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Thursday, September 15, 2022

Helmut Schmidt: „Werde das Gefühl nicht los, dass die Schmidts in viele Unfälle verwickelt waren“ - WELT

Nur „ein paar blaue Flecke“: Schlimmeres trugen Helmut Schmidt und seine Frau Loki nicht davon. Glück gehabt, denn der Dienstwagen des Bonner Superministers für Wirtschaft und Finanzen, ein Mercedes des Baureihe W108, taugte nach dem Crash nur noch zum Ausschlachten.

Am Abend des 30. Oktober 1972 hatte der knapp 54-jährige Sozialdemokrat zusammen mit Loki einen Wahlkampftermin für die bevorstehende Bundestagswahl wahrgenommen. Auf dem Rückweg vom Veranstaltungsort, einem Gymnasium, zum Haus der Schmidts im Neubergerweg 80 am äußersten Nordrand Hamburgs nahm plötzlich an der Kreuzung Halstenbeker und Heidlohstraße ein BMW 2800 dem Dienstwagen die Vorfahrt.

Schmidts Fahrer sah den Unfall kommen und bremste scharf, doch er konnte nichts mehr ändern: Das Heck des BMW erwischte den Mercedes am vorderen linken Kotflügel. Der Ministerwagen schleuderte gegen einen Laternenmast, ein nachfolgendes Auto mit Personenschützern knallte gegen das Heck von Schmidt Limousine.

Der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt und seine Frau Hannelore, genannt Loki, genießen im August 1982 ihren wohlverdienten Urlaub am Brahmsee in Schleswig-Holstein. Seit 60 Jahren gehen die beiden gemeinsam durchs Eheleben: Das Paar feiert am 27. Juni Diamantene Hochzeit "Das soll uns erst mal jemand nachmachen", sagte Helmut Schmidt (83) nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung. Eine großes Fest ist nicht geplant. "Wir werden diesen Tag im Ausland verbringen. Keiner soll uns böse sein. Aber etwas Ruhe tut uns ganz gut", meinte der Jubilar. Foto: Wulf Pfeiffer dpa +++(c) dpa - Report+++
68 Jahre verheiratet: Loki und Helmut Schmidt, hier aufgenommen im August 1982
Quelle: picture-alliance/ dpa

Die Wucht war so groß, dass Loki Schmidt auf dem Rücksitz eingeklemmt wurde. Schmidts einziger Gedanke: „Wie kriege ich meine Frau hier raus?“ Schließlich gelang es einem der Sicherheitsbeamten, die verzogene Tür aufzureißen. Der 53-jährigen Lehrerin fehlte nichts, und auch ihr Mann kam mit ein paar Prellungen an Schulter, Bein und Armen glimpflich davon.

„Zum Glück konnten sowohl die Schmidts als auch ihr Fahrer nach einer ambulanten Behandlung das Krankenhaus noch am selben Abend verlassen“, schreibt Karin Ellermann, Archivarin der Helmut-Schmidt-Stiftung im früheren Privathaus des 2015 verstorbenen Altbundeskanzlers, im Blog auf der Website ihrer Institution. Für das meist zweiwöchentlich erscheinende Format haben die Mitarbeiter den schönen Namen „Schmidtletter“ erfunden. Schuld am Unfall war eindeutig der BMW-Fahrer.

Ellermann hat mithilfe des Nachlasses von Schmidt (mehrere tausend Aktenordner und etwa 400 Fotoalben) die automobile Biografie des Politikers erschlossen – übrigens mit einer durchaus ungewöhnlichen Perspektive: „Als Fußgängerin werde ich das Gefühl nicht los, dass die Schmidts nicht nur recht viele private Autos – 14 verschiedene können nachgewiesen werden – besaßen, sondern auch in viele Unfälle – sieben selbst verschuldete und vier mit Fremdverschulden sind belegt – verwickelt waren.“

Unfall Helmut Schmidt 1972 +++einmalig honorarfreie Veröffentlichung zum Text vom 15.9.22+++
Familie Schmidt vor ihrem ersten Mercedes
Quelle: Helmut-Schmidt-Stiftung Hamburg

Der erste Wagen der jungen Familie Schmidt (sie hatten 1942 geheiratet und 1947 war ihre Tochter Susanne zur Welt gekommen) war ein gebraucht gekaufter VW gewesen. 1953 verkauften sie den Käfer für 1500 Mark weiter, um für immerhin 7000 Mark einen (natürlich ebenfalls gebrauchten) Mercedes 170 D anzuschaffen – ein schon seit 1937 und noch bis 1952 produziertes Modell.

Offenbar pflegte Schmidt, der wohl bei der Wehrmacht seinen Führerschein gemacht hatte, einen eher robusten Fahrstil. Jedenfalls verursachte er noch im selben Jahr nördlich der Außenalster einen Zusammenstoß mit einem Opel Olympia-Rekord – er hatte ihm die Vorfahrt genommen. Schmidt verletzt sich dabei; mit Prellungen, Schnittwunden im Gesicht und einem Bluterguss musst er sich für zwei Tage krankschreiben lassen.

„Es war nicht der einzige selbstverschuldete Autounfall, der im Nachlass von Helmut Schmidt überliefert ist“, schreibt Karin Ellermann: „In den Jahren von 1952 bis 1968 sind immerhin sieben Verkehrsdelikte dokumentiert, die auf sein Fehlverhalten zurückzuführen sind. Nur einmal handelt es sich dabei um Falschparken.“ Bis 1968 war Helmut der einzige Autofahrer der Familie, erst dann legte Loki die Führerscheinprüfung ab.

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ARCHIV - 28.02.2008, Hamburg: Altbundeskanzler Helmut Schmidt und seine Frau Loki unterhalten sich während der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Hamburg an Loki Schmidt. Das neue Buch «Zuhause bei Loki und Helmut Schmidt» gewährt nun Einblick in das Kanzler-Reihenhaus in Hamburg-Langenhorn. (zu dpa "Neues Buch gewährt Einblick in Kanzler-Haus der Schmidts") Foto: Ulrich Perrey/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Verwendung weltweit
Helmut Schmidt

Mit dem Fortgang seiner Karriere (nach vier Jahren als Polizei- und Innensenator Hamburgs wurde Schmidt 1966 Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag) stand ihm ein Dienstwagen zu. Doch das bedeutete nicht, dass er selbst das Autofahren hätte bleiben lassen. WELT berichtete 1971, dass der nunmehrige Verteidigungsminister schon mal aus „eher sozialen Regungen“ selbst auf dem Fahrersitz Platz nahm, „wenn er bei späten Fahrten wie bei einem Meeting im Presseclub selbst seinen Dienst-Mercedes von der Hardthöhe herunterkutschiert“. Denn Schmidt wollte, so der Bericht, „seinem Fahrer den Feierabend nicht verderben“.

Damit war es vorbei, als Schmidt im Mai 1974 als Nachfolger von Willy Brandt Bundeskanzler geworden war: Fortan wurde er so gut wie immer gefahren, und stets begleiteten ihn, angesichts des Terrors der linksextremistischen RAF unvermeidlich, Leibwächter. Privat wich er aufs Wasser aus und legte 1977 die Prüfung zum Segelschein A (Binnen) ab. Auch nach Ende seiner Amtszeit, als Schmidt immer mehr zum „Kanzler der Herzen“ vieler Deutscher wurde, behielt er seinen Dienstwagen mit Fahrer.

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Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt sitzt am Donnerstag (14.04.2011) auf dem Podium im Schauspielhaus in Hamburg und raucht eine Zigarette. Auf Einladung der Körber-Stiftung diskutierte der Alt-Bundeskanzler unter dem Motto "Europa ist Zukunft!" mit Jugendlichen aus zwölf europäischen Ländern. Foto: Bodo Marks dpa/lno | Verwendung weltweit
Vom SPD-Politiker zum Mythos

Die Helmut-Schmidt-Stiftung hat wie die sechs anderen öffentlichen Politikergedenkstiftungen (nicht zu verwechseln mit den teilweise ganz ähnlich benannten parteinahen Stiftungen der CDU und der SPD) den Auftrag, an den jeweiligen Namensgeber als prägende Figur der deutschen Geschichte zu erinnern. Teilweise bewahren diese öffentlich finanzierten Einrichtungen den Nachlass der jeweiligen Person, etwa bei Otto von Bismarck, teilweise den originalgetreu erhaltenen Lebensraum des Politikers (so bei Friedrich Ebert, Theodor Heuss und in rekonstruierter Form bei Willy Brandt). Bei Konrad Adenauer und Helmut Schmidt kommt beides zusammen: Hier wird der Nachlass in Zweckbauten nahe der völlig erhaltenen letzten Wohnsitze zugänglich gemacht, die zudem als authentische Museen besucht werden können.

Wie sich die jüngste entsprechende Institution, die Helmut-Kohl-Stiftung, weiterentwickelt, ist derzeit noch offen: Sie wurde erst am 21. September 2021 konstituiert und verfügt aktuell nicht über den Nachlass, der noch in Kohls Privathaus in Oggersheim liegt.

Im Fall Schmidt gibt es dieses Problem nicht. Zwar gehört der Nachlass formal einer privaten Stiftung, die den Namen von Helmut und Loki Schmidt trägt, doch sie arbeitet eng mit der staatlichen Helmut-Schmidt-Stiftung zusammen. Das ist sicherlich vorbildhaft.

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