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Thursday, October 6, 2022

Energiegipfel: „Viele sind ernüchtert, einige haben bereits resigniert“ - WELT

Seine Enttäuschung wollte der Präsident der Handwerkskammer Hamburg, Hjalmar Stemmann, nicht verbergen. Seiner aktuellen Gemütslage vorausgegangen war der „Hamburger Dialog – Gemeinsam durch die Energiekrise“, zu dem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Donnerstag Vertreter von Unternehmen, Vereinen, sozialen Einrichtungen, Kirchen und Gemeinden ins Rathaus geladen hatte. Der Anlass war so offensichtlich wie notwendig: die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der hohen Energiepreise.

„Die Auswirkungen der Ukraine-Krise sind sehr weitreichend“, betont Tschentscher, der mit dem Dialog „alle Themen auf den Tisch“ bekommen möchte. Schließlich gebe es viele unterschiedliche Sorgen. „Wir müssen darauf achten, dass niemand auf der Strecke bleibt“, erklärt der Sozialdemokrat.

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Der rot-grüne Senat hat für den laufenden Doppelhaushalt bereits zusätzliche Ausgaben in Höhe von mehr als 450 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Darin ist auch der Notfallfonds Energiekrise über 125 Millionen Euro enthalten.

„Natürlich ist es wichtig, im ‚Hamburger Dialog‘ zu bleiben“, sagte Stemmann, „aber die Gefahr ist groß, dass gut gemeinte Worte und Durchhalteparolen die Stützen unserer Stadtgesellschaft überhaupt nicht mehr erreichen.“ Die Zeit spiele gegen uns alle. Die Kritik des Präsidenten zielt insbesondere auf die Belastungen für das Handwerk ab – ein Bereich, der in Hamburg die Interessen von 15.000 Unternehmen mit mehr als 105.000 Beschäftigten vertritt.

„Unsere kleinen und mittleren Betriebe müssen weiter im Regen stehen“

„Der Schirm bleibt geschlossen, unsere kleinen und mittleren Betriebe müssen weiter im Regen stehen“, bilanzierte Stemmann nach dem Treffen mit dem Bürgermeister und fügt hinzu: „Die Enttäuschung über die kürzlich bekannt gewordene Vertagung der Bund-Länder-Entscheidung zur Ausgestaltung des Abwehrschirms zur Energiekostenentlastung ist riesig.“ Zudem befürchtet der Handwerkskammerpräsident, dass das erste Geld aus dem Hamburger 125-Millionen-Euro-Hilfsfonds erst Anfang 2023 fließe. „Das macht nicht wirklich Mut“, so Stemmann. Auch sei das Fondsvolumen zu knapp bemessen.

Die Rückmeldungen der Betriebe spiegeln der Handwerkskammer die sich Tag für Tag weiter zuspitzende existenzbedrohende Lage. „Viele Inhaber sind ernüchtert, einige haben bereits resigniert – das ist Gift für die Entwicklung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens in unserer Stadt“, befürchtet Stemmann.

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Hamburgs DGB-Vorsitzende Tanja Chawla wiederum zeigt sich zufrieden mit dem Energiegipfel. Die Hansestadt signalisiere, dass sie Verantwortung für ihre Bürger übernehme. Als Beispiele nennt Chawla „den inzwischen überholten Verzicht auf die Weitergabe der Gasumlage an Kunden von Hamburg Energie oder die Ankündigung des von den Gewerkschaften geforderten Härtefallfonds für Unternehmen und Privatleute, die durch die hohen Energiepreise in Bedrängnis kommen“.

Allerdings erwartet die Gewerkschaft, dass der Senat mit einem Aktionsplan verdeutlicht, „dass in diesem Winter niemand in Hamburg frieren oder seinen Job aufgrund der Energiekrise verlieren wird“. Ebenso fordert die Gewerkschaft, die am Sonnabend zu einer Kundgebung für eine gerechte Verteilung der Kosten der Krise aufruft, dass Hamburg einspringt, sollte der Gaspreisdeckel nicht ausreichen.

„Niemand wird seine Wohnung verlieren“

Aus Sicht des Bezirksleiters der IG BCE Hamburg, Jan Koltze, geht es um die Berücksichtigung aller Interessen: „Wir müssen sowohl für die Menschen, die Probleme haben die gestiegenen Kosten zu tragen, als auch für eine wettbewerbsfähige Energieversorgung der Unternehmen sorgen.“ Niemandem sei geholfen, wenn Wertschöpfungsketten gestört würden, weil sich einzelne Produktionsschritte nicht mehr rechneten.

Indes haben die sozialen Vermieter dem Senat ihre Unterstützung bei der Bewältigung der Energiekrise zugesagt. „Keine Mieterin und kein Mieter wird seine Wohnung verlieren, wenn sie beziehungsweise er wegen explodierender Energiekosten unverschuldet in Finanznot gerät“, sagt der Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, Andreas Breitner.

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Er teile die Einschätzung von Tschentscher, wonach die Lage überlegtes, aber rasches Handeln erfordere. „Wir brauchen keine unbedachten Signale, die in dem Moment, in dem sie gesendet werden, schon wieder überholt sind“, betont Breitner mit Blick auf die gescheiterte Gasumlage. Die Gestaltung des Energiedeckels müsse einfach und verständlich sein, „sowie rasch wirken, um den Heizkostenhammer zu verhindern“.

Um Energiesperren zu verhindern, sei man mit den Grundversorgern im Gespräch, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). „Wir werden an entsprechenden Stellen nachsteuern.“ Ein Härtefall-Fonds in Höhe von 15 Millionen Euro soll dabei helfen.

Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) versprach nach dem Energiegipfel gegenüber WELT, dass Rot-Grün die meist an den Bund adressierten Forderungen dort vertreten werde – etwa in den Ministerkonferenzen. Man werde den Druck aus dem Hamburger Dialog weitergeben, so Dressel. Es sei wichtig, „dass der O-Ton von draußen aus dem Land in Berlin ankommt“.

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