitig müsse der Beruf der Kinderkrankenpflege wieder gestärkt werden, es bräuchte mehr Spezialisierung. Die aktuelle Ausbildung von Generalisten würde die Probleme "signifikant" verschärfen.
Wen das Atemwegsvirus trifft: Warum so viele Kinder gerade an RSV erkranken - zdf.de
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