Eine „enorm ungleiche Verteilung“ der Flüchtlinge und zu wenig Hilfe aus Wiesbaden und Berlin beklagen die Kommunalpolitiker des Main-Kinzig-Kreises in einem Brandbrief an die hessische Landesregierung. „Wir sind kapazitativ an unseren Grenzen angelangt“, heißt es in einem Schreiben, mit dem sich Landrat Thorsten Stolz (SPD) und die Rathauschefs der 29 Städte und Gemeinden des Kreises an Ministerpräsident Boris Rhein und Innenminister Peter Beuth (beide CDU) sowie den zuständigen Sozialminister Kai Klose (Die Grünen) wenden.
„Nicht die Menschen sind das Problem. Das Problem ist der fehlende Wohnraum“, klagen die Vertreter des größten Flächenkreises in Hessen. Sie sagen voraus, dass sich die Lage in den Wintermonaten weiter verschlimmern werde. „Dabei sind es längst nicht die Vertriebenen aus der Ukraine, sondern Asylsuchende aus anderen Krisenregionen, für die wir nun massiv Unterbringungen errichten müssen.“
Weil diese Tatsache nicht wahrgenommen werde, lösten die Fortschritte der ukrainischen Armee im Krieg nun die Hoffnung der Bürger auf ein Ende der Flüchtlingszuströme aus. Nicht nur die Vereine wollten ihre Hallen wieder nutzen, die als Notunterkünfte dienten. Auch Privatleute stießen an die Grenzen ihrer Hilfsmöglichkeiten. In der Bevölkerung gebe es kein Verständnis mehr dafür, „altehrwürdige Flächen und Gebäude für Flüchtlinge nutzbar zu machen“. Die Bau- und Ertüchtigungsmaßnahmen der Kommunen würden „zunehmend aggressiver abgewehrt und verzögert“.
Frankfurt werde bevorzugt
Für diese zusätzlichen Anstrengungen verlangen die Politiker eine Gegenfinanzierung durch das Land; es müsse aber auch weitere eigene Unterbringungsmöglichkeit schaffen. „Stimmen Sie die Menschen stärker auf die aktuelle Krisenlage ein“ , heißt es weiter in dem als „vertraulich“ deklarierten Brief. Er enthält zwei Seiten, auf denen die Kommunalpolitiker die vom Land angewandte Systematik zur Verteilung der Flüchtlinge kritisieren. „Ein überproportional hohes Aufnahme-Soll“ für den Main-Kinzig-Kreis zeige der Vergleich mit der Stadt Frankfurt. Diese habe mit 759.000 Einwohnern eine spürbar niedrigere Aufnahmeverpflichtung als der Kreis mit nur 423.000 Einwohnern.
„Die Ungleichbehandlung wird noch deutlicher, wenn man die Aufnahmeverpflichtung weiter herunterbricht“, so die Kommunalpolitiker. „Je 1000 Einwohner nimmt der Main-Kinzig-Kreis demnach 16,1 Personen auf, die Stadt Frankfurt 9.“ Wie diese Zahlen zustande kommen, ist zwischen dem Sozialministerium und dem Main-Kinzig-Kreis unstrittig.
Wie viele Geflüchtete den Kommunen zugewiesen werden, ergibt sich aus dem Landesaufnahmegesetz und einer einschlägigen Verordnung. Danach richten sich die einzelnen Aufnahmequoten zunächst nach der jeweiligen Einwohnerzahl. Wenn sie bei mindestens 400.000 liegt, gilt eine Aufnahmequote von 8,5 Prozent. Eine weitere höhere Stufe gibt es nicht. Darum gilt für den Main-Kinzig-Kreis und Frankfurt dieselbe Quote, obwohl die Stadt 336.000 Einwohner mehr hat.
Höherer Ausländeranteil sorgt für niedrigere Zuweisungen
Die Kommunalpolitiker sprechen sich dafür aus, das System der Stufen abzuschaffen und stattdessen „spitz“ abzurechnen, also stets die konkreten Einwohnerzahlen zugrunde zu legen. Dann würden der Main-Kinzig-Kreis und Frankfurt nicht gleich, sondern gemäß den unterschiedlichen Zahlen behandelt.
Das zweite wichtige Kriterium ist der Anteil der Ausländer an der Wohnbevölkerung. Je höher dieser schon ist, umso niedriger fallen die weiteren Zuweisungen aus. Im Main-Kinzig-Kreis liegt er bei 16,8 Prozent. Das führt zu einer Entlastung um ein Prozent. Frankfurt hat einen Ausländeranteil von 30 Prozent und wird darum bei der Berechnung der Zuweisungen um zwei Prozent entlastet.
Auch dieses Kriterium bevorzuge Frankfurt, meinen die Kommunalpolitiker. Denn dort zählten zum „Ausländeranteil“, anders als etwa im Main-Kinzig-Kreis, in großer Zahl auch EU-Bürger und seit Jahrzehnten in Deutschland lebende Migranten. Sie seien „faktische Inländer“, würden aber im Verteilungssystem wie Ausländer behandelt.
Massive Klagen gibt es nicht nur im Main-Kinzig-Kreis. In einem offenen Brief an Bundes- und Landesregierung haben, wie berichtet, auch die Vertreter der Wetterau ihrem Ärger schon Luft gemacht.
Landkreise klagen über zu viele Flüchtlinge - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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