Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz ist erneut leicht gestiegen: Der Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern und Woche liegt laut Robert Koch-Institut nun bei 699,5. Am Vortag hatte er bei 690,6 gelegen, in der Vorwoche bei 682,7.
Die Inzidenz liefert allerdings kein vollständiges Bild der Infektionslage. Expertinnen und Experten gehen seit einiger Zeit von einer hohen Zahl nicht vom RKI erfasster Fälle aus – vor allem, weil bei Weitem nicht alle Infizierten einen PCR-Test machen lassen. Nur positive PCR-Tests zählen jedoch in der Statistik. Zudem können Nachmeldungen oder Übermittlungsprobleme zu einer Verzerrung einzelner Tageswerte führen.
Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI zuletzt 117.732 Coronaneuinfektionen und 131 Todesfälle innerhalb eines Tages. Vergleiche der Daten sind auch hier wegen des Testverhaltens, Nachmeldungen oder Übermittlungsproblemen nur eingeschränkt möglich. Generell schwankt die Zahl der registrierten Neuinfektionen und Todesfälle deutlich von Wochentag zu Wochentag, da besonders am Wochenende viele Bundesländer nicht ans RKI übermitteln und ihre Fälle im Wochenverlauf nachmelden.
Eine wachsende Krankheitsschwere durch die derzeit besonders verbreitete Coronavariante in Deutschland sieht das RKI weiter nicht: Es gebe keine Hinweise darauf, dass die nun dominierende Omikron-Sublinie BA.5 an sich schwerere Verläufe verursache oder tödlicher sei als vorherige Varianten, schreibt das Institut im Covid-19-Wochenbericht von Donnerstagabend . Dennoch sei »allein durch die starke Zunahme der Infektionsfälle« auch eine entsprechend höhere Zahl schwerer Verläufe zu beobachten, die zu mehr Krankenhauseinweisungen führe. »Die Sterbefallzahlen steigen im Zusammenhang mit den hohen Infektionszahlen bzw. Nachmeldungen an, allerdings bisher nur leicht.«
Den RKI-Daten zufolge ist BA.5 immer noch für den Großteil der Coronainfektionen in Deutschland verantwortlich. In der aktuellsten untersuchten Stichprobe von vorletzter Woche machte sie bereits einen Anteil von 77 Prozent aus, nach rund 65 Prozent in der Woche zuvor. Mittlerweile dürfte der Anteil bereits noch höher liegen. Bei der weiteren Omikron-Sublinie BA.4, die zuletzt ebenfalls von Woche zu Woche zugelegt hatte, zeigt sich nun ein leicht rückläufiger Trend: Der Anteil sank von 7,5 auf nun 6,7 Prozent. Die restlichen Fälle entfallen noch auf die zuvor dominierende Sublinie BA.2.
Insgesamt spricht das RKI für diese Jahreszeit im Vergleich zu Jahren vor der Pandemie von mehr akuten Atemwegserkrankungen in der Bevölkerung. Für die vergangene Woche würden 1,2 Millionen Arztbesuche aus diesem Grund und 4,5 Millionen Fälle angenommen, hieß es. »Diese Werte liegen deutlich über den Werten im Sommer vorpandemischer Jahre, und deuten auf ein stärkeres Infektionsgeschehen durch akute Atemwegsinfektionen hin.«
Stichprobenartigen virologischen Untersuchungen zufolge stecke bei Erwachsenen hauptsächlich Sars-CoV-2 dahinter, bei Kindern hingegen seien vor allem andere Erreger die Ursache, hieß es. Genannt wurden Parainfluenza- und Rhinoviren. Auch schon in vergangenen Berichten hatte das RKI von einer für die Jahreszeit erhöhten Aktivität von Atemwegserkrankungen gesprochen. Zu möglichen Gründen machte das RKI keine Angaben. Fachleute hatten in der Vergangenheit von Nachholeffekten gesprochen. Zu Hochzeiten der Pandemie waren viele Krankheitserreger seltener beobachtet worden.
Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek wies bei Twitter ebenfalls darauf hin , dass sich in der Diagnostik derzeit ein buntes Bild an Erregern zeige. Wenn man Symptome habe und eine PCR-Untersuchung auf Sars-CoV-2 negativ ausfalle, »dann ist es sehr wahrscheinlich, dass eine Infektion mit einem anderen Erreger vorliegt«. Falsch negative Befunde gebe es natürlich, dies sei aber selten.
Wie in einem zuvor erschienenen, neuen Impfbericht vom Donnerstag unterstrich das RKI auch im Wochenbericht den Nutzen der Coronaimpfung: Sie habe »aufgrund ihrer hohen Schutzwirkung vor einem schweren Verlauf auch bei Erkrankungen durch die Omikron-Variante nicht an Bedeutung verloren«. In dem Impfbericht war unter anderem darauf hingewiesen worden, dass in Deutschland bei Millionen Menschen der Bedarf bestehe, Impflücken zu schließen. Demnach müssten noch etwa 1,3 Millionen Menschen ab 60 Jahren und etwa 7,9 Millionen im Alter von 18-59 Jahren ihren Impfschutz mit mindestens einer Impfung auffrischen. Noch gar keine Impfung erhalten hätten rund 7,3 Millionen Erwachsene unter 60 Jahren und 1,9 Millionen ab 60, hieß es in dem Bericht.
Der Hausärzteverband rief die Bundesregierung auf, eine neue Impfkampagne zu starten. Das Impfen sei und bleibe die wichtigste und wirkungsvollste Maßnahme im Kampf gegen das Coronavirus, sagte der Verbandsvorsitzende Ulrich Weigeldt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Wir brauchen daher eine positive Impfkampagne – nicht nur für die vierte Impfung, sondern auch um die Impflücken bei der ersten und der dritten Impfung zu schließen«, sagte Weigeldt.
Infektionslage: RKI registriert für die Jahreszeit viele akute Atemwegserkrankungen - DER SPIEGEL
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