Die Bilanz stimmt, die Leistung nicht. Bei Mainz 05 ergibt sich vor der Länderspielpause eine ambivalente Gemengelage.
Trotz guter Punktausbeute derzeit nicht zufrieden: Der Mainzer Coach Bo Svensson. IMAGO/Matthias Koch
Mit elf Punkten aus den ersten sieben Partien liegt Mainz 05 allemal im Soll, hat sogar einen Zähler mehr auf dem Konto als zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison. Die Selbstwahrnehmung ist nach dem glücklichen 1:1 gegen die Hertha freilich eine andere. "Was wir in dieser ersten Saisonphase insgesamt abgeliefert haben, war inhaltlich zu wenig", redet Trainer Bo Svensson Klartext. Tatsächlich vermittelte sein Team in der jüngsten Verfassung keineswegs die Garantie, dass Abstiegskampf auch in dieser Saison nicht auf die Agenda rückt. "Wir wissen, dass wir Probleme bekommen, wenn wir so weiterspielen", bestätigt Svensson. "Aber wir wissen auch, dass wir es besser können."
Verkrampfung und Verunsicherung als ernstzunehmende Warnzeichen
Zweifellos. Umso brennender stellt sich die Frage, warum es die 05er bisher zu häufig nicht abrufen. Sportdirektor Martin Schmidt beschreibt es mit Blick auf den Freitag eingängig: "Wir kamen mit dem Druck des Gegners nicht klar, waren sehr, sehr unsauber. Diese Unsauberkeit hat zu Unsicherheit geführt, und die hilft dir wiederum nicht, mit Ballbesitz umzugehen. Dann kommst du aus dem Strudel nicht mehr raus." Schmidts Erkenntnis bezog sich wohlgemerkt nur auf dieses eine Spiel - doch gilt es auch ganz generell eine drohende Negativdynamik im Keim zu ersticken. Verkrampfung und Verunsicherung, die am Freitag trotz komfortabler Tabellensituation spürbar waren, sind jedenfalls ernstzunehmende Warnzeichen.
"Wir hatten einen klaren Plan, aber es scheiterte an der Umsetzung"
Das Positivste neben dem Punktgewinn: Die Lage wird in Mainz augenscheinlich von niemandem unterschätzt. "Es gibt sehr viel aufzuarbeiten, im Spiel mit Ball und gegen den Ball", betont Schmidt. Danny da Costa, der nach langwierigen Schambeinproblemen seine Saisonpremiere feierte, sagt: "Wir hatten einen klaren Plan, aber es scheiterte an der Umsetzung. Das nötige Spieltempo und die passenden Positionierungen haben leider nicht gestimmt." Und Kapitän Silvan Widmer analysiert: "Wir müssen uns einfach wieder mehr zutrauen. Keine Sekunde zögern oder Zweifel haben. Das war letzte Saison besser." Den passenden Rhythmus fanden die Rheinhessen allerdings auch damals erst mit dem 4:1 gegen Augsburg am 10. Spieltag. Bis dahin stand ebenfalls vieles auf der Kippe, drohte ein Abrutschen in den Keller.
Stach und Burkardt in Topform nicht zu ersetzen
Warum es aktuell noch nicht rund läuft, lässt sich grob auf zwei Nenner bringen: Den Ausfall bewährter Leistungsträger - und Anpassungsprobleme verschiedener Neuzugänge. Auffällig ist: Wenn Anton Stach und Jonathan Burkardt, die beiden Entdeckungen der Vorsaison, unter Form oder wie gegen Hertha gar nicht spielen, lässt sich die individuelle Klasse der Jungstars nicht ersetzen. Auch wenn Svensson dies als "Ausrede" bezeichnet, um keine öffentlichen Alibis zu schaffen. Hinzu kam gegen Hertha: Delano Burgzorg, nominell erste Alternative zu Burkardt, wurde vom Coach am Freitag aus disziplinarischen Gründen für ein Spiel aus dem Kader gestrichen.
Leitsch wird zum Unsicherheitsfaktor fürs ganze Team
Sportliche Problemfälle bilden unterdessen zwei Neuzugänge, denen eigentlich zentrale Rollen zugedacht sind. Offensivmann Angelo Fulgini zeigte zwar bereits vielversprechende Ansätze als Spielmacher, weist aber weiterhin gravierende Mängel im besonders geforderten Anlaufverhalten auf. Noch eklatanter: Maxim Leitsch trat gegen Hertha zum wiederholten Male als ein Schwachpunkt der Dreier-Abwehrkette in Erscheinung. Am 0:1 war der 24-Jährige erneut maßgeblich beteiligt - weil er es nicht schaffte, den Ball mit seinem schwachen rechten Fuß einfach nur aus der Gefahrenzone zu dreschen. Nicht zuletzt mangels Beidfüßigkeit ist Leitsch als Nachfolger von Ex-Kapitän Moussa Niakathé bisher überfordert und damit ein Unsicherheitsfaktor fürs ganze Team.
Tauers Chance hätte nach ursprünglicher Planung kommen müssen
Mit der Personalie Leitsch hängt womöglich auch Svenssons überraschende Antwort auf die Rot-Sperre von Alexander Hack zusammen. Youngster Niklas Tauer in die Dreier-Abwehr einzubauen, wäre die logische und allseits erwartete Wahl gewesen. Doch Svensson zog lieber Kapitän Widmer von dessen Paradeposition auf der rechten Außenbahn zurück nach hinten, ließ Edimilson Fernandes auf dem Flügel ran. Offiziell "eine Entscheidung für Edi", wie Svensson beteuert, und "nicht gegen Niklas". Schlüssiger erscheint indes, dass entweder das grundsätzliche Vertrauen in Tauer fehlt. Oder dass es Svensson es für weniger riskant hielt, dem Wackelkandidaten Leitsch mit Widmer und Stefan Bell zwei Routiniers zur Seite zu stellen als den relativ unerfahrenen 21-jährigen Tauer. Dessen Chance hätte gemäß ursprünglicher Planung in einer Personalsituation wie am Freitag jedenfalls kommen müssen.
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