Herr Köhle, wie blicken Sie auf den Anfang der Pandemie zurück, als Ischgl im medialen Fokus stand? Ist das alles schon Schnee von gestern?
Thomas Köhle: Da bleibt schon etwas hängen, wenn ein 1600-Seelen-Dorf für eine weltweite Pandemie verantwortlich gemacht wird, das macht mit den Leuten, die da wohnen, schon etwas. Beim Saisonabschluss war aber schön zu sehen, dass die Gäste wieder zurück sind, das hat Ischgl auch gebraucht, alleine für die Seele und die Emotionen, weil man nicht wusste, was der Shitstorm, der über uns hinwegfegte, bei den Gästen anstellt. Die Befürchtung war da, dass sie nicht mehr kommen. Doch offensichtlich waren die Gäste von dieser medialen Hetze nicht so aufgekratzt, um zu sagen, da fahren wir nie wieder hin. Der Ort war zum Schluss wieder knallevoll. Das hat gut getan, wieder so viele Gäste in Ischgl zu sehen.
Wird es Massenansammlungen in Après-Ski-Lokalen wie dem Kitzloch weiterhin geben?
Solche Massenansammlungen gibt es überall auf der Welt, wenn die Leute in den Urlaub fahren und Spass haben wollen. Wenn man den Leuten bietet, was sie haben wollen, für das muss man sich nicht entschuldigen. Es wurde noch nie jemand in ein Après-Ski-Lokal hinein gezwungen. Die Gäste sind alle freiwillig dort und zahlen einen anständigen Preis dafür, dass sie dort etwas zu trinken bekommen. Doch Ischgl ist viel mehr als Après-Ski: wir haben zehn Haubenlokale mit total 28 Hauben. Die würde es alle nicht geben, wenn die Leute, die zu uns kommen, nicht auch ein Herz für Kulinarik hätten. Entertainment und Spass ja, aber es wird unsere verstärkte Aufgabe sein, alles was es sonst noch bei uns gibt, in den Vordergrund zu stellen.
Wie verläuft die Gäste-Entwicklung in Paznaun-Ischgl in diesem Jahr?
Mit diesem Sommer sind wir sehr zufrieden. Verglichen mit 2021 liegen wir 11,5% vorne, zu 2019 sind wir bei + 0,6%.
Wie beurteilen Sie die Aussichten für die Wintersaison?
Die Buchungslage ist für die Winter-Hauptreisezeiten ist gut. In der Zwischen- und Nebensaison, gibt es schon noch Potenzial. Die Gäste wissen, dass sie in der Nebensaison ganz leicht Betten kriegen. Zudem herrscht in unsicheren Zeiten automatisch eine gewisse Zurückhaltung, da warten viele einfach noch ab.
Wir gross sind Ihre Sorgen wegen den Unsicherheiten Inflation, Budget, Energiepreise, …?
Wir haben Krieg in Europa, auch wenn dieser ein Stück weg ist von uns. Das sind nicht die besten Vorzeichen, um Ferien zu buchen. Was jeder merkt, das sind die Energiepreise. Vielleicht ist es bei der Ischgl-Klientel weniger ein Thema, aber wir haben noch drei weitere Orte im Tourismusverband. Und da könnten erhöhte Energiepreise ein Grund sein, den Urlaub zu verschieben.
Welche Erwartungen haben Sie, was den Schweizer Markt betrifft?
Die letzten zwei Jahre waren von Zurückhaltung geprägt. Aber wieso hätten die Schweizer in ein Land fahren sollen, das härtere Restriktionen kennt? So hatten wir 60 Prozent weniger Schweizer Gäste im Winter. Aber das war coronabedingt.
Werden für uns Schweizer Österreich-Ferien nun preisgünstiger wegen dem starken Franken oder gleichwohl teurer, weil alles teurer wird?
Es wird auf jeden Fall Preisanpassungen geben müssen. Dennoch ist es durchaus attraktiv in Samnaun-Ischgl Ski zu fahren. Denn dank dem starken Franken erhalten Schweizer bei uns sehr hohe Qualität zu sehr günstigen Preisen.
Welche Entwicklung erwarten Sie aus dem Markt Deutschland?
Deutschland ist der Hauptreisemarkt für uns mit über 50 Prozent Gästeanteil. Wenn man sich die aktuelle Situation in Deutschland mit deutlich steigenden Energiepreisen anschaut, muss man schon hoffen, dass diese Geschichte gut ausgeht. Noch merken wir es an den Winter-Buchungen nicht, aber möglicherweise gibt es Auswirkungen für den Sommer.
Stehen Innovationen und Neuerungen in Paznaun-Ischgl an?
Neu haben wir in Ischgl ab dem Saisonstart die Silvrettatherme, die alleine ca. 70 Millionen Euro gekostet hat. Dieses Grossprojekt kann die Silvretta Seilbahn AG aber nur deshalb stemmen, weil Gewinne der Bergbahn nicht ausgeschüttet werden, sondern Reserven für touristische Infrastruktur, und eben auch schwierigere Zeiten aufgebaut wurden. Neben Ischgl und Paznaun haben wir drei weitere Skigebiete im Paznaun mit Galtür, Kappl und See. In See wird aktuell eine neue Seilbahn gebaut, die das dortige Skigebiet immens aufwerten wird.
Verändern die Therme die Positionierung von Paznaun-Ischgl?
Wir werden einige Themen mehr spielen müssen. Was man in Paznaun-Ischgl kann, ist Winter. Das kann jeder ausgezeichnet. Nun haben wir eine top Infrastrukur an Seilbahnen und Hotels vor Ort, deren Auslastung aber nur während fünf, sechs Monaten sehr gut ist. Auf der anderen Seite zwingt uns auch die Mitarbeitersituation, dass man mindestens zwei Saisons bespielt. Der Mitarbeiter verlangt, dass er nicht nur im Winter einen Job hat, sondern auch im Sommer.
Wie machen Sie das?
Für uns heisst das, dass wir das Thema Sommersaison verstärkt angehen. Heuer werden wir beispielsweise den Golden Summit in den Herbst hinein ziehen, und versuchen, mit einzelnen Veranstaltungen diese «Zwischensaison» zu beleben. Nächstes Jahr wird es dann richtig ernst, und alle Seilbahnen bleiben bis zum 15. Oktober durchgehend in Betrieb. Wir hoffen, dass auch die Vermieter mitmachen und ihre Infrastruktur bis Mitte Oktober offenhalten. Mit der Therme, mit den Hütten und den Seilbahnen, haben wir so die Möglichkeit künftig auch Sommer und Herbst zu bespielen. Ischgl-Paznaun für 360 Tage lautet unser Thema. Bis auf zwei Monate, während denen man den Einheimischen und Mitarbeitenden auch mal eine Pause gönnen muss, werden wir versuchen, die Region über das ganze Jahr hinweg mit Themen zu bespielen, die es absolut wert sind, unsere Region zu besuchen. Der Winter funktioniert schon sehr gut, der Sommer mittlerweile auch ganz ansprechend. Spannend wird der Herbst. Da werden wir verstärkt auf die Schweiz setzen, in den langen Herbstferien sehen wir grossen Potenzial.
«Es tut gut, wieder so viele Gäste in Ischgl zu sehen» - travelnews.ch
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